Grünes Licht für Totempfähle in Cham

Wird der Villette- zu einem Centralpark?

So wird die Installation in Cham etwa aussehen: ein Totempfahl Remecs mit Spiegeln (Massachusetts Museum of Temporary Art, North Adams MA)

(Bild: PD)

Das internationale Kunstprojekt «Ship of Tolerance» will ein Zeichen für Toleranz und Respekt setzen. Dazu gehört auch eine Installation des New Yorker Konzeptkünstlers Marko Remec. Im Villettepark will er acht Totempfähle mit Hunderten von reflektierenden Spiegeln aufstellen. Kommt Cham damit gratis zu einem Kunstwerk?

Die Kunstinstallation «Once Upon a time» soll temporär im Villettepark stehen, von Anfang September bis März 2017. Doch der Künstler will sie nachher der Gemeinde Cham schenken, wenn diese das Geschenk annimmt (siehe Kasten dazu). Der Standort der Skulptur war die letzten Wochen mit Baugespannen ausgesteckt. Das Werk soll unten auf der Wiese beim See, unweit des Restaurants Villa Villette, zu stehen kommen.

Kreis aus Totempfählen

Die Installation des New Yorker Künstlers besteht aus acht zirka drei Meter hohen Holzstangen, die mit rund fünfhundert gewölbten Spiegeln versehen werden. Die Stangen werden in einem Kreis mit einem Durchmesser von etwa fünf Metern aufgestellt. Steht man innerhalb des Kreises oder in der Nähe des Werks, sieht man Millionen verschiedene Spiegelungen des Ship of Tolerance, Bilder von sich selbst, der Menschen rund herum und der Umgebung.

Marko Remec will hier eine weitere auf seiner Totem-Reihe basierende Arbeit installieren. Die Installation trägt den Namen «Once Upon A Time» («Es war einmal …») oder auch «Ship Totem». Remec hat sie speziell für «Ship of Tolerance» geschaffen. Hinter dem Kunstprojekt des Schiffs, an dem viele Zuger Kinder und Erwachsene mitarbeiten, stehen das Künstlerehepaar Ilya und Emilia Kabakov und das Kunsthaus Zug. Die Veranstalter laden die Öffentlichkeit ein, «sich mit dem Thema Toleranz zu beschäftigen», und wollen damit einen künstlerischen Beitrag zu einem aktuellen gesellschaftlichen Thema leisten.

Der New Yorker Konzeptkünstler Marko Remec arbeitete lange an der Wall Street, bevor er sich der Kunst zuwandte. Doch auch die katholische Erziehung ist ein Thema, wie die Beichtstühle in seinem Kunstwerk zeigen.

Der New Yorker Konzeptkünstler Marko Remec arbeitete lange an der Wall Street, bevor er sich der Kunst zuwandte. Doch auch die katholische Erziehung ist ein Thema, wie die Beichtstühle in seinem Kunstwerk zeigen.

(Bild: PD)

Kindheitsfantasien ähneln sich weltweit

Zurück zu Marko Remecs Kunstinstallation: Der Titel «Es war einmal …» bezieht sich auf die vertrauten Worte, mit denen Kindermärchen beginnen. Remec hat beobachtet, dass es in fast allen grossen Sprachen und Kulturen der Welt sehr ähnliche Versionen dieser Worte gibt. Und auch der abschliessende Satz «Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute» ist identisch. Der Künstler fragte sich deshalb, wohl auch mit Hinblick auf die aktuelle weltpolitische Lage: «Wie können so viele Menschen, die eine solch gemeinsame Kindheitsfantasie teilen, als Erwachsene so polarisierende und intolerante Ansichten haben?»

Was geschieht später mit dem Kunstwerk?

Das Kunstwerk «Once upon a time» kann maximal bis zum 9. März 2017 im Villettepark in Cham bleiben. Dann werde man weitersehen, sagt Matthias Haldemann, Direktor des Kunsthauses Zug. Laut Haldemann würde der Künstler seine Installation gerne der Gemeinde schenken, wenn diese es wünscht.

Georges Helfenstein, Gemeindepräsident von Cham, sagt auf Anfrage, er finde die Skulptur «glatt». Er hätte persönlich nichts dagegen, wenn sie im Villettepark stehen bleiben würde. Ob die Gemeinde das Geschenk des Künstlers annehmen wolle, müsse jedoch der Gemeinderat entscheiden. «Wir werden die Sache prüfen», sagt Helfenstein, «insbesondere, ob der Ort der Installation der richtige ist.» Zur Baubewilligung für das Kunstwerk sagt Helfenstein, diese werde vom Bauamt demnächst erteilt.

Remec pflegt das Thema der Totempfähle schon längere Zeit. Totempfähle hatten bei den Indianern der amerikanischen Nordwestküste eine soziale und politische Funktion und keine religiöse, wie die Europäer annahmen. Die kunstvoll verzierten Holzskulpturen standen für die soziale Stellung einer Familie und hatten auch mit Mythen und Überlieferungen zu tun. Der 1958 geborene US-Künstler verwandelt Strommasten in zeitgenössische Totems, indem er sie mit Mopps, Velos, Besen oder eben Spiegeln verziert.

Keine Einsprachen gegen Kunstwerk

Alles spricht dafür, dass das Bauwerk grünes Licht in Cham bekommt. Das Baugesuch lag in den letzten Wochen bei der Einwohnergemeinde Cham auf. Laut Auskunft der Gemeinde ist innerhalb der Auflagefrist keine Einsprache gegen die Installation eingegangen. Die Gemeinde hat dies dem Kunsthaus Zug als Bauherr diese Tage mitgeteilt.

Eine Einsprache wäre erstaunlich gewesen, denn der Villettepark beherbergt bereits verschiedene Kunstobjekte und wird auch immer wieder einmal für künstlerische Performances genutzt. Matthias Haldemann, Direktor des Kunsthauses Zug, freut sich über den Bescheid aus Cham. Laut Haldemann macht der US-Künstler das erste Mal beim Projekt «Ship of Tolerance» mit, das auch in anderen Städten der Welt realisiert wurde. «Marko Remec ist mit den Kabakovs befreundet, und auch er beschäftigt sich wie sie in seiner Arbeit mit sozialen und politischen Fragen», sagt Haldemann auf Anfrage von zentralplus.

Einweihung am 10. und 11. September

Das Schiff «Ship of Tolerance» ist kein elitäres Kunstprojekt. Am Projekt wirken auch Einheimische mit: Zuger Kinder und Jugendliche malen die Segel, Erwachsene helfen beim Bau des 20 Meter langen Holzschiffs mit, das auf dem Zugersee schwimmen soll. Am 10. September soll das 20 Meter lange Holzschiff mit 120 Segeln in der Stadt Zug eingeweiht und auf den See geschickt werden.

Einen Tag später, am Sonntag, 11. September, wird die Installation im Villettepark Cham feierlich eingeweiht. Der Künstler Marko Remec wird anwesend sein und sich eventuellen Fragen des Publikums stellen. Das «Ship of Tolerance» wird sich dann erstmals in Remecs Kunstwerk reflektieren. Matthias Haldemann: «Die Installation ist interaktiv, die Spiegel reflektieren alles, das wird sicher ein Erlebnis für die Kinder und die anderen Parkbesucher.» Ein interessantes Detail: Der Künstler verwendet Spiegel wie diejenige, welche an den amerikanischen Schulbussen als Rückspiegel dienen.

Die Spiegel in Remecs Kunstwerken sind identisch mit den Rückspiegeln der typischen gelben US-Schulbusse.

Die Spiegel in Remecs Kunstwerken sind identisch mit den Rückspiegeln der typischen gelben US-Schulbusse.

(Bild: PD)

«Ship of Tolerance»: Geld zusammengebracht

Im Dezember 2015 bezifferte Matthias Haldemann im Gespräch mit zentralplus die Gesamtkosten für das Projekt «Ship of Tolerance» auf rund 450’000 Franken. Die Finanzierung sei zur Hälfte sichergestellt, sagte der Direktor des Kunsthauses Zug damals. «Heute sieht es zum Glück besser aus», sagt Haldemann auf Anfrage. Die öffentliche Hand, Stiftungen und Privatpersonen unterstützten das Projekt. «Durch Naturalspenden – eine Person spendet zum Beispiel das Holz für das Schiff – und viel Freiwilligenarbeit konnten wir den Aufwand ausserdem reduzieren.» Man habe das Geld zusammen, so Haldemann. Die Kunstinstallation von Marko Remec wird separat vom Künstler und seinen Sponsoren und Gönnern finanziert. Was sie kostet, war nicht zu erfahren.

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