Urs Raschle – 120 Tage im Zuger Stadtrat

«Ich musste bisher keine Zähne zeigen»

CVP-Stadtrat Urs Raschle hat die Parkplatzgebühren erhöht.

(Bild: zentral+)

Er ist das Küken im Zuger Stadtrat – und erst ein Drittel Jahr im Amt. zentral+ traf den früheren Zuger Tourismusdirektor Urs Raschle für eine Zwischenbilanz, sprach mit ihm über fehlende Ecken und Kanten und wie es passt, wenn ein bürgerlicher Ökonom das Sozialdepartement übernimmt.

Urs Raschle ist das neueste Mitglied des Zuger Stadtrates. Seit Januar 2015 ist der ehemalige Zuger Tourismusdirektor nicht mehr nur im Kantonsrat aktiv, sondern auch als Vorsteher des Departements für Soziales, Umwelt und Sicherheit (SUS). Ein Drittel des ersten Amtsjahres ist bald vorbei.

zentral+: Herr Raschle, Sie haben seit fast 120 Tagen das Amt als Stadtrat inne. Wie lautet Ihr erstes Fazit?

Urs Raschle: Sehr positiv. Bereits als Tourismusdirektor habe ich reichlich Erfahrung gesammelt, mich mit Zug befasst und viele Leute kennengelernt. Nun ist jedoch die Materie eine ganz andere. Mit dem Departement Soziales, Sicherheit und Umwelt bin ich viel näher an der Bevölkerung dran, vor allem an den Schwierigkeiten und Problemen, die existieren. Auch mein Arbeitsstil hat sich verändert. Ich habe viele Sitzungen, treffe mich mit Fachleuten, bekomme viel Support. Als Tourismusdirektor habe ich vieles selber umgesetzt.

«Dass ich als Bürgerlicher mit dem Sozial-Departement beauftragt bin, ist gut.»

zentral+: Man hat bisher erst wenig von Ihnen als Stadtrat gehört. Sind Sie der Junior-Stadtrat?

Raschle: Sicher, ich habe mir selber ein Jahr Zeit gegeben, um das Departement kennenzulernen. Da gehören sehr viele Bereiche hinein, die alle hochspannend sind. Als Junior würde ich mich aber nicht bezeichnen. Die Abläufe habe ich zwar noch nicht zu hundert Prozent intus, doch ich wurde sehr gut im Stadtrat und im Departement aufgenommen. Ich empfinde die restlichen Stadträte als offen, wertschätzend und auch kritisch. Wenn ich neue Ideen einbringe, dann werden die Ernst genommen. Ich fühle mich wohl.

zentral+: Sie haben bisher kaum Ecken und Kanten gezeigt. Sind Sie jemand, der gemocht werden will?

Raschle: (Er lacht.) Der Stadtrat würde das wohl anders beurteilen. Aber es ist schon so, dass ich bisher keine Zähne zeigen musste. Ich habe bis jetzt viel übernommen, was mein Vorgänger erarbeitet hat. Langsam kommt das, dass ich mich auch mal durchsetzen muss. Ich bin aber nicht jemand, der immer den Konflikt sucht. Das passt vielleicht auch zur CVP, dieses Konsensorientierte. Dass ich als Bürgerlicher mit dem Sozial-Departement beauftragt bin, ist gut. Mit meinem ökonomischen Hintergrund kann ich neue Ideen einbringen. Ein wichtiger Fokus von mir ist die Effizienzsteigerung, denn das Kostendenken hat mich in meinem Werdegang geprägt.

zentral+: Es ist derzeit relativ still in Ihrem Departement. Was tut sich dort gerade?

Raschle: Da gibt es vieles. Im Bereich Verkehr geht es beispielsweise gerade darum, die Diskussion zu den 30-er Zonen zu lösen. Alle Quartiere möchten solche Zonen, doch mit einer Geschwindigkeitstafel allein ist es nicht erledigt. Es braucht die entsprechenden Massnahmen.

Im Umweltbereich sind wir daran, die Bevölkerung zu sensibilisieren. Derzeit läuft ein Vorprojekt der Wasserwerke Zug für den Zuger Energieverbund, bei dem es ums Heizen der Quartiere mit Seewasser geht.

zentral+: Was sind aktuelle Themen im Sozialbereich?

Raschle: Dort läuft es eigentlich soweit gut, doch gibt es immer Einzelfälle, die emotional schwierig sind. Ausserdem werden die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe geändert und verschärft. Bei diesen Anpassungen ist Zug auch involviert. Die Frage dabei ist, wie wir vernünftig mit Ressourcen umgehen können.

Beispielsweise haben wir in Zug Organisationen wie KISS oder Benevol, die sich für ältere Menschen einsetzen, jedoch von uns keinen Leistungsauftrag und somit kein Geld erhalten. Auf den ersten Blick ist das ein Vorteil, da sie uns nichts kosten, aber als Ökonom frage ich mich, ob es sich nicht lohnt, dort zu investieren. Das Thema Alter wird immer wichtiger. Deshalb ist auch die Altersstrategie so wichtig, die wir kürzlich veröffentlicht haben. Das ist ein wichtiger Brocken, dessen Umsetzung nun bei mir liegt.

zentral+: Was sind Ihre Ziele als Stadtrat?

Raschle: Im Departement ist es wichtig, dass alle Abläufe gut funktioneren. Wir sollen in der Bevölkerung als positiv wahrgenommen werden, die Leute sollen wissen, was sie bei uns bekommen können und was nicht. Dann ist das Alter sicher unser grösstes Thema. Wie können wir neue Ideen finden, um das Problem der Überalterung zu lösen? Die ganze Finanzierung ist äusserst komplex. Krankenkassen, öffentliche Hand und Privatvermögen sind involviert, manchmal auch Ergänzungsleistungen. Da würde ich gerne eine Vollkostenrechnung machen. Dann würde man konkreter sehen was wir zahlen, was allenfalls zurück an die Stadt kommt und wo man was ändern müsste, um positive Auswirkungen zu erzielen.

«Die grosse Krise, die wir vor vier Jahren hatten, ist vorbei.»

zentral+: Wie geht es Ihrer Partei, der CVP, in der Stadt Zug?

Raschle: Ich glaube besser. Die grosse Krise, die wir vor vier Jahren hatten, ist vorbei. Damals führte die Abwahl von Andrea Sidler-Weiss aus dem Stadtrat dazu, dass die CVP während vier Jahren nicht mehr darin vertreten war. Jetzt ist die CVP wieder in der Exekutive dabei. Es gibt neue Leute, einen neuen Parteipräsidenten. Wir haben an Kraft gewonnen.

zentral+: Was fehlt der Zuger CVP noch?

Raschle: Wir sind die Partei mit der grössten Spannweite von links bis bürgerlich. Das Spannungsfeld innerhalb der Partei ist deshalb gross. Beispielsweise finde ich bei Weitem nicht alles positiv, was die CVP auf Bundesebene durchsetzt.

zentral+: Und worin ist die Partei gut?

Raschle: Darin, Sachpolitik zu machen. Oft haben wir im Grossen Gemeinderat polemische Stimmen. Die CVP relativiert dann, versachlicht. Aber auch wenn wir nicht poltern, können wir uns wehren, wenn es sein muss. Ich glaube, man kann sagen, dass die CVP versucht, staatsmännische Politik zu machen.

zentral+: Der Kanton hat ein ambitioniertes Sparprogramm angekündigt. Welche Sparmassnahmen sind für Sie am schmerzhaftesten?

Raschle: (Die Antwort kommt wie aus der Kanone geschossen.) Die bei mir! Nun, ich habe eigentlich zwei Herzen in meiner Brust. Als Kantonsrat verstehe ich, dass so viel gespart werden muss. Die CVP hat selber auch Druck gemacht. Als Stadtrat sehe ich das aus einer anderen Perspektive. Es drängen sich Fragen auf, wie man das alles unter einen Hut bringen kann und wie der Kanton sparen kann, ohne die Gemeinden zu stark zu belasten. Laut Sparprogramm sollen die Ergänzungsleistungen weniger üppig ausfallen. Auch bei den Sozialfällen und in Sachen Alter will der Kanton sparen. Die Frage ist, ob das nicht schlussendlich zu Mehrkosten führt.

zentral+: Haben Sie sich in den letzten vier Monaten je zurück in den Tourismus gewünscht?

Raschle: Nein. Ich war sieben Jahre dort, und es war der richtige Moment zu gehen, da ich angefangen habe, mir kritische Gedanken dazu zu machen. Jetzt bin ich topmotiviert. Ich wurde gut aufgenommen und arbeite sehr nahe bei der Gesellschaft. Zug ist zudem politisch einer der spannendsten Orte weitherum. Die Entwicklungen, die hier passieren, sind gewaltig. Und als CVP-Mitglied kann ich bei manchen Entscheidungen das Zünglein an der Waage sein.

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