«Als wäre man mitten in den Bergen»

Eine japanische Jodlerin schwärmt für Luzern

Die Jodlerin Sakura Kitagawa in Aktion. (Bild: Screenshot youtube)

Ein Luzerner Klassiker der Volksmusik eigens interpretiert – aber nicht von einem einheimischen Ländler-Trio, sondern von einer Grossstadt-Japanerin. Sakura Kitagawa hat ein Flair für Jodel und für die Schweizer Mentalität.

Das Lied «Vo Lozärn gäge Wäggis zue» lernte die Japanerin Sakura Kitagawa schon in der Grundschule kennen. Bei einer Schulreise in die Schweiz besuchte sie mit ihrer Klasse im Luzerner Stadtkeller ein Jodelkonzert und war hin und weg. «Es hat so viel Spass gemacht, dass ich es nicht mehr vergessen konnte.»

Die Faszination brachte Kitagawa schliesslich dazu, Sängerin zu werden und sich besonders dem Jodeln zu widmen. «Ich mag die kräftigen, heiteren und ungetrübten Klänge des Jodelns, die etwas sehr Lebendiges haben und bis in die Ferne zu hören sind», so Kitagawa.

Luzerner Lehrerin, Luzerner Charme

Um den Stil richtig zu lernen, besuchte sie nicht nur deutsche und österreichische Städte, auch in der Schweiz schulte sie ihre Stimme. In der Zentralschweiz lernte sie bei der Luzerner Jodel-Lehrerin Marie-Theres von Gunten. «Ich bin oft in die Schweiz gereist, habe dort auch die verschiedenen Jahreszeiten erlebt.» So habe sie Land und Leute erst richtig kennengelernt.

«Lieb ist mir an der Jodlermentalität, dass sie so etwas Ermutigendes und Tröstendes hat.»

Luzern habe ihr dabei besonders gut gefallen. «Der prächtige See, die freundlichen Menschen – Luzern hat auch genau die richtige Grösse», sagt Kitagawa, die selbst in der Millionen-Metropole Tokio lebt.

Die Jodlermentalität

Natürlich sind es hauptsächlich die musikalischen Elemente, mit welchen sich die japanische Sängerin hier beschäftigt: die Melodien, die Stimmansätze, das Spiel der Klänge rund um die Akkorde.

Bei Marie-Theres von Gunten übte sie auch die schweizerdeutsche Aussprache und lernte den Aufbau von Jodelliedern kennen. «Und am wichtigsten: die Jodlermentalität», betont Kitagawa. «Ich mag, wie beim gemeinsamen Singen im Chor oder in der Familie die Zuneigung zur Familie, zur Heimat und zu Freunden zum Ausdruck kommt.»

Marie-Theres von Gunten und Sakura Kitagawa. (Bild: zvg)

Tröstend und streng

«Besonders lieb ist mir an der Jodlermentalität, dass sie so etwas Ermutigendes und Tröstendes hat.» So wie ihre Luzerner Lehrerin immer gesagt habe: «Wir müssen auch in schlechten Zeiten nach vorne schauen. Wir haben keine Zeit um zu klagen, es wird alles gut.»

Das sei etwas, was ihr an der Schweizer Mentalität allgemein aufgefallen sei und was sie sehr schätze: «Man ist bei allem streng mit sich selbst und verlangt dies auch von den anderen.» In Japan – besonders in den Grossstädten –  sei es so, dass man wenig Interesse an dem zeige, was die Nachbarn machen. Dafür verlange man aber auch nichts von ihnen.

Sag, was du denkst

Beim Thema Schweizer Mentalität kommt Kitagawa ins Reden. «Bei der Einstellung zur Demokratie sind uns die Schweizer klar voraus.» In Japan neige man dazu, wenig selbstständig zu denken. Man verlasse sich eher auf Vorgesetzte, Ranghöhere oder Ältere. In Japan mache man sich auch tendenziell unbeliebt, wenn man seine Meinung kundtue, so Kitagawa. «Die Schweizer hingegen haben kein Problem damit, zu sagen, was sie denken. In der Schweiz hat man die Freiheit, so zu handeln, wie man möchte, muss jedoch die Verantwortung dafür übernehmen.»

«Durch eure Geschichte als Bergvolk, ohne einen König, das stets auf sich angewiesen war, habt ihr Schweizer diese wundervolle Volksmentalität entwickelt.» Sie habe die Schweizer als sehr fleissig, gewissenhaft, aber auch kreativ erlebt.

Sakura Kitagawa

2011 und in den beiden Folgejahren war sie zum Oktoberfest nach Deutschland eingeladen, auf die Bühne des Hofbräuhauses, 2014 nahm sie am Eidgenössischen Jodlerfest teil. Ansonsten singt Kitagawa hauptsächlich in Japan, gibt dort Konzerte und ist in Werbespots und Anime-Theme-Songs zu hören. Und ihre Aufnahmen werden im Musikunterricht an Schulen als Beispiele für Jodeln benutzt.

Heilende Musik aus den Bergen

Nicht nur für die traditionellen Stücke, auch für die modernen Melodien und Kompositionen von Willi Valotti und Marie-Theres von Gunten kann sich Kitagawa begeistern. Sie singe oft «Höch obe» (Heech Obe) und andere Lieder von Ruedi Rymann. Auch «Ewigi Liebi» nennt sie als grossartiges Jodel-Lied.

Viele Lieder interpretiert sie zuhause in Japan neu. «Ich möchte frische, bunte Arrangements, ohne damit aus dem Rahmen zu fallen. Ich will dem Publikum das Gefühl verschaffen, als wären sie mitten in den Bergen.» Sie wolle den Menschen dadurch innerliche Ruhe, Energie und Glück vermitteln. In Japan nenne man das «Iyashi» (Heilung).

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