Regierungsräte im Interview 7: Urs Hürlimann

«Ich nenne das die 24-Stunden-Ramba-Zamba-Gesellschaft»

Urs Hürlimann kam 2012 als Nachfolger für Joachim Eder in den Regierungsrat. Als «Halber» sah sich der FDP-Politiker deshalb aber nie. (Bild: mag)

Der Gesundheitsdirektor Urs Hürlimann steht vor seiner ersten Wiederwahl. Als Letzter in der zentral+ Interview-Serie erzählt der FDP-Politiker, warum er kein Leithammel ist, kritisiert gesellschaftliche Auswüchse und gibt zu, dass im Bereich psychische Krankheiten nicht alles rund lief.

zentral+: Sie waren einmal Polizeikommandant in Zug und machten Militärkarriere. Wollen Sie nicht in die Sicherheitsdirektion wechseln?

Urs Hürlimann: Es kann natürlich immer Konstellationen geben, in welchen ein Wechsel notwendig ist. Aber ich mache mir diesbezüglich keine Gedanken. Wenn man sich in ein komplexes Gebiet wie die Gesundheitspolitik einarbeitet, wäre es etwas unverantwortlich, nach zwei Jahren zu wechseln. Zudem habe ich einige Projekte aufgegleist, die ich gerne realisieren möchte.

zentral+: Wie war es, vor zwei Jahren die Nachfolge von Joachim Eder als «Reingerutschter» anzutreten? 

Hürlimann: Ich wurde sehr gut aufgenommen, ich war ja kein Unbekannter wegen meiner vorherigen Tätigkeit. Ich kann auf gute Mitarbeiter zählen und die Arbeit so anpacken, wie ich mir das vorgestellt habe. Ich habe mit dem «Leuchtturm 2020» eine zukunftsweisende Gesundheitsstrategie definiert.

zentral+: Sie sind der älteste Regierungsrat. Sind Sie der Leithammel? 

Hürlimann: Das Alter spielt in der Hierarchie keine Rolle. Leithammel in einem Kollegium zu sein, ist gefährlich. Einer muss zwar der Chef sein, das ist der Landammann. Ansonsten braucht es eine gute Streitkultur und ein gemeinsames Ziel als Kollegium. 

zentral+: Wie gesund sind die Zuger?

Hürlimann: Die Zuger Bevölkerung fühlt sich sehr gesund. In allen Befragungen sind die Zuger über dem Schnitt der Schweiz. Das erkläre ich mir damit, dass wir eine junge Bevölkerung und sehr gute Rahmenbedingungen haben. Die Arbeitsmarktlage ist gut, es gibt tolle Erholungsmöglichkeiten, eine gute Infrastruktur für Sport und Kultur. Man fühlt sich hier wohl und das wirkt sich unmittelbar auf die Gesundheit aus.

zentral+: Wie sieht es bei Ihnen bezüglich Rauchen, Bewegung und gesunder Ernährung aus?

Wer ist Urs Hürlimann?

Der 58-jährige Gesundheitsdirektor wohnt in Hünenberg und war vor seiner Polizei- und Militärkarriere als Primarlehrer in Goldau (SZ) tätig. 1983 wurde der heutige FDP-Politiker Stabschef der Kantonspolizei Zug und acht Jahre später Kommandant. Hürlimann leitete beim Attentat auf das Zuger Parlamentsgebäude im Jahr 2001 den Krisenstab.

Von 2004 bis zu seiner Wahl als Regierungsrat vor zwei Jahren war der Berufsoffizier als Kommandant für Militärische Sicherheit im Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) tätig. Urs Hürlimann ist verheiratet und hat drei Kinder. Seine Frau, Regula Hürlimann, ist Gemeindepräsidentin von Hünenberg.

Hürlimann: Jeder hat seine Macken. Meine Tochter schrieb mir sofort eine Mail, als sie hörte, dass ich die Gesundheitsdirektion übernehme: So, das war jetzt deine letzte Zigarette. Letztlich aber glaube ich, in der Politik muss man authentisch sein.

zentral+: Es scheint, dass immer mehr Menschen mit psychischen Problemen kämpfen. Trifft dies auch für den Kanton Zug zu?

Hürlimann: Das ist eine der grossen Herausforderungen, die auf uns zukommen. Die modernen psychischen Krankheiten wie Stresssymptome, Burnout, Depression haben enorm zugenommen. Das ist ein Auswuchs unseres gesellschaftlichen Lebens. Ich nenne das immer die 24-Stunden-Ramba-Zamba-Gesellschaft. Das Hirn kann diese Reizflut nicht aufnehmen. Das Erschreckende am Ganzen ist, dass wir auf die Auswirkungen nur reagieren – mit dem Ausbau von Strukturen, zum Beispiel psychiatrischen Kliniken oder ambulanten Apotheken. Aber eigentlich müssen wir uns als Gesellschaft überlegen, ob es zum Beispiel nötig ist, 24 Stunden einkaufen zu können? 

«Leithammel in einem Kollegium zu sein, ist gefährlich.»

Urs Hürlimann, Gesundheitsdirektor Kanton Zug

zentral+: Was sagen Sie denn als liberaler FDP-Politiker dazu?

Hürlimann: Ich sage, wir müssen die Bevölkerung aufklären und zeigen, wie man mit dieser Entwicklung umgehen kann. Und dann an die Eigenverantwortung eines jeden Menschen appellieren. Ich glaube, das ist eines der grossen Credos der Politik. Wir müssen die Bevölkerung informieren und Probleme aufzeigen, aber schlussendlich sind alle selbst für ihr Leben verantwortlich.

zentral+: Der Kanton Zug hat ein Sparpaket angekündigt. Wie ist die Gesundheitsdirektion betroffen?

Hürlimann: Das kann ich heute noch nicht sagen. Es wird ein spannender Prozess werden. Die Regierung muss in den nächsten Monaten definieren, welches die prioritären Staatsaufgaben sind. Für mich sind das die Sicherheit, Bildung und die Gesundheit.

zentral+: Heisst das, alle wollen verhindern, dass in der eigenen Direktion gespart wird?

Hürlimann: Das wird sich zeigen. Wir hatten in dieser Zuger Regierung nun jahrelang Schönwetterpolitik, wir hatten gute Rahmenbedingungen. Es ist natürlich einfacher, etwas zu realisieren, als abzubremsen oder etwas abzubauen. Es wird für diese Regierung eine Herausforderung sein, miteinander Lösungen zu finden.

zentral+: Wo könnte Ihre Direktion denn sparen?

Hürlimann: Ich will mich hier nicht auf die Äste herauslassen. Ich sage nur, wir wollen für die Bevölkerung eine optimale Notfall- und Grundversorgung sicherstellen. Nun versteht die Zuger Bevölkerung darunter, dass in 15 Minuten an jedem Ort des Kantons ein Rettungswagen steht. Das bedeutet Personal und Mittel. Im Schächental zum Beispiel weiss man, dass frühestens innert 45 Minuten ein Rettungswagen kommt. Hier müssen wir der Bevölkerung den Spiegel vorhalten und aufzeigen, dass wir gewisse Leistungen anpassen müssen. Aber ich betone, wir schnallen den Gürtel auf hohem Niveau enger. 

zentral+: Welches Geschäft ist Ihnen in den letzten zwei Jahren gelungen, welches ging schief? 

Hürlimann: Freude bereitet mir, wie schnell wir die Notfallorganisation in Zug verbessern konnten. Einerseits mit dem Rettungsdienst, der Notfallpraxis am Kantonsspital in Baar und drittens mit der Schnittstellenoptimierung bei Anrufen auf die Nummer 144. Damit bieten wir der Bevölkerung eine hervorragende Notfallversorgung. 

Im Bereich der psychischen Gesundheit wäre ich lieber etwas schneller vorwärts gekommen. Wir wissen, dass wir im Bereich Kinder- und Jugendpsychiatrie knapp an Plätzen sind. Und wir wissen, dass uns vor allem ein Tagesambulatorium für psychisch kranke Menschen im stationären Bereich entlasten würde.

«Es wird für diese Regierung eine Herausforderung sein, miteinander Lösungen zu finden.»

Urs Hürlimann, Gesundheitsdirektor Kanton Zug

zentral+: Beim Notruf arbeitet Zug ab 2015 neu mit Zürich zusammen, weil es Kritik gab an Luzern. Aber hätte man die Probleme mit Luzern nicht lösen können?

Hürlimann: Der Auslöser war, dass Meldungen aus der Bevölkerung kamen, die auf Probleme beim Notruf 144 hindeuteten. Eine von uns eingesetzte Arbeitsgruppe hat das abgeklärt und einen Bericht erstellt. Danach hat die Sanitätsnotrufzentrale Luzern einige Verbesserungen gemacht.

Unabhängig von diesen Beschwerden signalisierte ich Luzern, dass ich auch mit Zürich in Kontakt stehe. Wir haben schon lange engen Kontakt mit Zürich im Bereich der Katastrophenvorsorge. Dann erhielten wir ein Angebot von Schutz & Rettung Zürich für die nächsten fünf Jahre, und zwar für die Katastrophenvorsorge, für die Disposition der Notrufnummer 144 und die Unterstützung der Rettungsdienste. Das Angebot war in Bezug auf Preis und Leistung so attraktiv, dass es nicht im Interesse unserer Bevölkerung gewesen wäre, es abzulehnen.

zentral+: Die Luzerner waren aber sicher nicht erfreut?

Hürlimann: Ich habe mit dem Luzerner Gesundheitsdirektor Guido Graf schon frühzeitig Kontakt aufgenommen und ihm die Schnittstelle von Zug zwischen der Zentralschweiz und Zürich aufgezeigt. Das wurde von ihm verstanden und der Entscheid in der Regierung war transparent und hat darum auch keine grossen Wellen geschlagen. 

zentral+: Auf einem Wahlplakat posieren Sie mit einem Mountainbike. Finden Sie dort den Ausgleich zum Alltag?

Hürlimann: Das ist so, das ist nicht einfach eine Pose. Ich brauche Bewegung, ich jogge, schwimme und fahre Velo. Und ich mache das am liebsten alleine. In der Woche absolviere ich in der Regel drei Trainingseinheiten.

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