Städtische Gesamtplanung 2014-2018

Die partizipative Mogelpackung der Luzerner Politik

Der Partizipative Prozess: Viel Aufwand - kein Ertrag? (Bild: Archiv zentral+)

Zurück auf Start: Die Geschäftsprüfungskommission GPK des Luzerner Parlaments weist die Gesamtplanung 2014-2018 zurück. Dieses Nichteintreten auf den Gesamtplanungsbericht ist nicht nur eine Ohrfeige an den Stadtrat. Es ist auch eine Ohrfeige an jenen Teil der Bevölkerung, der erstmals an einem partizipativen Prozess zur Erstellung des Berichts teilgenommen hat. Es drängt sich die Frage auf: Wird der Wunsch der Bevölkerung nach Partizipation von der Politik ignoriert? Darauf deuten auch andere Beispiele.

Die GPK kritisiert am Gesamtplanungsbericht drei Punkte: Erstens bezeichnet sie das Zielbild des Stadtrates als schwammig – die verfassten Leitziele (2000-Watt-Gesellschaft, Wohnqualität, Wirtschaftsentwicklung, Verkehr) hat auch zentral+ kritisch hinterfragt, da in der Planung zu wenig darüber zu erfahren ist, wie diese Ziele erreicht werden sollen. Zweitens erklärt die Präsidentin der GPK, Luzia Vetterli (SP), «dass der GPK der Bereich Wirtschaft viel zu wenig stark gewichtet ist.» Und schlussendlich sei die Vorgängerversion des Gesamtplanungsberichts systematischer und klarer verfasst.

Botschaft der Bürger bleibt ungehört

Weiter bemängelt die GPK am Gesamtplanungsbericht, dass Themen wie Wohnraum und Verkehr zu stark gewichtet werden. Eine Gewichtung, die durch den Einbezug der Bevölkerung im partizipativen Prozess klar gewünscht wurde. Mehrmals haben die Stimmberechtigten der Stadt Luzern diese Bedürfnisse an der Urne bestätigt: Die Initiative «Für bezahlbaren Wohnraum» wurde von der Stadtbevölkerung mit 58,2 Prozent angenommen und der Initiative «Ja zu einer lebendigen Industriestrasse» gelang mit 62,2 Prozent Ja-Stimmen ein kaum zu erwartendes Resultat. Beide Male stimmten die Luzerner gegen den Willen des Stadtrates und des Parlaments.

Das auch der Bereich Verkehr für die Bevölkerung einen wichtigen Stellenwert hat, lässt sich einerseits am letzten Abstimmungsergebnis zur Initiative «Für eine attraktive Bahnhofstrasse» ablesen, welche mit 55,8 Prozent angenommen wurde. Das Projekt «Metro Luzern» zeigt, dass private Projekte die Lücken füllen, wenn politische Lösungsansätze beispielsweise zur Verkehrsberuhigung fehlen.

Alles nur ein Wunschkonzert?

Claudio Soldati, SP-Präsident der Stadt Luzern findet es stossend und unverständlich, dass die bürgerliche Mehrheit die Trendwende nicht akzeptieren will. «Es war ein sehr langer und aufwändiger Prozess, bei dem sehr klar priorisiert wurde, wo der Bevölkerung der Schuh drückt.» GPK-Präsidentin Luzia Vetterli rang an der Medienorientierung auf Nachfrage von zentral+, ob der GPK die Wirtschaftsfragen wichtiger seien als die Bedürfnisse der Bevölkerung, nach Worten: «Ich kann nicht für die GPK sprechen, aber es scheint so zu sein.»

SVP-Grosstadtrat und GPK-Mitglied Joseph Schärli respektiert, dass der Prozess eine aufwändige Arbeit war und «dass viele Bürger mitgewirkt haben.» Schlussendlich sei aus dem Gesamtplanungsbericht aber «ein Wunschkonzert geworden, welches mit den Finanzen der Stadt nicht vereinbar ist.» Ein Wunschkonzert, welches jedoch von einem interessierten Teil der Luzerner Bevölkerung gespielt wurde.

Die partizipative Mogelpackung

Im Frühling 2013 lud der Stadtrat im Verkehrshaus Luzern zu einem öffentlichen Forum und liess Interessierte, Verbände und Quartiervereine über die Zukunftsvision Luzerns mitdiskutieren. Dieser Bericht geht nun zurück an den Stadtrat und es wird mit der alten Gesamtplanung 2013-2017 weitergearbeitet. Der neue Bericht wird für ein Vernehmlassungsverfahren durch die Fraktionen gereicht. Stadtpräsident Roth gesteht, «dass sich die GPK frühestens im Sommer mit einer neuen Gesamtplanung befassen kann.»

Das Prinzip der Partizipation scheint durch die Politik selbst in Frage gestellt. Auch die IG Industriestrasse beschwert sich darüber, dass ein Konsens in der Umsetzung der gewonnen Initiative wohl nur sehr schwierig zu erreichen sei. Philipp Ambühl, der Pressesprecher der IG Industriestrasse, findet deutliche Worte: «Es wurden in einer ersten Runde Lösungen gefunden, beim zweiten Treffen waren diese aber vom Tisch und Probleme wurden nicht ausdiskutiert.»

Für ihn ist der Teilnahmeprozess, der die Initiative begleitet, «kein partizipativer, sondern ein konsultativer. Man kann zwar seine Meinung einbringen, aber selbst nach hunderten von Arbeitsstunden haben wir keine konkreten Zusagen. Einzig die zwei juristischen Kerne der Initiative sind geklärt: Das Areal muss im Baurecht an eine gemeinnützige Baugenossenschaft abgegeben werden.»

Nach der Partizipation ist vor der Partizipation

Es stellt sich die Frage, wie es in Zukunft mit dem partizipativen Modell weitergeht. Die here Absicht, alle Beteiligten mit einzubeziehen, scheint im Widerspruch zu den Parteistrategien zu stehen und oft sind auch die Möglichkeiten begrenzt, alle Begehrlichkeiten umsetzen zu können. Nun wird diese Beziehung mit der Ablehnung des Gesamtplanungsberichts zusätzlich belastet. Für die am Diskurs beteiligten Personen stellt sich die Frage, ob sich die investierte Freizeit überhaupt lohnt, sollten sich die partizipativen Prozesse tatsächlich zu rein konsultativen entwickeln. Stadtpräsident Roth bezeichnet die Prozesse als wertvoll für den Stadtrat und erkärt, dass «sie situativ weiter ihre Berechtigung haben.»

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