Monika Müller ordnet die Welt

Wohin mit all den Schreckensbildern?

Monika Müller: [die] Welt [als geordnetes Ganzes] II 23.4 –28.5.2016 © Alpineum Produzentengalerie, Foto: Stefan Meier, 2016

Täglich werden wir von Nachrichten, Schlagzeilen, Informationen überschwemmt. Ist es unangemessen, wenn wir über Katastrophenbilder hinwegsehen? Und wenn wir hinsehen, wie sollen wir damit umgehen? Die Luzerner Künstlerin Monika Müller hat einen Weg gefunden.

 

 

In der Produzentengalerie zeigt die Luzerner Künstlerin Monika Müller die Fortsetzung ihrer Serie [DIE] WELT [ALS GEORDNETES GANZES]. 2011 begann sie diese offene Serie, in der sie Medienbilder mit Graphit interpretierte. Mit einer Tombola-Aktion unterstützt die Künstlerin zudem die UMA – die Zentralschweizer Organisation, die sich um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kümmert.

Die Natur als Zeuge

Zuerst versucht sie an ihrer Atelierwand den Schwall an Informationen zu sortieren nach Kategorien wie Krieg, Nahrung, Wissenschaft. Dabei steht wie auch bei ihren anderen Arbeiten immer die Natur im Zentrum. Sie ist Zeuge und Opfer der menschlichen Eingriffe: «Wer weniger schnell vergisst, ist (…) die Landschaft. Alles, was in ihr passierte, fand seinen Niederschlag», schreibt der Leiter Stefan Meier im Einführungstext zur Ausstellung. Die Künstlerin gibt an, sich möglichst genau bei ihren Zeichnungen an die Medienvorlage zu halten. Doch zum Schluss sind die Zeichnungen weit entfernt vom Original. Von der Künstlerhand sind sie übersetzt in weiche Schattierungen, in feine Grauabstufungen und in eine stärkere Hell-Dunkel-Dramatik. Ebenso geben die poetischen Wortspiele der Titel, die von den Originaltexten inspiriert sind, nicht viel Aufschluss über ihren ursprünglichen Kontext. «Gehversuche» nennt sie etwa die Arbeit, die eigentlich Protestbarrikaden in Kroatien zeigen.

Über die Unmöglichkeit einer Weltordnung

Eine vermeintliche Ordnung evoziert auch die Galeriepräsentation. Auf einem schwarzen Wandstreifen sind die kleinformatigen Zeichnungen in Gruppen arrangiert, wobei immer wieder einzelne Arbeiten die saubere Geometrie aufbrechen. Auch verspricht der schwarze Wandstreifen eine Erzählnarrative, zeitliche oder thematische Sortierung. Doch die Suche nach einer Logik ist vergeblich. Monika Müller scheint sich hier bewusst gegen eine neue Pseudoweltordnung zu wehren. Auf der gegenüberliegenden Seite überrascht vor blauem Wandanstrich eine grossformatige Zeichnung einer Wolke. Sie wirkt erfrischend, naiv, ja fast kitschig, wenn man den Kontext der ernsthaften Thematiken bedenkt. Und doch vielleicht zeigt es uns möglicherweise die Lösung des Problems im Sinne der Romantik: zuerst ein Abstandnehmen, ein Innehalten, ein Zu-sich-Kommen, das Kraft für positive Veränderung in der Welt gibt.

«Das Hilfssyndrom in der Kunst ist nicht neu.»

Das Hilfsexperiment

Monika Müller bezeichnet sich nicht als politische Künstlerin. Doch die Gedanken an die sozialen Ungleichheiten liessen sie nicht los und wurden zum Bedürfnis, einen Beitrag zu leisten: «Ich kann zwar die Welt nicht verändern, aber zumindest kann ich etwas in meinem kleinen Umfeld bewirken.» So kam ihr die Idee, durch eine Tombola-Aktion und die Werkverkäufe aus der Ausstellung den Erlös an das Zentrum für unbegleitete minderjährige Asylsuchende zu spenden. Die Organisation kümmert sich um die rund 150 Jugendlichen und Kinder in der Zentralschweiz, die hier ohne Eltern gelandet sind.

Das Hilfssyndrom in der Kunst ist nicht neu. Vor allem nicht in der aktuellen Flüchtlingsthematik. Und doch, in Anbetracht einiger geschmackloser Gesten von international bekannten Künstlern, wie etwa Ai Weiweis Nachstellung des gestrandeten toten Jungen, erscheint Monika Müllers Vorhaben angenehm bescheiden, einfühlsam und bedacht. Zudem ist es wahrscheinlich viel wirkungsvoller als die massenwirksamen Aktionen, bei denen man sich nicht selten fragt, zu wessen Vorteil und Popularität diese nun wirklich beitragen.

Am 29. April 2016, 19.00 Uhr, findet ein Gespräch mit Jenny Bollinger (gesetzliche Vertrauensperson für unbegleitete minderjährige Asylsuchende und Flüchtlinge) und Monika Müller über ZUMA und Zeichnung statt. Die Ausstellung läuft noch bis zum 28. Mai 2016.

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