Zu Besuch bei der aufstrebenden Filmemacherin

In Berlin legt Thaïs Odermatt richtig los

Thaïs Odermatt und ihr Freund Carlos Isabel haben Luzern erstmal hinter sich gelassen und Berlin zur neuen Heimat erklärt. (Bild: zvg)

zentralplus macht einen Blitzbesuch bei der aufstrebenden Filmkünstlerin Thaïs Odermatt in Berlin. Vor zwei Jahren hat sie Luzern und all die Auftragsarbeiten hinter sich gelassen, um sich in der deutschen Hauptstadt einzurichten. Doch dort ist es «schlimmer als zuhause».

Lauter, grösser, dreckiger und voller Inspiration – das ist Berlin. Und mittendrin arbeiten und studieren seit zwei Jahren die Innerschweizer Filmemacherin Thaïs Odermatt und ihr Partner, der Kameramann Carlos Isabel. zentralplus hat die beiden in ihrer Wahlheimat besucht.

Nachdem Odermatt die Jahre zuvor in Luzern verbrachte, Filme drehte und zahlreiche Preise abräumte, hat es die gebürtige Nidwaldnerin nach Berlin verschlagen. Hier macht sie den Master in Regie Dokumentarfilm an der ältesten und grössten Filmhochschule Deutschlands, der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf.

Dauerbesuch und Touriärger

Ihren Freund, den Spanier Isabel, lernte Odermatt an der Kunsthochschule in Luzern kennen, als dieser als Erasmus-Student aufkreuzte. Seither realisieren die beiden zahlreiche gemeinsame Filme – seien es Dokumentarfilme oder künstlerische Kurzfilme. Diese entstanden in Luzern und auf Reisen – vor allem in Spanien.

Mit dem Umzug nach Berlin gingen sie nun einen weiteren Schritt gemeinsam. Doch seit die Temperaturen klettern, haben die beiden kaum noch Zeit zu zweit. «Wir haben ständig Besuch aus der Schweiz – ich komme im Moment zu kaum noch was», lacht die 36-Jährige. Und dann müsse man sich auch noch ständig durch die Touristenmassen schlängeln. «Schlimmer als zuhause», sagt Odermatt mit gespieltem Seufzen.

Die eigenen Touristen jedoch, die nehmen die beiden noch gerne auf. Gerade erst war die Künstlerin Corinne Odermatt, die ebenfalls in Nidwalden aufgewachsen ist und heute in Zürich lebt, zu Besuch. Als Nächstes hat sich ein befreundeter Filmemacher angemeldet, dann eine befreundete Architektin und Künstlerin und schliesslich die beste Freundin. In der kleinen Wohnung im Stadtteil Alt-Treptow ist ständig etwas los.

Prosecco und Kurzfilme

Hier sind auch wir zu Besuch – eine ruhige Strasse, viel Grün, als Nachbarn Familien und ältere Leute. Sehr beschaulich leben die beiden in Berlin. Doch der Trubel ist nicht weit. Wenn man um die Ecke biegt, taucht ein Wagenplatz auf, dann die erste belebte Strasse mit Cafés, Bars und Spätkauf-Läden – in Berlin «Späti» genannt.

Wir sitzen jetzt aber erstmal zwischen Kräutern, Tomatenstauden und Badetüchern auf dem Balkon und lassen bei etwas Prosecco ein paar Kurzfilme auf uns wirken. Unter aufmerksamer Beobachtung von Odermatt und Isabel werden wir zu Versuchskaninchen auch für noch nicht ganz fertiggestellte Kurzfilme. Versuchskaninchen, welche emotional ganz schön gefordert werden.

Thaïs Odermatt führt einen ihrer Kurzfilme auf dem Balkon vor. (Bild: jav)

Denn Odermatts Filme sind gesellschaftskritisch, verwirrend, berührend und auch mal überraschend komisch. Auf den kommenden Kurzfilm über vier «Beauties» darf man sich wirklich freuen. Den will man sich im Rohschnitt schon gleich zweimal anschauen.

Fast Locarno

Zum Thema Flüchtlinge hat Odermatt einen sehr persönlichen Kurzfilm gedreht – gemeinsam mit einem Kollektiv in Berlin. Dieser hätte es auch fast nach Locarno geschafft – doch die Weltpremiere hatte leider schon stattgefunden.

Kein Wunder hat sie in den letzten Jahren mehrere Preise abgeräumt und wurde an verschiedenste internationale Filmfestivals eingeladen. Ein wichtiger Punkt für die Karriere von Filmschaffenden – wie auch die Wettbewerbe, welche immer wieder von Organisationen und Institutionen ausgeschrieben werden.

Wettbewerb ohne Kür

Erst vor Kurzem war Odermatt dann aber die Einzige, welche sich zum Thema Umwelt an einem Wettbewerb vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Deutschland beteiligte. «Eine Sauerei», lacht sie – «bloss weil ich die einzige Teilnehmerin war, haben sie das Ganze abgeblasen.» Doch die Thematik des Kurzfilms bietet sich für weitere Einreichungen an.

«Dafür müsste ich mich auch mal wieder in den Hintern klemmen. Das Raussuchen, Bewerben und Einreichen ist schon ein ziemlicher Aufwand – sich dazu hinzusetzen, das braucht ganz schön Geduld und Zeit», so Odermatt und Isabel nickt, auch ihm geht es nicht anders.

Berge und komische Käuze

Doch Odermatt braucht keinen Auftrag, keinen Wettbewerb, um die Ideen und den Schub für Projekte zu finden. Nachdem sie nach dem Bachelor fünf Jahre lang vor allem Auftragsarbeiten verfilmt hat, geniesst sie nun die Freiheit. «Ich will meine eigenen Ideen und Geschichten verfilmen.»

Viele ihrer Filme, welche sie in der Schweiz realisiert hat, spielen in den Bergen, drehen sich um Innerschweizer Menschen und ihre Geschichten. Um Berge, kauzige, eigenwillige Typen, ungewöhnliche Menschen oder auch ganz gewöhnliche – aus einem ungewohnten Blickwinkel betrachtet. Man merkt den bewegten Bildern eine Heimatverbundenheit an und doch einen neugierig beobachtenden Blick, welcher auch das Gewohnte neu entdecken will.

 

In Berlin sind die Themen nun urbaner geworden. Ein wichtiger Teil aber bleibt, das Vertrauen der Leute zu gewinnen. So auch im Moment: «Ich bin gerade an der Auswahl für einen Film, der mir sehr am Herzen liegt.» Es handelt sich um einen Film über physisch und psychisch kämpfende Frauen aus den verschiedensten Gesellschaftsschichten. Sie kämpfen im Ring, gegen Rassismus, für den Widerstand, gegen den Chauvinismus, ums Überleben oder für einen Traum. «Ich möchte im September die Auswahl getroffen haben und dann richtig loslegen», sagt Odermatt sichtlich freudig.

Lasst die Party steigen

Nach dem, doch länger ausgefallenen, gemütlichen Apéro in der Künstlerwohnung wartet das Berliner Nachtleben. Odermatt und Isabel radeln mit dem Fahrrad voraus. Etwas kriminell mutet die Fahrt für Landeier an, doch nach der «zweitbesten Pizza Berlins» kommen alle heil im «Zur Glühlampe» an. Wir besuchen ein Konzert von Schweizer Freunden, treffen einen syrischen Bekannten, trinken ein Bier vor dem «Späti» inklusive politischer Diskussionen mit einer sympathischen türkisch-italienischen Männerfreundschaft in ihren 50ern. Und als die Sonne schon fast wieder aufgeht über Berlin, fallen alle müde, verschwitzt und mit Glitzer bedeckt ins Bett.

Wem es in dieser Stadt langweilig wird, der ist wohl selbst schuld. «Ich bin richtig froh, wenn ich mich zwischendurch in die Wohnung zurückziehen kann», gibt Odermatt zu. «Berlin ist toll und inspirierend, aber manchmal brauche ich definitiv meine Ruhe vor dem ganzen Trubel und all den Menschen», lacht sie. Dann flüchtet sie sich in ein Waldstück am anderen Ende der Stadt und badet im «Teufelssee».

Zwei Nidwaldner haben die Kuhtränke in Berlin gefunden. (Bild: jav)

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