Öl-Abenteuer einer Zuger Firma

Falls Transocean die Arktis verwüstet – sind wir schuld?

Hier ist sie noch auf dem Weg: Die Transocean-Plattform «Polar Pioneer» auf dem Transportschiff «Blue Marlin», fotografiert vom Greenpeace Schiff «Esperanza». (Bild: Vincenzo Floramo / safethearctic.org))

Sie hat schon zwei grössere Katastrophen mitverursacht – jetzt ist die Zuger Firma Transocean gerade dabei, mit Shell in der Arktis nach Öl zu bohren. Wenns schiefgeht, droht eine neue Katastrophe. Haben die Zuger eine Mitverantwortung? Ja, sagt der Zuger Volkswirtschaftsdirektor. Aber nicht so, wie man annehmen würde.

Während sich der Gigant auf die Arktis zuschiebt, während in diesen Tagen die ersten Bohrlöcher in den Meeresgrund gejagt werden, während das Abenteuer losgeht, das bei Umweltschützern auf der ganzen Welt nur verzweifeltes Händeringen verursacht, währenddessen ist im Kanton Zug nicht viel los.

Dabei ist es eine Zuger Firma, die die Ölbohrplattform «Polar Pioneer» besitzt, mit der der Erdölgigant Shell auf dem Meeresgrund der Arktis nach Ölreserven sucht. Transocean, eine der grössten Besitzerinnen von Ölbohr-Plattformen weltweit, ist vorne mit dabei. Wenns klappt – und wenns schiefgeht.

Die zwei grössten Katastrophen auf der Kappe

Das Zuger Unternehmen ist für zwei der bisher grössten Ölkatastrophen der Welt verantwortlich: Transocean hat neben der Unglücks-Plattform Ixtoc I auch die Plattform «Deepwater Horizon» im Golf von Mexiko betrieben, die 2010 so spektakuläre Umweltverschmutzung und den Tod von elf Menschen hervorbrachte (zentral+ berichtete). Wenn die Expedition in der Arktis schiefgehen würde, warnen Umweltverbände, könnte das noch dramatischere Konsequenzen haben, als die Ölpest im Golf von Mexiko.

Ihr Quartier hat die Transocean an der Turmstrasse in Steinhausen aufgeschlagen, im beschaulichen Industriegebiet zwischen Cham und Autobahn, in einem der runden Betontürme. Eine in Zug ansässige Firma nimmt am Risiko teil, eines der letzten unberührten Gebiete der Welt zu zerstören. Das klingt für den kleinen Kanton nach einer Schuhnummer zu gross – und wirft die Frage auf, welche Verantwortung ein Staat über die Taten seiner Steuerzahler trägt.

«Ich erwarte das von der amerikanischen Regierung»

Sind wir alle ein bisschen schuld, wenn die Arktis wegen einer Zuger Firma verschmutzt wird? Weil wir vom Wirtschaftsstandort profitieren? «Nein», sagt der Zuger Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel, «das liegt schlicht nicht in unserer Kompetenz, der Firma vorzuschreiben, was sie in der Arktis tun und lassen kann.» Es gälten immer die Rechtsregeln vor Ort; gegebenenfalls ein internationaler Standard, so Michel. «In der Arktis ist dafür die amerikanische Regierung verantwortlich. Ich erwarte von ihr die Durchsetzung der von ihr selber geschaffenen Gesetze zum Schutz der Meere und zum sorgfältigen Rohölabbau.»

Dass Michel das von ihr erwartet, ist der amerikanischen Regierung wohl egal. Der Volkswirtschaftsdirektor besteht aber darauf: «Ich erwarte es, weil wir es hier auch so tun. Jede Regierung muss diese Verantwortung über ihr Hoheitsgebiet nach bestem Wissen und Gewissen übernehmen. Und gerade bei einem Rechtsstaat wie den USA, muss man das erwarten.»

Es gibt keine ehtischen Kriterien

Muss es wohl auch, weils keine Alternative gibt: Die Schweiz und Zug könnten keine eigenen Gesetze darüber aufstellen, was eine Firma in der Arktis tun darf und was nicht: «Wir wären ja auch gar nicht vorbereitet. Wir haben kein Gesetz über das Meer, aus naheliegenden Gründen», sagt Michel. Die Schweiz könne deshalb keine Vorreiterrolle einnehmen und anderen Staaten befehlen, was sie erlauben und verbieten müssen. «Es muss einen internationalen Konsens geben, den wir zusammen vorantreiben müssen.»

«Ich hätte keine Schuldgefühle für mein Verhalten als Regierungsrat. Aber ein anderes.»

Matthias Michel

Allerdings nimmt der Kanton Zug Steuergelder der Firma an – wenn sie nicht, wie für dieses Jahr angekündigt, Verluste wegen Abschreibern verbucht – und billigt damit ihr Geschäft. Das sieht der Volkswirtschaftsdirektor anders: Mit dem Steuerfranken gehe keine Beteiligung an der Verantwortung einher, sagt Michel. «Kein Staat auf der Welt schaut, woher das Geld kommt, solange es rechtmässig und gesetzeskonform erarbeitet wurde und kein Schwarzgeld ist. Wir haben eine liberale Wirtschaftsordnung, in der jeder eine Unternehmung gründen darf, wenn er sich an die Regeln hält.»

Matthias Michel, Volkswirtschaftsdirektor des Kantons Zug.

Matthias Michel, Volkswirtschaftsdirektor des Kantons Zug.

(Bild: zvg)

«Es gibt keine grundsätzlichen ethischen Kriterien bei Steuereinnahmen», sagt Michel, «es gibt aber rote Linien: Das sind die Embargos, die die internationale Gesellschaft oder die Schweiz gegen Firmen und einzelne Personen ausspricht. Solche Personen oder Firmen dürfen bei uns keine Geschäfte tätigen.»

Schuldgefühle, wenns schiefgeht?

Die Transocean ist auf keiner schwarzen Liste. Und wenn es nun zu einer Ölpest kommen sollte, dann ist das ganz legal geschehen. Dass es zu einer Katastrophe kommt, ist allerdings sehr wahrscheinlich: Laut dem «Bureau of Ocean Energy Management», der amerikanischen Behörde, die das Vorhaben bewilligt hat, wird es mit 75 prozentiger Wahrscheinlichkeit in den nächsten zehn Jahren in der Arktis zu einer Ölpest kommen. Das schreibt «The Guardian». Wenn das tatsächlich eintritt, dann muss doch das Gefühl bleiben, nicht alles getan zu haben. Ob Michel dann keine Schuldgefühle haben wird? «Nein», sagt er, «kein Schuldgefühl für mein Verhalten als Regierungsrat. Aber ein anderes.»

Denn es sei der falsche Weg, auf die Regierung zu zeigen und zu sagen, tut was. «Um was es wirklich geht, ist, dass wir es schaffen, weniger Öl zu brauchen. Auch darum fahre ich Velo und benutze den Öffentlichen Verkehr. Das liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen.»

Insofern sind wir doch alle ein bisschen mitverantwortlich, wenn es zu einer Ölpest in der Arktis kommen sollte. «Ich hätte ein schlechtes Gewissen als Privatperson, für uns als Gesellschaft», sagt Michel. «Weil wir es nicht schaffen, nur so viel Erdöl zu brauchen, dass diejenigen Vorkommen reichen, die sicher abgebaut werden können.»

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