Petition gegen Sparmassnahmen

Jetzt wehren sich die Kantilehrer

Wehrt sich mit dem Konvent gegen das Entlastungsprogramm: Chemielehrer Urs Leisinger. (Bild: mbe)

Die Kantonsschule Zug muss stark bluten für das geplante Sparprogramm. Jetzt formiert sich Widerstand. Lehrer Urs Leisinger erklärt, warum übertriebene und übereilte Sparmassnahmen aus Sicht vieler Lehrer negative Konsequenzen haben könnte – auch für die Wirtschaft.

Urs Leisinger empfängt zentral+ im Chemievorbereitungszimmer, wo explosive Wässerchen in einem Wandschrank stehen. Explosiv und ziemlich giftig aus Sicht der Lehrerschaft ist auch das geplante Sparprogramm 2015 bis 2018. Es sieht schlechtere Arbeitsbedingungen für die Lehrer vor, weniger Altersentlastung, weniger Studienurlaub, einen langsameren Anstieg der Lohnkurve. Zudem sollen viele Arbeitsstellen abgebaut werden in den nächsten Jahren.

Aber jetzt formiert sich Widerstand. Und es geht dabei nicht nur um die eigene Befindlichkeit der Unterrichtenden. Urs Leisinger ist Copräsident des Konvents an der Kantonsschule Zug. Der Konvent vertritt die Interessen der Lehrerschaft, die aktuell rund 200 Lehrkräfte zählt. «Am meisten zu schaffen macht uns die Kumulation sehr vieler Massnahmen, die einzeln vielleicht verkraftbar wären – und dass vieles so unklar ist», sagt er.

Bisher 700 Unterschriften

Der Konvent bringt seine Meinung auch in Vernehmlassungen ein. Doch das reicht nicht, fand man. An einer Versammlung kurz vor den Sommerferien diskutierten die Lehrer und Lehrerinnen das Vorgehen. Leisinger: «Es kamen aussergewöhnlich viele Kollegen.» Rund 60 Lehrkräfte. In der Sommerferienzeit hat der Konvent dann eine Protest-Petition mit dem Titel «Starke Zuger Schulen» lanciert (www.starkeschulen.ch), die jeder unterschreiben kann. Auf die Strasse geht die Lehrerschaft wohl eher nicht, wie der Zuger Bildungsdirektor Stephan Schleiss im Interview mit zentral+ die Lage korrekt einschätzte. Die Petition wird rege genutzt: «Wir haben bis jetzt rund 700 Unterschriften beisammen, online und auf Papier», sagt Urs Leisinger. Wo, wann und an wen diese übergeben werden, sei noch nicht beschlossen.

15 Prozent Kostensenkungen sind extrem

Sind die Kanti-Lehrer nicht bereit zu einem Opfer für ihren Arbeitgeber? «Doch, das sind wir», sagt Urs Leisinger bestimmt, «aber von den kantonalen Schulen werden mit 15 Prozent Kostensenkungen überdurchschnittliche Opfer verlangt. Die betreffen zudem die Kantonsschule Zug besonders hart, durch einen massiven Stellenabbau. Rund 40 Vollzeitstellen sollen eliminiert werden. Dann belasten gewisse Massnahmen den Schulalltag sehr, bringen aber unserer Meinung nach kaum Einsparungen.»
Man befinde sich als Kantonsangestellter in einer Zwickmühle: «Wir wollen auch nicht, dass stattdessen in anderen Bereichen gespart wird, wie dem öffentlichen Verkehr oder dem Gesundheitswesen, das bereits stark bluten musste.»
Zur sogenannten Opfersymmetrie bemerkt Leisinger, dass vermögende Zuger ja geschont würden, was er persönlich fragwürdig findet. «Aber der NFA lässt sich natürlich nur im Sinne des Kantons Zug umgestalten, wenn der Kanton auch eine angespannte finanzielle Situation ausweist», fügt er hinzu. Das sei aber seine Meinung.

Zuger Schüler studieren überdurchschnittlich oft

Leisinger benennt auch die Hauptkritik der Kanti-Lehrer an den Sparmassnahmen im Bildungsbereich: Die Maturaquote der Zuger Jugendlichen für die Kantonsschulen soll gesenkt werden, in dem man den nötigen Notenschnitt anhebt. «Wir fänden besonders eine künstlich erhöhte Eintrittshürde nach der Sekundarschule  kontraproduktiv», sagt der Konventspräsident. Die Zuger Schüler hätten  eine im Vergleich zu anderen Kantonen sehr hohe Quote an Tertiärabschlüssen, sie studieren also überdurchschnittlich oft nach der Matura und bringen Abschlüsse von Universitäten, ETH oder Fachhochschulen heim.

«Das sind gut ausgebildete Leute für den Arbeitsmarkt. Warum diese Quote aus Spargründen von 22 auf 20 Prozent runtergefahren werden soll, sehen wir nicht ein. Das ist doch auch für die Wirtschaft nicht zweckmässig .» Die viel gelobte Berufslehre sei zwar im internationalen Vergleich «genial», fügt Leisinger schnell hinzu, «aber die Kantonsschüler sind auch nicht schlecht.» Nicht umsonst verlangten heute mehr und mehr Ausbildungsgänge als Grundlage eine Matura.

Lehrerberuf könnte an Attraktivität verlieren

Gemäss dem Konventspräsidenten befürchtet die Lehrerschaft durch die Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen auch einen Schaden für die Unterrichtsqualität. Nicht sofort, aber langfristig und schleichend. «Man wird weniger gute Lehrer und Lehrerinnen finden als heute», deutscht Leisinger aus. Es gebe zwar auch heute Klagen über bestimmte Lehrpersonen vonseiten der Eltern. Diese Klagen würden aber zunehmen. «Wenn der Lehrerberuf an Attraktivität verliert, zieht es ganz andere Stellenbewerber an, die didaktisch und fachlich weniger befähigt sind, fürchten wir.»

«Wir werden uns mit allen Mitteln dagegen wehren.»

Urs Leisinger

Zur Anhebung der durchschnittlichen Klassengrösse meint Leisinger, 19 sei verkraftbar. «Klassen mit 19 Schülerinnen und Schülern sind natürlich unproblematisch. Aber um ein vielseitiges Angebot an Schwerpunktfächern und Immersionsunterricht aufrecht zu erhalten, das den Jugendlichen mit ihren verschiedenen Bedürfnissen und Neigungen gerecht wird, müssen vereinzelt kleine Kurse geführt werden.» Wenn der Durchschnitt zu hoch angesetzt werde, leide entweder dieses Angebot, oder es müssten vermehrt sehr grosse Klassen gebildet werden, so Leisinger. Was widerum den Schülerinnen und Schülern nicht zugute käme.

«Vieles hängt zudem von der Umsetzung anderer Massnahmen ab. Aber sollten sich die Rahmenbedingungen zu sehr verschlechtern, werden wir uns mit allen Mitteln dagegen wehren.» Leisinger äussert sich aber auch positiv übers Entlastungsprogramm: «Wir sind schon froh darüber, dass die Massnahme der Lektionenbuchhaltung  jetzt offener formuliert wurde. Der Spielraum wird hoffentlich für eine vernünftige und pragmatische Lösung genutzt. Da hat sich der Bildungsdirektor wohl für uns eingesetzt.»

Nur eine Minderheit arbeitet vollzeitlich

Zum Protest der Lehrerschaft gegen Lohnabbau wollen wir noch wissen: Ist das nicht ein Jammern auf sehr hohem Niveau? «Doch», sagt Leisinger. Die Reallöhne der Kantonsangestellten und Lehrer seien aber im Vergleich mit anderen Branchen in den letzten zwanzig Jahren zurückgefallen, die geplanten Massnahmen würden diese Entwicklung akzentuieren. Und die Lehrer leisteten überdurchschnittlich viel Überzeit, wie alle Erhebungen zeigten.

Im Kanton Zug sei die Situation ausserdem speziell, die Lohnspanne unglaublich. «Als ich einer Schülerin, die mich danach fragte, meinen Lohn mitteilte, lachte sie ungläubig und meinte, ihr Vater verdiene ja das Vielfache.» Leisinger legt und seinen Lohn transparent offen: Er bringt mit einem Pensum von knapp 80%-, Zusatzaufgaben und drei Kindern immerhin 9000 Franken monatlich nach Hause.

Lebenslohn tiefer, weil sie spät ins Erwerbsleben einsteigen

172’000 Franken Maximallohn seien tatsächlich ein sehr guter Lohn. «Doch ist es eine Minderheit der Lehrpersonen an der Kanti, die einen Lohn in dieser Grössenordnung bezieht. Der typische Kantilehrer heute unterrichtet kein Vollpensum – weil die Arbeitsbelastung bei einem Vollpensum zu hoch ist. Das heisst also: Viele Lehrerinnen und Lehrer reduzieren ihr Unterrichtspensum, um es besser bewältigen zu können, und nehmen dadurch Lohneinbussen in Kauf.»

Zudem treten viele Mittelschullehrpersonen nach Fachstudium, Doktorat und didaktischer Ausbildung erst sehr spät ins Erwerbsleben ein, so dass der Lebenslohn weit tiefer liegt, als man erwarten würde. Im interkantonalen Vergleich sind die Pflichtpensen (Anzahl Lektionen für 100 Prozent) in Zug übrigens hoch – höher als beispielsweise in Zürich oder Luzern. Und der Lohn pro Lektion war gemäss Lohndatenerhebung 2012 der Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz in Zug durchaus im Bereich anderer Kantone wie Zürich, Basel, Aargau oder Schaffhausen. Von einer «Spitzenposition» werde man nach dem Sparpaket auch bezüglich Lohn nicht mehr reden können.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Robert M. Muench
    Robert M. Muench, 01.09.2015, 11:36 Uhr

    «Warum diese Quote aus Spargründen von 22 auf 20 Prozent runtergefahren werden soll, sehen wir nicht ein.» – Wer kommt überhaupt darauf und auf welcher Basis wird «festgelegt», dass nur 20% Matura machen sollen? Was soll das?

    Im übrigen würde ich denjenigen die auf solche Schnapsideen kommen dringend raten, noch ein paar Mathematik-Stunden zu absolvieren, dann wird vielleicht klar, was für ein Unfug eine solche Grenze ist:

    1. Es sollen also nur die besten 20% eines Jahrgangs Matura machen. Da der Leistungsschnitt zwischen den Jahrgängen sicher nicht konstant ist, sind also entweder ständig neue «Mindestdurschnittsnoten» zu definieren, oder der Notendurchschnitt so zu wählen, dass es um die 20% liegt.

    2. Eine Senkung von 22% auf 20% entspricht 10%. Es ist also notwendig, dass der «Mindest Notendurschnitt» auf weit weniger als 10% (sonst wären es mal 22% und dann wieder 20% eines Jahrgangs) genau festgelegt werden kann. Ich stelle mir das ziemlich schwierig vor, aber vielleicht geht das.

    3. Warum ist das Ziel nicht, dass «80% Matura machen» anstatt «80% machen kein Matura»?

    4. Wie wird denn bei einem solchen Ansatz sichergestellt, dass Schüler, die vielleicht eine Spitzenleistung nur in einem Metier bringen, trotzdem Matura machen können um an die Uni zu gehen?

    Overall sieht mir das Vorgehen eher nach einem einfachen Modellansatz aus. Und wie so oft ist das grösste Problem bei einer Theorie die Praxis.

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