Der Zuger Martin Riesen in der Lakeside Gallery

Die Unerschrockenheit des Künstlers

Jessica (Bild: zvg.)

Fraktale Mathematik versus Schöpfungskraft. Der Zuger Videokünstler Martin Riesen zeigt seine Fraktale Kunst in der Lakeside Gallery in Unterägeri.

Der Zuger Künstler Martin Riesen (*1987) ist in der Zentralschweiz vor allem für seine Visual-Designs bekannt. Zusammen mit Lukas Meier bildet er das VJ-Duo Rec.Design, deren Video-Installationen mittlerweile zu einem festen Bestandteil des Zuger Nachtlebens geworden sind.
Ausgerüstet mit Computern, Messgeräten und einer nicht enden wollenden Fantasie kleiden sie ihre Umgebung in ein neues Gewand, sei es die Bühne der Galvanik für Plattentaufen von Troimer oder Öz Ürügülü, den Siehbachsaal in Zug, oder Hochhäuser in Buenos Aires. Video-Mapping ermöglicht es ihnen, ihre Designs exakt auf die Strukturen und Begebenheiten der Räume anzupassen, sodass der Zuschauer ähnlich der Alice im Wunderland in einen Hasenbau fällt.

Ordnung im Chaos

Martin Riesen zeigt nun in der im letzten September eröffneten Lakeside Gallery in Unterägeri erstmals seine Solo-Werke. Unter dem Begriff «Fraktal-Kunst» zeigt er am Computer generierte Fraktale, die in ihrer Detailhaftigkeit und Vielschichtigkeit den Betrachter verstummen lässt.

Was ist den nun ein Fraktal? Die Galeriebesitzerin Sussi Hodel klärt im Programmflyer auf: Mit Hilfe der fraktalen Geometrie (lat. Fractum = gebrochen) lassen sich Ordnungsprinzipien im Chaos aufzeigen. Ihre auffälligste Eigenschaft ist, dass sie als selbstähnliche Gebilde in unendlich viele kleinere, sich ähnelnde Teile brechen lassen.

Somit gehört praktisch alles Naturhafte und Menschengeschaffene in diese Gruppe. Vereinfacht dargestellt am Beispiel eines Baums: Ein Ast ist eine selbstähnliche Kopie eines Baumes und ein Zweig ist eine selbstähnliche Kopie eines Astes.

Ungewohnte Kunstform

Solche ungewohnte Kunstformen, wie die Fraktal-Kunst, nebst bewährten Stilrichtungen dem Publikum erfahrbar zu machen war einer der Beweggründe für die Eröffnung der Galerie. 

Die strengen Regeln, denen die Fraktal-Kunst unterliegt, wirft aber schnell die Frage auf, wie denn das Abbilden einer unumstösslichen Begebenheit als Schöpfungsakt, beziehungsweise als Kunst gelten kann. Jede Ebene, jede Linie basiert auf mathematischen Berechnungen und jede noch so kleine Änderung auf der einen, zieht automatisch eine Änderung auf allen anderen Ebenen mit sich – sie sind ja selbstähnliche Kopien von sich selbst.

Es ist der Umgang mit diesem Rahmen, der die Kunst erzeugt. Durch Farbgebung und Perspektiven macht Riesen seine Betrachtungsweise dieses unendlich komplexe Themas der höheren Mathematik sichtbar. Ähnlich einem Musiker der sich für ein Instrument und eine Skala entscheidet, entscheidet er sich für eine Formel.

Dank Unerschrockenheit zur Ruhe

Und anstatt mit Hilfe von Rhythmus und Dynamik eine Atmosphäre und eine Haltung zu vermitteln, erzeugt Riesen durch sein dezidiertes Farbverständnis und seiner Unerschrockenheit in diese Dimensionen einzutauchen hypnotisch-beklemmende Bilder, welche den Blick des Betrachters in sich hineinfallen lassen.

Er entzieht sich der nach Aufmerksamkeit heischenden Tendenz, durch Provokation, bunte Farben und Bewegung den Zuschauer in Extase zu versetzen. Stattdessen erzeugen seine Werke eine meditative Ruhe, die nachdenklich macht. So drehten sich während der Vernissage die meisten Gespräche nicht um Expressivität oder Selbstzweck, sondern war voller meta-philosophischen Konversationen über Chaostheorien und Quantenphysik, die Schönheit von Ordnung, und der Gegenüberstellung von Natur und Technik.

Das Video macht die Kunst fassbar

Am hinteren Ende der Ausstellung steht eine Video-Installation in der alle vorherigen Bilder zu einem grossen, galaxie-ähnlichen Gebilde zusammengefasst werden. So wird das Prinzip der fraktalen Struktur, welches auf den Bildern eher abstrakt nachzuempfinden ist, für den Zuschauer plötzlich fassbar, indem das Gebilde immer weiter vergrössert wird und so seine unendlichen Unterteilungen preis gibt.
Unterstrichen durch eine reduzierte Soundscape, bestehend aus im Fibonacci-Verhältnis stehenden Stimmgabeln, und der einzigen Sitzgelegenheit entsteht ein Raum im Raum, den man für sich alleine haben möchte, um diesen Augenblick verdauen zu können.

 

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