Luzern: Beardyman-Konzert in der Schüür

Von Mensch und Maschine

Deftig, hart, komplex und komplett live: die Auftritte von Beardyman. 

(Bild: Laura Livers)

Diesen Samstag beehrte mit Beardyman einer der ganz grossen Beatboxer die Schüür. Berühmt geworden durch seine Mischung aus Beatboxing, Comedy und pantomimischen Showeinlagen, hat er sich in den letzten Jahren der Konstruktion des perfekten Live-Setups verschrieben. Gestern stellte er das Ergebnis unter Beweis.

Kurz vor 10 Uhr abends beginnt sich die Schüür zu füllen. Bunt gemischt von jung bis alt stehen sie vor der Bühne und hoffen jedes Mal, wenn die Hintergrundmusik zu Ende ist, dass das Konzert endlich beginnt. Sie alle sind wegen Beardyman angereist, der das erste Mal seit 2014 wieder in der Schweiz spielt. Leicht frenetisch wird er dann auch empfangen und das gefällt ihm. Obwohl beide Mikrofone am Anfang noch nicht mitspielen wollten, lässt sich der Künstler nicht aus der Ruhe bringen und unterhält das Publikum unverstärkt. Als dann endlich alles wie geplant funktioniert, beginnt er ohne grosse Umschweife mit seinem Set.

Ein umtriebiger Beatboxer

Der Londoner Künstler Beardyman, geboren Darren Foreman, startete seine Karriere 2006 mit dem Titel des UK-Beatboxchampions. Nach seinem zweiten Titelgewinn 2007 ging seine Karriere steil aufwärts – es folgten Fernsehauftritte in England und Amerika, bei denen er sein Unterhaltungstalent unter Beweis stellte, die regelmässig ausverkaufte Konzertreihe «1 Album an hour», seine «Kitchen Diaries» auf Youtube wurden millionenfach angeklickt und seine Tours führten ihn von Moskau über Bangalore bis Johannesburg.

Die Nähe zum Publikum hat gewirkt.

Die Nähe zum Publikum hat gewirkt.

(Bild: Laura Livers)

Um seine Musik live und vor allem spontan auf der Bühne aufführen zu können, bediente er sich von Anfang an modernster Technik. Ausgerüstet war er mit einem Arsenal von Korg KP3 KAOSS Pads, welche Loops in verschiedenen Längen synchronisieren und sich selber samplen können, aufgrund der benötigen Rechenleistung dies aber nicht zuverlässig «in time» vollbringen.

Mithilfe des DMG-Entwicklers Dave Gamble entwarf er darum seine persönliche «Echtzeit-Produktionsmaschine» – den Beardytron 5000 MKII.

 

Ein Feuerwerk der Klänge

Der Beardytron 5000 MKII braucht ein Mikrofon, vier iPads, zwei Macbooks, einen Midi-Controller und ein Midi-Keyboard, um mit dem Einfallsreichtum Beardymans mitzuhalten. Unermüdlich füttert er die Maschine mit Geräuschen, Gesangseinlagen und Basslinien, die er zeitgleich durch seine Presets jagt, sie verfremdet, splittet und neu sampelt, dass es unmöglich ist zu hören, wo seine Stimme und wo die Maschine klingt. Es scheint, als ob der Beatboxer Beardyman zum Producer/DJ Beardyman geworden ist, der seine Stimme nicht mehr als Verkaufsschlager bedient, sondern als ganz normalen Zwischenschritt von seiner Idee zum Klang.

Anstelle von riesigen Sound-Libraries und vorgefertigten Beats und Drop-Downs auf dem Computer, wie es üblich ist, hat Beardyman Hunderte von Effekten und Presets, denen er seine Stimme verfüttern und die er dann in Echtzeit verfremden kann.

 

Beardyman mit Beardytron 5000 MKII in der Schüür.

Beardyman mit Beardytron 5000 MKII in der Schüür.

(Bild: Laura Livers)

Die Musik, die dabei entsteht, ist hart und komplex. Deftige Beats, dröhnende Bässe und Patterns, ungerade Rhythmen und stilfremde Klänge. Da er ohne vorgefertigte Samples arbeitet und alles quasi live improvisiert, verhaspelt er sich gerne in seinen eigenen Ideen, führt sie ad absurdum, um dann mit den Worten «That was a bit much, innit?» ohne Unterbrechung wieder von vorne zu beginnen.

Das Publikum hat kaum Zeit, zu atmen, so schnell folgt Idee auf Idee, Break-Down auf Drop-Down, Dubstep auf Ragga auf Hip-Hop auf Deep House auf Grime, Song auf Song ohne Pause. Nicht einmal Applaus findet Platz in diesem Feuerwerk, das Beardyman hinter seinen Bildschirmen veranstaltet. Ab und an lässt er sich dazu verleiten, eine politische Botschaft in seine Songs zu verpacken, meist gegen Donald Trump gerichtet.


«I don’t understand what’s happening in the world. How could they elect this man?»

Hook-Line mitten im Set von Beardyman

 

Oldschool-Party zum Schluss

Nach knapp 80 Minuten bricht die Musik plötzlich ab. «Ok. Byeeee», spricht Beardyman ins Mikrofon und verschwindet von der Bühne. Das Publikum, das bis anhin brav zugehört hat, lässt sich das so aber nicht gefallen. Fanatisch applaudierend wird Beardyman auf die Bühne zurückgeholt, schliesslich wissen alle Anwesenden, dass er noch mehr in petto hat als deftigen Elektro.

Und tatsächlich kommt er kurz darauf auf die Bühne zurück gejoggt und versteckt sich diesmal nicht hinter seinem Beardytron 5000 MKII, sondern stellt sich direkt an den Bühnenrand, zu einem einzelnen Midi-Controller und beginnt mit einem Polka-Cover von «Heigh-Ho». Sofort beginnt die erste Reihe mitzugrölen und mitzutanzen, als hätten sie nur drauf gewartet. 

Leise Töne zu später Stunde.

Leise Töne zu später Stunde.

(Bild: Laura Livers)

Die Spannung, die das Konzert über herrschte, fällt ab und es kommt das erste Mal Partystimmung auf. Als Nächstes folgt ein wunderschönes Cover von «Black is the Colour of my true loves hair», aber die Stimmung ist so entfesselt, dass so ein ruhiges Stück keinen Platz findet. Und da zeigt sich nicht zum ersten Mal, wie wohl sich Beardyman auf der Bühne fühlt. Ohne mit der Wimper zu zucken, sampelt er das Gegröle der ersten Reihe und transformiert es nahtlos in eine Upbeat-Version von «Cry me a River» von Justin Timberlake.

Obwohl die Ideen immer noch in hohem Tempo aus ihm heraussprudeln, haben wir plötzlich Zugang zu diesen Ideen, da wir das Ausgangsmaterial kennen. Auf diese Art hätte dieses Konzert ruhig noch eine Stunde länger dauern dürfen, das Publikum frass ihm aus der Hand, beteiligte sich an den «Call-and-Response»-Einlagen und tanzte ausgelassen. Leider war es bereits kurz vor Mitternacht und so verabschiedete sich Beardyman, scheinbar genauso fit wie zu Beginn des Konzerts, diesmal endgültig von der Bühne.

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