Wer zahlt die Bahn auf den Bürgenstock?

Das Königreich Katar macht die hohle Hand

Zukunftsmusik: So soll die Bürgenstockbahn in zwei Jahren wieder in Betrieb gehen. Die Bergstation liegt im Bürgenstock-Hotel. (Visualisierung: Bürgenstock Resort)

Die katarischen Investoren auf dem Bürgenstock wollen Geld von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern: Sie sollen die Erschliessung mit einem Shuttle-Schiff und mit der Bürgenstockbahn mitfinanzieren. Nun prüfen die Behörden, wie sie die Monarchen vom Golf unterstützen könnten.

Die Verbindung war beliebt. Zehntausende Tagestouristen fuhren mit dem Schiff von Luzern nach Kehrsiten, stiegen dort in die Bürgenstockbahn um und schwärmten dann vom Hoteldorf aus: Zum berühmten Felsenweg mit dem Hammetschwandlift oder auf andere Wanderwege. Das war einmal. Die Bürgenstockbahn ist wegen den Bauarbeiten für das neue Resort der Investoren aus Katar ausser Betrieb.

Bis zur Eröffnung des Luxusresorts in rund zwei Jahren soll die Verbindung mit einem neuen direkten Shuttle-Schiff ab Luzern und der renovierten Bürgenstockbahn jedoch wieder funktionieren. Doch die Investoren aus Katar (siehe Box) und ihre lokalen Vertreter verlangen dafür öffentliche Subventionen.

Das ist bereits bekannt, und bekannt ist auch, dass die Investoren die Pläne für die Erneuerung der Bürgenstockbahn sistiert haben, um der Subventionsforderung Nachdruck zu geben. Recherchen von zentral+ zeigen nun: Luzern, Nidwalden und der Bund suchen nach Wegen, um den Investoren unter die Arme zu greifen.

Private Verbindung wäre teurer

Die Subventionsforderung der Investoren stürzt die betroffenen Kantone Nidwalden und Luzern in einen Konflikt. Denn die offizielle Erschliessung des Bürgenstocks mit dem ÖV funktioniert bereits über eine Busverbindung von Stansstad nach Obbürgen und Bürgenstock. Die Zufahrt ab Luzern mit dem Schiff und besonders mit der Bürgenstockbahn hingegen gilt als touristische Erschliessung. Sie wurde bisher vom Kanton Luzern zwar als Linie des öffentlichen Verkehrs anerkannt, doch Beiträge an die Betriebskosten zahlte er nicht. Die Anerkennung brachte den Fahrgästen bisher den Vorteil, dass Fahrvergünstigungen wie Halbtax-Abos gültig waren.

«Es ist nicht gerecht, wenn eine private Verbindung von der Öffentlichkeit finanziert wird.»

Daniel Daucourt, Co-Präsident VCS Ob- und Nidwalden

Nun soll aber die touristische Erschliessung über den See ab 2017 ein ganz anderes «Kaliber» erhalten: Als Ganzjahresverbindung soll sie täglich von früh bis spät Tagestouristen befördern. Und das wird teuer: 20 Millionen Franken sollen das Shuttle-Schiff und die renovierte Bürgenstockbahn kosten.

«Es geht uns um Beiträge an die Investitionskosten, welche mit immensen Auflagen verteuert werden, und es geht um die Betriebskosten», sagt Ronald Joho, Sprecher der Bürgenstock Hotels AG. «Die Anfahrt mit dem Schiff und der Bürgenstockbahn hat ein enormes touristisches Potential, und wenn wir als subventionierten ÖV anerkannt werden, gelten auch weiterhin die Fahrvergünstigungen.» Wenn kein öffentliches Geld fliesse, fügt Joho bei, sei das eine private Verbindung mit entsprechend höheren Preisen. 

300 Milliarden US-Dollar schwer

Es ist erstaunlich, dass die Investorin auf dem Bürgenstock, die Qatar Investement Authority (QIA) und ihre Schweizer Tochter, die Katara Hospitality Switzerland AG in Zug, die Erschliessungskosten für die touristische Route über den See nicht vollständig selber bezahlen will. Der Staatsfond QIA, einer der reichsten der Welt, ist laut dem Wall Street Journal mit rund 300 Milliarden US-Dollar dotiert. Auch die königliche Familie der Al-Thani, die hinter dem Staatsfond steht, verfügt über viele Milliarden an Vermögen. Das Emirat Katar ist eine absolute Monarchie. Es gerät immer wieder wegen der Verletzung von Menschenrechten in die Schlagzeilen.

Schon bisher privat finanziert

Doch die Subventionsforderung liegt quer in der regionalen ÖV-Landschaft. So hat die Nidwaldner Regierung schon im letzten November einen Grundsatzentscheid gefällt, dass die öffentliche Erschliessung des Bürgenstock weiterhin mit der Buslinie ab Stansstad erfolgen soll. Baudirektor Hans Wicki (FDP) sagt dazu: «Wegen den neuen Gästen und Mitarbeitern auf dem Bürgenstock werden wir diese Linie ab 2017 stark ausbauen. Zusätzlich werden wir in einem Versuchsbetrieb die Verlängerung der Buslinie vom Bürgenstock nach Ennetbürgen einrichten.»

Die touristische Erschliessung über die Seeroute erachtet die Nidwaldner Regierung ebenfalls als wichtig für das Resort, doch eine Finanzierung nach ÖV-Gesetz will sie daraus nicht ableiten. «Die touristische Erschliessung bestand schon lange vor dem Bau des heutigen Resorts», sagt Hans Wicki, «die Bürgenstockbahn wurde schon immer durch die Betreiber der Bürgenstockhotels finanziert und sie ist Bestandteil des Resort-Betriebes. Für diese Linie kann der Kanton Nidwalden keine ÖV-Beiträge bezahlen.»

«Das Potential der Seeverbindung ist riesig und es strahlt bis nach Luzern aus.»

Ronald Joho, Bürgenstock-Sprecher

Ähnlich argumentiert auch Daniel Daucourt, Co-Präsident des VCS Ob- und Nidwalden. «Es ist nicht gerecht, wenn eine private Verbindung von der Öffentlichkeit finanziert wird. Wenn das Bürgenstock-Resort auf Erlebnistourismus setzt, soll es den selber finanzieren.» Zudem wäre eine subventionierte touristische Verbindung eine Doppelerschliessung, die im ÖV-System Schweiz wegen der Kosteneffizienz grundsätzlich ein Tabu sei.

Kooperationsbereitschaft der Behörden

Bürgenstock-Sprecher Ronald Joho hingegen sagt, die Seeverbindung erfülle wichtige öffentliche Aufgaben. «Sie entlastet die Erschliessung über die Strasse, wenn das Aufkommen an Gästen gross ist.» Ausserdem sei die Seeverbindung auch als Arbeitsweg für viele Hotelmitarbeiter gedacht, die ausserhalb des Resorts wohnen. Ronald Joho sagt weiter: «Das Potential der Seeverbindung ist riesig und es strahlt bis nach Luzern aus». Wenn diese Verbindung funktioniere, so ein Beispiel, könne man in einem der zwölf Restaurants auf dem Bürgenstock fein essen und danach auch noch spätabends mit der Bürgenstockbahn und dem Schiff nach Luzern zurück fahren.

Obschon die öffentliche Erschliessung mit dem ÖV also geregelt ist, signalisieren die Nidwaldner und auch die Luzerner Behörden Kooperationsbereitschaft: Nidwalden, aber auch Luzern und der Bund suchen Lösungen für die Forderungen der Bürgenstock-Investoren.  Dabei geht es um zwei Projekte, für die bereits öffentliche Gelder fliessen.

Ein erstes Projekt fokussiert unter der Federführung der Kantone Nidwalden und Luzern auf die Erschliessung des Bürgenstocks über den Seeweg. Dieses Projekt, eine Machbarkeitsstudie, wird im Rahmen des Programms Neue Regionalpolitik (NRP) des Bundes aufgegleist und finanziert. Luzern und Nidwalden beteiligen sich mit je 50’000 Franken an den Projektkosten von total 200’000 Franken, der Bund übernimmt 100’000 Franken.

Kantonsbeiträge eher unwahrscheinlich

Um was es dabei geht, beschreibt Sven Zeidler, Leiter der Dienststelle Raum und Wirtschaft (rawi) im Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement des Kantons Luzern. «Mit diesem NRP-Projekt wird abgeklärt, welchen Mehrwert die Schiffverbindung und die Bürgenstockbahn als zusätzliche Wertschöpfungskette bringen. Es geht um die Frage, was ein solcher People-Mover ergänzend zur Erschliessung mit dem öffentlichen Bus leistet.»

Dabei würden auch Investitionsbeiträge für das neue Shuttle-Schiff und die Bürgenstockbahn sowie Betriebsbeiträge abgeklärt. Entschieden sei aber noch nichts. Sven Zeidler meint dazu: «Eine direkte Beteiligung des Kantons Luzern an den Investitions- und Betriebskosten erachte ich als eher unwahrscheinlich. Wir begrüssen und unterstützen jedoch die Abklärung mit unseren NRP-Beiträgen.» Und der Nidwaldner Baudirektor Hans Wicki sagt: «Wir sind mit dem Kanton Luzern und dem Bund im Gespräch, wie man Investitionsbeiträge aufgleisen könnte.» Für detailliertere Auskünfte, sagt er, sei es aber noch zu früh.

Bund finanziert Masterplan

Auch für ein zweites Projekt sind öffentliche Gelder im Spiel. Es wird über das Instrument «Innotour» (Förderung von Innvoation, Zusammenarbeit und Wissensaufbau im Tourismus) des Staatsekretariates für Wirtschaft (Seco) finanziert. Es heisst «Masterplan zur Erschliessung der touristischen Wertschöpfungspotentiale des Bürgenstock Resort Lake Lucerne».

Der Masterplan wird gegenwärtig unter der Federführung der Luzern Tourismus AG erarbeitet. Direktor Marcel Perren sagt: «Es geht um die touristische Wertschöpfung für Luzern und die gesamte Destination Luzern-Vierwaldstättersee. Neben dem Freizeit- und dem Business-Tourismus sollen auch die Bereiche Shopping, Kultur und Medical Wellness miteinander vernetzt werden. Auch die Erreichbarkeit und Erschliessung sind ein Thema.» Laut Perren finanziert das Seco den Masterplan mit 70’000 Franken.

«Wenn öffentliche Gelder aus Nidwalden in die Erschliessung fliessen, muss es anderswo wieder eingespart werden.»

Daniel Daucourt, Co-Präsident VCS Ob- und Nidwalden

Schon heute erhalten die Investoren aus Katar also öffentliche Gelder für Abklärungen. Ob sie aber – wie beispielsweise die Cabrio-Bahn am Stanserhorn oder die Skiarena Andermatt-Sedrun von Samih Sawiris – öffentliche Gelder aus dem NRP-Topf für eine Anschubfinanzierung erhalten, kann heute niemand beantworten.

Gleich lange Spiesse

Ronald Joho ist überzeugt, dass den Investoren aus Katar solche Fördergelder zustehen. Der Bürgenstock-Sprecher sagt, man verlange eine Gleichbehandlung mit anderen Bahnen. «Eine Erhebung bei zehn Bahnen der Region hat ergeben, dass alle unterstützt werden, da ein wirtschaftlicher Betrieb heute nicht mehr möglich ist, die Bahnen aber für die Öffentlichkeit wichtig sind.» Es gebe keinen Grund, weshalb der Bürgenstock-Investor benachteiligt werden sollte. «Wir verlangen das gleiche Recht für uns. Wir wollen gleich lange Spiesse.»

Auf diese Subventionsforderungen reagieren die VCS-Sektionen Ob- und Nidwalden sowie Luzern mit grundsätzlicher Kritik. Daniel Daucourt aus Nidwalden sagt, für den Bau des Resorts sei Geld im Überfluss vorhanden, für die Erschliessung seltsamerweise aber nicht. «Wenn öffentliche Gelder aus Nidwalden in die Erschliessung fliessen, muss es anderswo wieder eingespart werden.»

Bürgenstock verscherzt Goodwill

Auch die Geschäftsführerin des VCS Luzern, Monique Frey, kann sich mit den Subventionsforderungen nicht anfreunden. «Im revidierten ÖV-Gesetz geht der Kanton Luzern ja eher in die andere Richtung. Bei Bauten und Anlagen mit grossem Verkehrsaufkommen müssen die Kosten für eine gute ÖV Erschliessung von den Verursachern mitgetragen werden.» Das Resort sei sicher ein gutes  Projekt, das viele Arbeitsplätze schaffe, doch es brauche keine öffentlichen Subventionen.

Und auch Daniel Daucourt vom VCS Ob- und Nidwalden meint abschliessend, die Investoren aus Katar verdienten zwar Anerkennung für ihr Engagement. «Im Moment riskieren sie aber einen Imageverlust und laufen Gefahr, langfristig die Akzeptanz des Resorts in der breiten Bevölkerung zu verlieren. Mit dem Verzicht auf Subventionen würden die Resort-Investoren hingegen viel Sympathie gewinnen».

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