50 Fragen an David Roth

«Dougan und Vasella sind Produkte ihres Umfeldes»

David Roth, damals noch Juso-Präsident, heute Präsident der SP Kanton Luzern. (Bild: dog/Archiv)

Als Kind wollte er von Beruf Pensionierter werden, reich wäre er nicht gerne und Christoph Blocher würde er im Jassen besiegen: David Roth, Präsident der Juso Schweiz, ist ein Querdenker. zentral+ hat dem Luzerner auf den Zahn gefühlt und ihn mit 50 Fragen gelöchert. 

Sozi-Romantik im Restaurant Neustädtli in Luzern: bescheidenes Ambiente, an den Tischen wird lautstark gequasselt und die Wände erinnern an die Zeit, als in Lokalen noch geraucht wurde. Hier fühlt sich David Roth wohl.

Der Juso-Schweiz-Präsident und Vizepräsident der SP Schweiz weibelt derzeit für die 1:12-Initiative der Juso. Dafür kreuzt er auch schon mal mit FDP-Präsident Philipp Müller und Gewerbeverbandspräsident Jean-François Rime die Klingen in der «Arena». Höchste Zeit also für ein Interview der etwas anderen Art mit dem bald 28-Jährigen. Mit unseren nicht ganz alltäglichen 50 Fragen soll der Mensch und Politiker David Roth mal von einer anderen Seite gezeigt werden.

Entspannt hat sich David Roth für das Interview in seinem Stuhl im «Neustädtli» zurückgelehnt und rührt mit dem Löffel im Kaffee herum. «Von mir aus kanns losgehen», sagt der Luzerner. Gerne.

1. Bier oder Wein?

Bier.

2. Facebook oder Twitter?

Facebook.

3. Was kosten ihre Schuhe?

David Roth zieht ein Bein unter dem Tisch hervor und begutachtet seine Lederschuhe, die durchaus auch gut an Bankerfüssen aussehen würden.
110 Franken.

4. Velo oder Auto?

Velo. Ich kann nicht Auto fahren.

5. David Roth, der zukünftige Bundesrat?

Kaum.

6. Tragen Sie die markante Brille, um intelligenter auszusehen?

Nein, die Brille trage ich, damit ich die Leute über die Strasse erkenne. Sonst weiss ich nie, ob sie mir winken oder der Person hinter mir.

7. Che Guevara oder Mao Zedong?

Langer Seufzer.
Che.

8. Was können Sie besser als Cédric Wermuth?

Die Augen leuchten.
In den Ausgang gehen.

9. Luzern oder Bern?

Luzern.

10. Welche Person von der SVP nervt Sie am meisten?

Da ist die Auswahl mannigfaltig. Ich entscheide mich für Ulrich Schlüer.

11. Wie nennt Sie Ihre Mutter?

David.

12. Sind Schweizer biedere Bünzli?

Nein, generell nicht. Aber es gibt dennoch viele davon in der Schweiz.

13. Ihr schlechtestes Fach in der Schule?

Es hat variiert. Aber durchs Band hindurch war das Englisch.

14. Reden oder Schweigen?

Reden.

15. Sagen Sie mal etwas Sozialdemokratisches!

Für alle statt für wenige.

16. Ist Brady Dougan ein schlechter Mensch?

David Roth richtet sich auf, beugt sich vor, der Kaffeelöffel dreht sich in seinen Händen. Das Dauergrinsen ist weg.
Nein. Es gibt wenig schlechte Menschen. Dougan oder auch Vasella sind nicht partout schlecht, sie sind Produkte ihres Umfeldes, eines Systems, das nur auf Profit und Egoismus fokussiert ist.

17. Verdienen Sie genug?

Ja, ich bin mit meinen knapp 4000 Franken zufrieden.

18. Schnee oder Sand?

Sand.

18. Was haben Sie mit Erich Hess (JSVP-Präsident) gemeinsam?

Wir sind beide Präsidenten einer Jungpartei. Dort hören aber die Gemeinsamkeiten schon auf.

19. Wären Sie gerne reich?

Nein. Das fände ich ein erbärmliches Lebensziel.
Sagt er mit durchaus glaubhafter Überzeugung.

20. Wollen Sie den Kapitalismus abschaffen?

Ja. Der Mensch muss wieder im Zentrum stehen, nicht der Profit.

21. Bemitleiden Sie die Reichen?

Nein, das kann ich pauschal nicht sagen. Ich sehe reiche Leute nicht als homogene Masse, eher als ein Phänomen. Es hat bewunderns- und bemitleidenswerte Menschen darunter, aber auch überproportional viele Leute, deren Handeln man bekämpfen muss.

22. Haben wir zu wenig Staat in der Schweiz?

Nein, aber an den falschen Stellen. Staat, das heisst auch immer Regeln, die das Volk gesetzt hat. Wir müssen wieder den Mut haben festzulegen, wie die Wirtschaft funktionieren soll, damit sie allen Menschen zu Gute kommt.

23. Wenn Sie auswandern müssten, wohin würden Sie gehen?

Entweder in ein Land, wo ich zuvor noch nie war, oder nach Kanada.

24. Wenn Sie einer historischen Figur mal so ordentlich die Meinung geigen könnten, wer wäre das?

Blick hoch zur Decke, schmunzeln, der Löffel dreht sich.
Da gäbe es einige. Ich entscheide mich für Milton Friedman, der neoliberale Vordenker der Diktatur des Finanzmarktes.

25. Was ist ein Sozi?

Ein Sozi ist schlicht ein solidarischer Mensch. Damit versuchen die Bürgerlichen die Linken zu verunglimpfen, wie auch mit dem Ausdruck Gutmenschen. Ich finde nichts Negatives an diesen Begriffen und habe kein Problem damit, wenn man mich als Sozi bezeichnet.

26. Ihre männlichste Seite?

Roth schaut an sich herunter. Er will antworten. Stockt und scheint die Antwort, die ihm als erstes in den Sinn gekommen ist, neu zu überdenken.
Die Pfadi.

27. Sind Sie glücklich darüber in der jetzigen Zeit zu leben, oder hätten Sie lieber zu einer anderen Zeit gelebt?

Ich hätte gerne möglichst viele verschiedene Zeiten erlebt.

28. Ihr Vorbild?

Ich habe mir irgendwann einmal ein Vorbild gesucht, da ich immer danach gefragt werde. Deshalb kann ich nun sagen, das ist Salvador Allende (Chilenischer Präsident von 1970-1973).

29. Haben Sie ein Bankkonto?

Ja, bei der Luzerner Kantonalbank. Falls der Kantonsrat den Vorstoss zur Begrenzung von CEO-Löhnen auf 1:12 ablehnt, werde ich zur Alternativen Bank wechseln.

30. Ihr Lieblingshistoriker?

Eric Hobsbawm. Kein Historiker beschreibt die Vergangenheit und Gegenwart in einer derart klaren Sprache und wagt sich dann aus seinen Analysen Forderungen abzuleiten.

31. England hat die Queen, Deutschland hat «Kaiser Franz». Wer ist der eigentliche König der Schweiz?

Nun raschelt das Papier der Schokolade, die es zum Kaffee gab, durch Roths Finger. Der Löffel liegt auf der Untertasse.
Es gibt sicherlich einige Möchtegern-Könige, die versuchen die Schweiz über das Geld zu regieren. Aber einen wirklichen König oder eine Königin gibt es, glücklicherweise, nicht. Und wenn, dann hätten sich die Schweizer die Gelegenheit nicht nehmen lassen, ihn oder sie zu köpfen.

32. Wann haben Sie zum letzten Mal gekifft?

Vor ein paar Wochen.

33. Was ist Luxus?

Zeit.

34. Ihr Lieblings-TV-Sender?

Ich habe keinen Fernseher.

35. Schlimmster Spitzname in der Kindheit?

Dave, weil er langweilig ist. Andere Spitznamen haben mir besser gefallen: Rüschu beispielsweise. Im Französischunterricht wurde aus Roth «rouge» und daraus Rüschu. 

36. Besitzen Sie eine Krawatte?

Ja, tatsächlich. Ich moderiere ab und zu Anlässe zu halbernsten Themen, und eine halbwegs ernsthafte Krawatte verleiht dem Ganzen eine gewisse Würze.

37. Wann zuletzt gelogen?

Gelogen?
Die Frage überrascht ihn.
Ach, man lügt ja noch und nöcher. Kleinere Lügen, Dinge zu vereinfachen oder zu verschweigen sind gute Hilfsmittel, um den Alltag zu bestreiten – für alle Menschen. Und da will ich mich auch nicht davon ausnehmen. Zwischen lügen und Leute in die Irre führen besteht ein grosser Unterschied. Letzteres ist sehr verwerflich.

38. Wenn Sie ein Tier wären, welches wäre das?

Ein Stadtfuchs. Hauptsache ich kann in der Stadt sein.

39. Wie dankbar sind sie Thomas Minder?

Ich finde es schade, dass er den Begriff «Abzocker» mit sehr wenig Inhalt gefüllt hat. Aber ich bin ihm sehr dankbar, dass er mit dem Dogma gebrochen hat, dass der Staat nichts in der Wirtschaft zu sagen hat.

40. Wollen Sie mit der 1:12-Initiative höhere Mindestlöhne oder tiefere Höchstlöhne?

Wir wollen, dass mehr Leute mehr bekommen. Uns geht es darum den Wohlstand gerechter zu verteilen. Davon profitieren nicht nur die tiefsten Löhne, sondern 99 Prozent der Bevölkerung.

41. Was wollten Sie als Kind von Beruf werden?

Zuerst Polizist. Dann Pensionierter, und irgendwann war auch Schokoladenproduzent ganz zuoberst auf meiner Berufswunschliste.

42. Was ist ein Abzocker?

Ein Abzocker ist das Produkt seiner Zeit.

43. Betrifft die 1:12-Initiative auch Sportvereine bzw. Sportler?

Selbstverständlich. Nur gibt es in der Schweiz geschätzte drei Sportler, die mehr als 600’000 Franken verdienen. Als Verein wäre vermutlich nur der FC Basel von der Initiative betroffen. Bei Sportlern gibt es zudem den Unterschied, dass sie mit ihrem Talent Begeisterung auslösen können, während die wahre Abzockerei reine Machtkartelle sind. 

44. Also ist ein Vermögen wie beispielsweise das von Roger Federer legitim?

Nun, legitim finde ich es nicht. Aber er hat sein Vermögen nicht auf Kosten von anderen angehäuft, das ist ein wichtiger Unterschied. Dennoch ist ein solch konzentriertes Vermögen wie bei Federer volkswirtschaftlich gesehen nicht sinnvoll. Es wäre sicher besser investiert, wenn es zwischen mehreren Leuten verteilt wäre.

45. Wann zuletzt ein Haus besetzt?

Jetzt kommen also die heiklen Fragen. Vor fünf Jahren etwa, bei der ganzen Freiraum-Geschichte in Luzern, habe ich die eine oder andere Veranstaltung in besetzten Häusern besucht.

46. Kennen Sie alle Ihrer 3’375 Facebook-Freunde?

Nein, das übersteigt mein Namensgedächtnis dann doch.

47. Merkel oder Steinbrück?

Weder noch.

48. Silvio Berlusconi ist…

…besser geliftet als seine Politik es ist.

49. Was macht David Roth an einem Samstagabend?

Er hat sich mittlerweile wieder zurück in den Stuhl fallen lassen. Roth ist entspannt. Der Kaffee wurde abgeräumt – samt Löffel und Papier.
Zuerst Jassen und dann in den Ausgang.

50. Wer gewinnt im Schach – Blocher oder Sie?

Ich weiss nicht, wie gut Christoph Blocher Schach spielt. Aber eines ist sicher: Im Jassen würde ich ihn schlagen. Und im Schwingen auch.

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6 Kommentare
  • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
    Marie-Françoise Arouet, 11.04.2013, 21:58 Uhr

    Sehe gerade, dass Herr Roth damit droht, sein Konto von der Kantonalbank abzuziehen… Jetzt wird’s aber wirklich brenzlig. Nach all den Anschlägen auf Stil, Grammatik und Sprachlogik. Ja, «die wahre Abzockerei ist reine Machtkartelle.» Das ist’s halt, was so durch vernebelte Hirne schwappt. Das zieht knallhart den letzten Rest Sinn von der Phrase ab.
    Ach so, nein! Ich tue das nur, um diesem belanglosen zentral-plus im Sinne wohlmeinender Starthilfe die Illusion von ein bischen Relevanz und Brisanz zu vermitteln.

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    Daniel Huber, 11.04.2013, 16:32 Uhr

    Anders als die Verfasser der Hasstiraden auf den bekannten Online-Plattformen mit den lauten Kommentaren weine auch ich Maggie Thatcher keine Trände nach. Opfer gibt es ausreichend, die inzwischen auch nicht mehr leben. Da müssten doch sehr viele Tränen vergossen werden. Mir sind authentische und offene Politiker, die manchmal eine etwas gar mutige Wort wagen, jedenfalls lieber als all die Scheinmoralisten mit ihrem opportunistischen Getue. Und wer, wenn nicht die Jugend, sollte auch mal etwas übermütig sein dürfen. peinlich wird es dann, wenn die Helfershelfer der Moralisten 20 Jahre später einzelne Zitate ausbuddeln und eine Story daraus basteln – aber peinlich für beide Seiten.

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    Marie-Françoise Arouet, 11.04.2013, 14:59 Uhr

    «Demnach wäre Gier ja durch den Mainstream gerechtfertigt» Der Mainstream rechtfertigt doch gar nichts; ganz im Gegenteil: Er delegitimiert.

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    Marie-Françoise Arouet, 11.04.2013, 14:56 Uhr

    David Roth ist als doppelter Lehrersohn ein typisches Produkt seines Umfeldes: sozialdemokratisierend, gehoben mittelklassig, besserwisserisch.
    Es wird gemunkelt, dass er sich auch über Maggie Thatchers Tod geäussert habe. Thatcher kam – im Gegensatz zu Roth – aus der Unterschicht. Nun wird Roth nicht in Abrede stellen wollen, dass laut Marx das Sein das Bewusstsein bestimmt. Zu schliessen ist ergo, dass Heerscharen von Thatchers resultieren werden, wenn Roths Träume sich jemals verwirklichen würden. Was kein ernsthafter Mensch hoffen wird. Immerhin gebührt Thatchers Aufstieg Respekt, wie immer man ihre Politik beurteilen mag. Roths Söhnchenkarriere eher nicht.

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  • Profilfoto von David Roth
    David Roth, 09.04.2013, 16:23 Uhr

    Lieber Daniel Huber
    Wenn es individuelle Gier wäre, dann würde es etwas nützen, wenn man Brady Dougen oder Sergio Ermotti mit anderen Leuten ersetzen würde. Das ist aber nicht der Fall.
    Das Wirtschaftssystem ist fordert von den Leuten ja geradezu ein gieriges Verhalten. Deshalb würde ich auch die Gierigsten sie als ein Produkt ihres Umfeldes beschreiben. Die Abockerei hat systemische Gründe und muss auch systemisch bekämpft werden. Aber selbstverständlich kann man sich diesem System auch entziehen.

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  • Profilfoto von Daniel Huber
    Daniel Huber, 09.04.2013, 09:11 Uhr

    Sehr lesenswertes Gespräch. Doch dass ein Abzocker ein Produkt seiner Zeit sein soll, leuchtet mir nicht ein. Demnach wäre Gier ja durch den Mainstream gerechtfertigt. Ich kenne nicht wenige Leute, die auf beschreidenem Niveau leben müsssen oder auch wollen. Diese Wahl hat ein Abzocker ebenso.

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