Slogans der Kantonsratskandidaten im Härtetest

«Freie Liebe statt Steuerdiebe»

Freie Liebe war schon in den 68er-Jahren ein grosses Thema. Allerdings weniger in der Politik. (Bild: pd)

Sie haben Stunden darüber gebrütet, mit welchem Wahlslogan sie auf ihren Flyern auf Stimmenfang gehen sollen. Mit unterschiedlichem Erfolg. zentral+ hat das schwierige Unterfangen der 189 Kantonsratskandidaten des Wahlkreises Luzern-Stadt unter die Lupe genommen. Und dabei gelacht, gegähnt, gestaunt.

Pfiffig muss er sein, kurz und prägnant, überraschend und schlau: Der Wahlslogan von Politikern. Dass das kein einfaches Unterfangen ist, zeigt sich in den Prospekten der Parteien, die zu den Kantonsratswahlen vom 29. März antreten.

In diesen Tagen haben etwa die städtischen Stimmbürger ein dickes Couvert aller am Wahlkampf beteiligten Parteien für den Wahlkreis Luzern-Stadt erhalten. 189 Luzerner, davon ein Drittel Frauen, preisen sich in kurzen Statements als beste Kandidaten an. Plätze in diesem Wahlkreis hat’s allerdings nur für 25 Politiker. Heisst: Nur wer sich grossartig verkauft, hat eine Chance. zentral+ hat die Wahlunterlagen augenzwinkernd analysiert und bezüglich Wahlslogans wahre Trouvaillen entdeckt.

 

—- Die Schrillsten —

«Remmi Demmi statt Law & Order.»

Thomas Moser (25) von den Juso hat definitiv ein Gespür für einprägsame Sauglattismus-Parolen. Jetzt muss er den Leuten nur noch erklären, was er damit meint.

 

«Freie Liebe statt Steuerdiebe.»

Nik Rigert (24) von den Juso bringt sein Anliegen gleich in Versform auf den Punkt. Respekt! Was genau er damit meint, bleibt freilich offen – ist vielleicht auch besser so.

 

«Gutmensch? Ja, gerne!»

Ruth Bollinger (63) von den Grünen sagt also: Ich bin ein Gutmensch, und das ist gut so. Das ist wahlsloganmässig vielleicht nur mässig überzeugend, aber immerhin ein bisschen originell.

 

«Mehr Freiheit – weniger Salat.»

Aron Hürlimann (25) von den Juso hat bei diesem interessanten Wahlslogan die Aufmerksamkeit auf sicher. Genau wie die Verwirrung, die Ratlosigkeit und die Fassungslosigkeit.

 

— Die Kryptischsten —

«Diskutieren wir mehr über das Internet – damit nicht private Firmen wie Google und Facebook bestimmen, was gut für uns ist.»

Rahel Estermann (27) von den Grünen nimmt ein sehr aktuelles Thema auf. So aktuell, dass wohl viele Bürger noch gar nicht verstehen, um was es geht.

 

«Öko-System Schweiz vs. Rest der Welt?!»

Nadine Hasler (23) von den Juso weiss zweifellos, was damit gemeint ist. Alle anderen jedoch kaum. Vielleicht ist’s auch nicht sooo wichtig.

 

— Die Schläfrigsten —

«Für einen lebenswerten Kanton Luzern.»

Mit diesem Slogan findet Jona Studhalter (19) von den Jungen Grünen zweifellos keine Widersprecher. Allerdings ist die Aussage vielleicht doch etwas sehr banal. Wir machen den Test: Alle, die gegen einen lebenswerten Kanton sind, bitte die Hand heben!

 

«Für unser Schweizer Kulturgut.»

Patrick Bucher (25) von der SVP hat definitiv einen Wahlslogan, der nur unschwer misszuverstehen ist. Allerdings kann man ihn auch nur unschwer nicht für etwas langweilig halten.

 

«Bildung, Verkehr und unser Gewerbe liegen mir sehr am Herzen.»

Lisa Zanolla (45) von der SVP öffnet uns ihr Herz. Wir sind gerührt und wischen uns eine Träne aus dem (rechten) Auge.

 

«Menschenwürde und ökologische Verantwortung als Grundlage wirtschaftlicher Zwecke.»

Julia Skof (22) von den Jungen Grünen setzt sich mit dieser doch etwas verkrampften Parole zumindest nicht dem Verdacht aus, mit populistischen Versprechen Wahlkampf zu betreiben. Ob man mit sowas auch einen Wahlkampf gewinnen kann? Wir lassen uns überraschen.

 

 

— Die Blabla-Meter-Könige —

«Grosse Veränderungen brauchen mutige Ideen und innovatives Denken.»

Wird Luis Alves Pinheiro (31) von den Jungen Grünen nun auch selbst noch ein Quenttchen mutiger und innovativer, fällt ihm ganz bestimmt noch ein etwas weniger geschwurbelter Wahlslogan ein.

 

«Der Weg zu attraktivem Lebensraum führt über vernetztes Denken und verantwortungsvolles Handeln.»

Mark Imhof (46) von den GLP hat mit diesem Slogan möglicherweise absolut Recht. Führt der Weg in den Kantonsrat aber nur an einfachen,  simplen Wahlslogans vorbei, könnte es für Imhof schwer werden.

 

«Für einen nachhaltigen Umgang mit der Umwelt und den natürlichen Ressourcen.»

Michael Fuchs (19) von den Jungen Grünen erhebt mit dieser durchaus einleuchtenden Plattitüde rigoros Anspruch auf den ersten Platz im Blabla-Meter-Streit. Wir gratulieren jetzt schon.

 

«Gemeinsam für eine nachhaltige Gesellschafts- und Wirtschaftsentwicklung.»

Markus Walti (32) von der GLP spricht aus, was viele denken. Falsch ist das zweifellos nicht, aber der Spruch regt eher zum Gähnen als zum Applaudieren an.

 

«Ausgewogene Lösungen entstehen in der Mitte.»

Andreas Felder (34) von der CVP hat mit diesem ausgewogenen Wahlspruch natürlich absolut Recht. Und Anrecht auf einen Podestplatz im Blabla-Meter-Wettbewerb hat er auch.

 

«Mir ist eine sozial und ökologisch nachhaltige Finanzierung der Aufgaben und Leistungen in diesem Kanton sehr wichtig.»

Heidi Rebsamen (53) von den Grünen spricht damit ganz sicher vielen aus dem Herzen. Auch wenn ganz viele beim überstrapazierten Wort «nachhaltig» auf der Stelle in einen Tiefschlaf fallen werden.

 

— Die Simpelsten —

«Für eine starke Stimme der Stadt im Kantonsrat.»

Sonja Döbeli Stirnemann (46, FDP-Fraktionschefin) bringts auf den Punkt. Zwar fantasie- und schnörkellos, dafür kapierts jeder.

 

«Für einen tourismusfreundlichen und erreichbaren Kanton Luzern mit ausgeglichenem Haushalt.»

Patrick Hauser (52) von der FDP ist kein Freund von ausuferenden Wortspielen. Furztrocken bringt es der Schweizerhof-Hotelier auf den Punkt.

 

«Bezahlbarer Alterswohnraum, starker Tourismus- und Wirtschaftsstandort, sichere Fuss- und Radwege.»

Hans Wespi (Ü60) von den GLP weiss haargenau, was ihm wichtig ist. Das freut die Alten, den Tourismus, die Velofahrer und Fussgänger.

 

«Mehr Polizeipatrouillen und dafür Abschaffung der SIP!»

Adrian Achermann (35) von der SVP ist kein Mann der leisen Worte. Er weiss, wie man Luzern sicherer macht und teilt das allen mit. Ein Dankeschön von uns an dieser Stelle.

 

«Sorgfältige Gesundheitsversorgung – in Spital und Heimen.»

Adnan Kostic (42) von den Secondos Plus beschränkt sich auf genau ein Thema. Sicherlich nicht die schlechteste Idee.

 

— Die Poetischsten —

«Freier mit Zeier.»

Maurus Zeier (24) von der FDP verwurstelt seinen Namen in einen Wahlslogan. Freier mit Zeier? Warum nicht. Besser sicher als «Voll im Schuss mit Maurus.»


«Biesser – mit Biss für ein besseres Luzern.»

Auch Reto Biesser (40) von der FDP macht das beste aus seinem Namen. Das ist zwar nur mässig originell, aber schlecht ist es sicher auch nicht, zumal Biessers strahlend weisse Beisser auf seinem Portraitfoto den Slogan noch unterstützen.

 

«Lösung in Sicht: Mit Biss und Füür – für Andrea Gmür.»

Andrea Gmür (51), Parteipräsidentin der städtischen CVP, lächelt so charmant vom Parteiflyer, dass man sogar diesen Spruch lustig findet. Oder zumindest etwas weniger schlecht.

 

«Ohni Bass – macht Politik kei Spass.»

Gaudenz Ineichen (48) von der CVP hat sich auf dem Parteiflyer einen runden Riesenbass umgehängt. Da passt der Bass natürlich zum Spass. Ob er auch zur Politik passt, entscheiden die Spassbür… Entschuldigung, die Stimmbürger.


«Solide Gesellschaft braucht Perspektiven. Med de Zellweger-Heggli hesch de Füfer ond s’Weggli.»

Verena Zellweger-Heggli (49) von der CVP kann bestimmt noch besser politisieren als reimen. Hoffen wir wenigstens.

 

BDP («Orientieren Sie sich neu!»), Jungfreisinnige («Mehr Freiheit, weniger Staat») und SP («Für Alle statt für Wenige») haben sich in ihren Wahlunterlagen nicht zu Einzelslogans hinreissen lassen. Ein Blick in die entsprechenden Unterlagen verheisst aber nicht weniger gepflegte Unterhaltung als bei den anderen Parteien.

Wie auch immer: zentral+ findets toll, dass sich so viele Luzerner und Luzernerinnen für Politik interessieren und etwas bewegen wollen. Wir drücken deshalb allen, wirklich allen, auch jenen mit den grauenhaftesten Slogans, ganz fest die Daumen!

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1 Kommentar
  • Profilfoto von rahel.estermann
    rahel.estermann, 02.03.2015, 22:25 Uhr

    Ich betrachte es mal als Kompliment, dass ich hier eher in die Kategorie «Avantgarde» geschubst werde. 🙂 Wer weiss, vielleicht unterschätzt ihr ja die Bevölkerung? Und wenn nicht, so fühlt sich ja nun vielleicht die eine oder der andere ermuntert, sich Gedanken zu machen…

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