Guido Graf will Eritreer zurückschicken

«Verzeihung, aber das ist einfach Quatsch»

Eritreer beim Deutsch büffeln. Eine Rückkehr sei für die meisten Eritreer gefährlich, findet Stefan Frey von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. (Bild: Archiv)

Die Luzerner Regierung will Flüchtlinge aus Eritrea zurückschicken, weil sie nicht an Leib und Leben bedroht seien. Das stösst bei Experten auf Unverständnis. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe hält die Argumentation der Regierung für völlig falsch und wirft ihr vor, Populismus und Wahlkampf zu betreiben.

In einem Brief fordert Regierungsrat Guido Graf Bundesrätin Simonetta Sommaruga auf, Asylsuchende aus Eritrea nicht mehr als Flüchtlinge anzuerkennen (zentral+ berichtete). Stefan Frey von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe nimmt dazu gegenüber zentral+ Stellung. Er schätzt die Situation völlig anders ein als die Luzerner Regierung.

zentral+: Viele Eritreer seien hier, ohne einen wirklichen Asylgrund zu haben, findet Regierungsrat Guido Graf – teilen Sie diese Einschätzung?

Stefan Frey: Es ist nicht Sache der Luzerner Regierung, festzustellen, ob Asylsuchende aus einem Land Anrecht auf Schutz haben oder nicht. Das ist klar geregelt: Dafür ist der Bund zuständig.

zentral+: Trotzdem: Stimmt die Einschätzung, dass viele Flüchtlinge aus Eritrea, die in Luzern sind, eigentlich wieder zurück in ihr Land könnten, weil sie dort weder an Leib noch an Leben bedroht sind?

«Wie Luzern nun auf die Idee kommt, dass die Eritreer ohne Gefährdung nach Hause gehen können, weiss ich nicht.»

Stefan Frey, Schweizerische Flüchtlingshilfe

Frey: Alle Berichte, die uns zur Verfügung stehen, sind eindeutig: Die letzten Publikationen dazu, welche die UNO und die US-Regierung im Juni veröffentlicht haben, sagen klar aus, dass in Eritrea nach wie vor eine grosse Willkür herrscht und dass die Menschenrechte missachtet werden.

zentral+: Das sieht Guido Graf offenbar anders.

Frey: Sehen Sie: Die Anerkennungsquote für Asylsuchende aus Eritrea liegt in der Schweiz bei 89 Prozent, die meisten Asylgesuche werden also positiv beurteilt. In Ländern wie Schweden, Dänemark oder Holland ist es ähnlich, da liegt die Rate sogar zwischen 89 und 99 Prozent. Wie Luzern nun auf die Idee kommt, dass die Eritreer ohne Gefährdung nach Hause gehen können, weiss ich nicht. Die Zahlen können eindeutiger nicht sein. Jedes Gesuch wird einzeln beurteilt, es wird genau hingeschaut, wie die Situation für diese Menschen ist. Das bedeutet, dass die Argumentation der Luzerner Regierung völlig daneben ist.

zentral+: Luzern zweifelt auch daran, dass die vielen minderjährigen Eritreer, die alleine hierher kommen, «echte» Asylbewerber sind. Die meisten seien von ihren Eltern aus wirtschaftlichen Gründen weggeschickt worden. Stimmt das?

 

Stefan Frey

Stefan Frey

(Bild: Bernd Konrad)

Frey: Verzeihung, aber das ist einfach Quatsch. Die Jugendlichen kommen, weil sie sonst vom Militär zwangsrekrutiert werden und sie nicht wissen, wie lange sie dort bleiben müssen. Manche verbringen 20 Jahre im Militär und müssen Zwangsarbeit verrichten. Wer zurückgeht, weil er nicht ins Militär gegangen ist, kommt ins Gefängnis und wird nicht selten gefoltert.

zentral+: Luzern will von Bundesrätin Sommaruga, dass geprüft wird, ob Eritreer tatsächlich bedroht sind, wenn sie zurückkehren. Das ist doch verständlich, oder nicht?

Frey: Genau das wird ja gemacht! Die Verfahren sind klar festgelegt, ebenso die Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Kantonen.

zentral+: Auch andere Kantone wehren sich gegen die zunehmende Zahl der Flüchtlinge. Die Regierung aus Schwyz möchte, dass die Kantone sich zusammentun, um beim Bund Druck zu machen. Verstehen Sie den Widerstand?

Frey: Nein. Und ich verstehe vor allem den Zeitpunkt nicht. Der Bund informiert stets langfristig und rechtzeitig. Die Kantone wissen ganz genau, was auf sie zukommt und können entsprechend planen. Auch in Luzern weiss man seit langem, dass es Engpässe geben wird. Und dass es hin und wieder zu solchen kommt, liegt in der Natur der Sache.

«Heute haben wir halb so viele Flüchtlinge wie zu Zeiten des Kosovo-Krieges. Deshalb muss man solche Vorstösse als politische Propaganda werten.»

Stefan Frey

zentral+: Warum kommt die Luzerner Regierung gerade jetzt mit dem Anliegen?

Frey: Man muss einfach wissen, dass wir heute halb so grosse Zahlen an Flüchtlingen haben wie zu Zeiten des Kosovo-Krieges. Deshalb muss man solche Vorstösse als politische Propaganda werten. Insbesondere die CVP will sich offenbar für den Wahlkampf positionieren. Traurig ist es insofern, als dahinter eine Partei steckt, die immer noch das «C» im Namen hat. Besonders christlich ist das Vorgehen des Luzerner CVP-Mannes meiner Meinung nach nicht.

Hinweis der Redaktion: Die Reaktionen der Parteien finden Sie hier.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von lulu
    lulu, 14.08.2015, 11:24 Uhr

    Eine vernünftige, kompetente Stimme. Unser Luzerner Intelligenzblatt hingegen gibt heute dem Honorarkonsul von Eritrea viel Platz. Ich frage mich, ob 1940 ein dt. Honorarkonsul behauptet hätte, man könne die Juden nach Deutschland zurückschicken. Es würde ihnen nichts geschehen?????

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  • Profilfoto von juerg47
    juerg47, 12.08.2015, 17:22 Uhr

    Sollte ich jemals den Wunsch nach einer Hirnamputation haben, will ich denselben Arzt, wie GuidoGraf und seine Vasallengschpäänli der Luzerner Regierung .

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