Eine Abstimmung, drei Komitees

Verkehrsinitiative: CVP fürchtet Links-Stempel

Wer hinter der städtischen Verkehrspolitik steht, ist automatisch links? Die CVP steht dahinter, will aber nicht in diese Ecke gedrängt werden. (Bild: lwo/thk)

Bezüglich der Stadtluzerner SVP-Verkehrsinitiative sind SP/Grüne und CVP einer Meinung: völliger Unsinn. Doch im gleichen Komitee wie die Linken dagegen ankämpfen will die CVP nicht. Mit gutem Grund. Die GLP hat dieses Dilemma auf eine sehr unkonventionelle Weise gelöst.

Der Abstimmungskampf um die SVP-Initiative «Für einen flüssigen Verkehr» , die voraussichtlich am 15. November vors Volk kommt, hat die CVP unter Zugzwang gebracht. Zwar ist die Partei dezidiert gegen die Initiative. Doch im von SP und Grünen angeführten Nein-Komitee will die CVP dann doch nicht mitmachen. Und zwar aus Angst, in den Augen der Bürger und Wähler gleich selbst zu den Linken gezählt zu werden – nächsten Frühling finden Gesamterneuerungswahlen statt. Deshalb hat die Mittepartei flugs ein separates Nein-Komitee gegründet.

Roger Sonderegger

Roger Sonderegger

«Wir wollen uns mit dem bürgerlichen Nein-Komitee abgrenzen von den sehr fuss- und velolastigen Argumenten der Linken», sagt CVP-Grossstadtrat Roger Sonderegger. Zwar sei man bezüglich der SVP-Initiative mit den Linken im Grundsatz einig, so der Dozent der Hochschule Luzern im Bereich Mobilität. «Die Initiative nützt überhaupt nichts und macht die Situation bloss noch schlimmer.» Jedoch wolle die CVP verhindern, einfach ins linke Lager gesteckt zu werden. Zumal man nicht a priori gegen den Autoverkehr sei wie SP und Grüne. Dem stimmt CVP-Grossstadtrat und Architekt Markus Mächler zu: «Die Linke argumentiert uns zu extrem in Richtung: Immer noch mehr Parkplätze abbauen, immer noch mehr Busspuren realisieren, den Autoverkehr brauchts gar nicht usw.» Damit könne sich die CVP nicht identifizieren.

«Die städtische Verkehrspolitik wird oft als links bezeichnet. Ich finde das fatal, weil es die einzige ist, die funktioniert.»

Roger Sonderegger, CVP

Hoffen auf abtrünnige FDPler

Sonderegger ärgert sich zudem über die oft gehässigen Stimmen betreffend Verkehr: «Die städtische Verkehrspolitik wird oft als links bezeichnet. Ich finde das fatal, weil es die einzige ist, die funktioniert.» Die CVP wolle mit dem bürgerlichen Nein-Komitee zeigen, dass der eingeschlagene, vom Volk 2010 abgesegnete Weg des Stadtrates auch von der politischen Mitte getragen werde. «Gerade aus Wirtschaftskreisen heisst es aber schnell, wer für die ÖV-Förderung ist, ist links. Aber wir machen sicher keine falsche Verkehrspolitik, nur um nicht als links zu gelten.»

Initiative bekämpft «Auto-Benachteiligung»

Die SVP-Initiative «Für flüssigen Verkehr» will die Verkehrspolitik der Stadt anpassen. Bislang gilt: Aller Mehrverkehr wird durch den ÖV und Langsamverkehr aufgefangen. Dazu braucht es bessere Bus- und Veloverbindungen. Der Autoverkehr hingegen muss auf dem Stand von 2010 plafoniert werden. Zu diesem Vorgehen hat die Stadtbevölkerung 2010 Ja gesagt. Für SVP und FDP ist diese Regelung aber erstens nicht umsetzbar und zweitens gehe sie zu stark zulasten des Autoverkehrs. Dies schade unter anderem der Wirtschaft. Deshalb brauche es neu eine Politik, welche alle Verkehrsarten gleich berechtige. Stadtrat und eine Mehrheit des Stadtparlaments haben die Initiative jedoch klar abgelehnt.

Nun versuchen Sonderegger und Mächler, noch weitere Bürgerliche, etwa aus den Reihen der FDP, an Bord zu holen. Die FDP stellt sich ja hinter die SVP-Initiative. Wobei es bei den Freisinnigen durchaus Personen gibt, die mit der Initiative nichts anfangen können. So hat etwa Rieska Dommann von der FDP an der letzten Sitzung des Grossstadtrates dagegen gestimmt. Und andere FDP-Vertreter räumen offen ein, dass sie bloss die SVP-Initiative unterstützen, um «ein Zeichen gegen die Verkehrspolitik der Stadt» zu setzen – obschon sie wüssten, dass die Initiative die Probleme wohl nur vergrössern würde.

GLP mischt gleich doppelt mit

An Bord ihres Mitte-Komitees holen konnte die CVP noch die Kleinparteien BDP, EVP und GLP. Wobei die GLP einen doch eher ungewöhnlichen Weg gegangen ist. Denn sie ist auch gleich im linken Nein-Komitee vertreten. In zwei Komitees gleichzeitig antreten – macht das Sinn? «Das schliesst sich nicht aus, denn uns geht es nur um die Sache: Die Initiative löst keine Probleme, sondern verursacht bloss neue», sagt GLP-Fraktionschef András Özvegyi.

«Wir sind über das neue Mitte-Komitee sehr froh und deshalb auch dort dabei.»

András Özvegyi, GLP

Es sei halt so gewesen, dass SP und Grüne bereits im Sommer die GLP angefragt hätten. Damals sei noch nicht klar gewesen, dass es noch ein Mitte-Nein-Komitee geben werde. Deshalb habe man zugesagt. «Das Mitte-Bündnis wurde erst letzte Woche auf die Beine gestellt», so Özvegyi. «Darüber sind wir sehr froh und deshalb sind wir auch dort dabei.»

Damit stehen sich nun gegenüber: Auf der einen Seite SVP und FDP mit dem Wirtschaftsverband der Stadt, dem ACS und TCS im Rücken (Infos unter www.flüssiger-verkehr.ch). Auf der anderen Seite das Mitte-Nein-Komitee aus CVP, GLP, BDP und EVP sowie das Links-Nein-Komitee aus SP, Grüne und GLP, unterstützt unter anderem von VCS, Pro Velo und Pro Bahn. Umgemünzt auf die Kräfteverhältnisse im Stadtparlament würde das eine klare Sache bedeuten: 16 Ja zu 32 Nein. Oder 33 Prozent Ja zu 67 Prozent Nein.

Die provisorische Webseite des linken Gegnerkomitees.

Die provisorische Webseite des linken Gegnerkomitees.

Linke wählen CVP-Orange

Neckisches Detail: Die Linken haben ihre – noch sehr, sehr simpel gestaltete Nein-Webseite www.verkehrsinfarkt-nein.ch – in grellstes CVP-Orange getaucht. Grund laut SP-Politiker Mario Stübi: «Ich gehe davon aus, dass aufgrund der vielen Komiteemitglieder eine neutrale Farbe gewählt werden musste – also neutral untereinander. Und es haben halt schon fast alle Farben einen politischen Hintergrund. Wie auch immer: Die Message ist ja trotzdem klar.»

Eine eigene Webseite will demnächst auch das CVP-Bündnis aufschalten. Man darf gespannt sein, wie sich die Mitteparteien dort von Links abgrenzen.

 

So sieht die Webseite der Befürworter der Initiative aus.

So sieht die Webseite der Befürworter der Initiative aus.

Die Message ist auch auf der Webseite der Befürworter – www.flüssiger-verkehr.ch – klar. Sie haben ihre Botschaften recht dramatisch mit pechschwarzer Farbe unterlegt. Anders als die Gegner findet man bei ihnen aber schon länger viele Infos rund um die Volksinitiative «Für einen flüssigen Verkehr.»

 

 

 

«Das ist ziemlich peinlich.»

Was sagen SVP und FDP zur neuen Ausgangslage? zentral+ hat bei den beiden Stadtparlamentariern Peter With, Präsident SVP Stadt Luzern sowie Fabian Reinhard, Neo-Präsident FDP Stadt Luzern, nachgefragt.

zentral+: Die CVP hat aus Angst, als links zu gelten, ein eigenes Mitte-Nein-Komitee gegründet. Nun hofft sie, auch weitere Politiker rechts von ihnen an Bord holen zu können. Wie geschlossen sind die Fronten bei FDP und SVP? Speziell bei der FDP sind ja auch nicht alle Feuer und Flamme für die Initiative.

Peter With: Das Reglement ist im breiten bürgerlichen Lager sehr unbeliebt, insbesondere die Plafonierung, weshalb auch so viele Organisationen die Initiative unterstützen. Hätte die CVP nicht zu links wirken wollen, dann hätte sie die Initiative unterstützen und nicht ein eigenes Komitee gründen sollen.

Fabian Reinhard: Die FDP sieht, dass die Initiative nicht alle Probleme löst, aber wir wollen mit unserer Unterstützung der Volksinitiative ein politisches Zeichen setzen für eine andere Verkehrspolitik. Die Stadt kann sich nur entwickeln, wenn sie gut erreichbar ist, und zwar nicht nur mit dem ÖV oder dem Velo.

zentral+: Die GLP ist gleich in beiden Nein-Komitees vertreten. Was sagen Sie dazu?

With: Das ist ziemlich peinlich. Vielleicht gründen wir auch noch sieben andere Komitees, für jeden SVP-Grossstadtrat eins.

Reinhard: Die GLP zeigt damit, dass sie mehr grün als wirtschaftsfreundlich ist.

zentral+: Die Stadtbevölkerung mag Initiativen, die den ÖV bevorzugen und/oder Autos einschränken. Haben Sie keine Angst, eine Klatsche zu riskieren?

With: Auch in unserer Initiative steht: Der öffentliche Verkehr wird so weit wie möglich priorisiert. Vorher stand da: Der öffentliche Verkehr wird konsequent priorisiert, also nur eine geringfügige Änderung.

«Angst vor einer Klatsche haben wir keine, denn wir setzen damit ein Zeichen gegen ein zu enges Korsett in der Verkehrspolitik.»

Fabian Reinhard, FDP

Reinhard: Die Stadtbevölkerung ist für eine funktionierende Verkehrspolitik und gegen eine pauschale Bevorzugung einzelner Verkehrsteilnehmer. Angst haben wir keine, denn wir setzen damit ein Zeichen gegen ein zu enges Korsett in der Verkehrspolitik.

zentral+: Die Grundangst vieler Zentrumsbewohner dürfte sein: Wenn durch ein Ja zur SVP-Initiative wieder mehr Autos ins Zentrum fahren dürfen, gibts noch mehr Stau. Was sagen Sie denen?

With: Im Gegenteil, durch unsere Initiative wird der Bau von Parkhäusern in der Peripherie möglich sein. Ebenso die Quartierentlastungsstrassen Spange Nord und Süd und die Umfahrungsautobahn Bypass. Diese Projekte werden dafür sorgen, dass viele Autos gar nicht erst in die Stadt kommen, sondern darum herumfahren oder ausserhalb parken.

Reinhard: Wir sind nicht für mehr Autos im Zentrum, sondern für ein Nebeneinander von MIV, ÖV und Langsamverkehr. Man muss das grössere Ganze sehen als nur die Innenstadt und nur das Auto – und dann bessere Ideen entwickeln als das Zurückstauen des motorisierten Individualverkehrs in die Aussenquartiere.

 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Pirelli
    Pirelli, 05.10.2015, 18:48 Uhr

    «Und andere FDP-Vertreter räumen offen ein, dass sie bloss die SVP-Initiative unterstützen, um ‹ein Zeichen gegen die Verkehrspolitik der Stadt› zu setzen – obschon sie wüssten, dass die Initiative die Probleme wohl nur vergrössern würde.»

    Bravo, Demokratie voll verstanden. Hat ja auch bei der MEI schon so hervorragend geklappt.

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