Manillio in der Schüür – ein Liebesbrief

HipHop-Konzerte sind selten so harmonisch

Manillio lässt «Schüür» vibrieren: Man kann nicht anders als mittanzen (Bild: Aron Hürlimann)

Manillio scheint ein gern gesehener Gast zu sein in Luzern. Auf Tour mit seinem neuen Album «Kryptonit» entzückte er die ganze Schüür am Samstagabend. Der Rezensent konnte auch nicht anders, als in Schwärmerei zu verfallen. Ein Liebesbrief.

Ach Manillio, du in höchsten Tönen Gelobter, wo soll ich nur anfangen? Zugegeben: ich hab dich noch nie live erlebt, höchstens im EFM-Gefüge. Doch man hört Dinge über dich. Zum Beispiel zitierte das Lyrics Magazin im März: «Leute, die mich nur persönlich kennen, verstehen teilweise die Welt erst mal nicht mehr, wenn sie ein Konzert von mir besuchen.» Und der Luzerner Rapper Emm schrieb mir letzten Donnerstag auf dein Konzert angesprochen: «Bin zwar nicht da, aber war grossartig!»

Manillio liebt Luzern – und umgekehrt

Sowieso scheint die Liebe da zu sein zwischen dir und Luzern. Ich kann mich an ein Interview von 2012 erinnern, in dem der aufstrebende Mimiks seine liebsten CH-Rapper nennen musste. Da warst du natürlich ganz oben in der Liste! Und LCone preist, du seist der Schweiz immer etwas voraus. Kann das gutgehen mit so viel Lorbeeren?

Ja, es kann! Ich habe selten eine solche Harmonie erlebt an einem HipHop-Konzert. Ich musste mich wiederholt fragen, wie du das nur machst, dass alles stimmt. Vermutlich hast du ein Superteam um dich. Nur schon die Band, die die Scheunenschar ordentlich zugedröhnt hat. Allein die Solos auf Saiten und Tasten. Das war nicht bloss: Geben wir den Instrumentalisten auch noch was Plattform. Es passte perfekt. Und der Drummer hat dann in der Zugabe geglänzt, als du Monbijou, den Sommerhit in spe, mit einem karnevalesken Zusatzpart aufgepeppt hast.

(Bild: Aron Hürlimann)

Hackfleisch bim Jony

Aber auch deine Jungs Tommy und Dez. Die haben scheinbar sehr pünktlich begonnen, um 21:50 Uhr waren sie schon mittendrin. Es ist immer wieder amüsant, den Herr Vercetti auf dem Podest am Bühnenrand sein Füdli schwingen sehen, als wär er im Princess Club. Mit dem Titelsong Di Vater vom EFM-Album vergangenen Jahres gehen die Emotionen hoch, da kann man einfach so herrlich mitsingen. Und Bam! setzt es nach mit Hackfleisch bim Jony, diesem Mörderbeat, wo dann auch du auf die Bühne kommst und nach nur wenigen Sekunden ist klar: das ist nochmals eine ganz eigene Person neben den zweien, das wird ganz speziell. Das Dreiergespann läuft, die Euphorie steigt. Jetzt gibts ganz viel Lust auf Manillio, doch erstmal Pause.

«Aber mit dir macht man das halt auch gerne, du animateur naturel

Die Schüür in bester Laune

Ach ja, Tommy und Dez hatten es schon gesagt, du sagst es wieder, prostest mit deinem Bier dem Publikum zu, das von alleine immer wieder daran erinnert mit dem Ansetzen eines Ständchens: Glücklicher Geburtstag! Soll man jetzt in Verlegenheit geraten? Hast du dir Luzern für die Geburiparty ausgesucht? Es war auf jeden Fall keine dumme Idee. Die Schüür ist in bester Laune. Da wird mitgesungen, mitgetanzt unermüdlich. Aber mit dir macht man das halt auch gerne, du animateur naturel. Du bedarfst kaum der auffordernden Worte, du machst es schlicht vor mit inniger Freude.

Und schon hat man das inwendige Bedürfnis, mitzusingen, mitzutanzen. Das ist so tief. Oder dann doch: schlägst du klatschtaktangebend auf den Ellenbogen deines Mic-Ständers, während du unbeirrt weiterrapst. Und wenn das Lied zu Ende geht, ist deine Aufmerksamkeit ganz dem Publikum zugewendet, doch die Akzente deiner freien Hand und die scharf gesetzten letzten Silben sind eins mit den Schlägen der Band. Wie machst du das? Du warst doch beim Publikum?

(Bild: Aron Hürlimann)

Rap nach Mitternacht

Faszinierend, dass in all dieser Energie, dieser Spannung, dieser unbestreitbaren Präsenz du doch so unscheinbar und ruhig wirkst. Nein, es braucht keine Hektik, keine Turnübungen müssen gemacht werden, du bist auch so kräftig. Und doch, wenn es auf Mitternacht zugeht, fragst du: «Heiter Bock uf Räp?». Selbstverständlich! Bring den Scheiss! Und du bringst ihn! Aber nicht etwa deine EFM-Homies lässt du antraben zu 808s & Härzchriesi, sondern die Lokalhelden LCone und Mimiks. Ein geschickter Zug.

Die Parts der beiden sitzen und man realisiert: die spielen in deiner Liga. Genau diese Gefühle bespielst du sogleich. Du sagst: wenn uns jemand blöd anmacht wegen unserer Rap-Szene, dann würdest du sagen: «Ey was wötsch du mer säge? Nada! Nada, nada, nada!» Womit nahtlos ins nächste Lied übergleitet ist (Nada). Als ich dieses Lied das erste Mal ab Konserve hörte, hätte ich mir nie so ausgemalt, was es live auslösen kann. Die Schüür dreht durch. Schwarzweissstroboästhetik, Moshpit bis zum Mischpult. Das könnte auch ein Prodigy-Konzert sein.

Die Party hat erst begonnen

Bei deinem ersten Abgang Handkuss zum Publikum, die Band lässt sanft auslaufen. Nach den drei Zugaben verneigt ihr zu fünft. Den Applaus habt ihr verdient, genauso wie das Publikum euren. Ich weiss gar nicht recht, wer wem mehr dankbar sein soll für den Abend. Und das ist doch eigentlich das Beste, was passieren kann. Ich weiss auch nicht, ob du es noch mitbekommen hast: unten in der Bar legte Nat-Shizaru köstlichen Boom bap aus den 90ern auf. Die Party hatte gerade erst begonnen.

(Bild: Aron Hürlimann)

Aron Hürlimann

Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit kulturteil.ch entstanden und kann dort ebenfalls gelesen werden.

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