Stanser Musiktage: Michael Fehr und Manuel Troller

Pulsierende Poesie in Stans

Roman Bruderer, Michael Fehr, Julian Sartorius, Andi Schnellmann und Manuel Troller an den Stanser Musiktagen. (Bild: dragan_tasic)

Die Ankündigung, dass Michael Fehr und Manuel Troller in Grossformation an den Stanser Musiktagen ihr neues Programm uraufführen, liess Kulturinteressierte allen Alters nach Stans strömen. Was sie zu hören bekamen, überraschte.

Dass vom Berner Autor Michael Fehr Grosses zu erwarten ist, weiss man spätestens seit sein Buch «Simelibärg» (Gesunder Menschenversand, 2015) für Furore gesorgt hat. Und dass Manuel Troller ein fester Bestandteil der Schweizer Jazzszene ist, weiss jeder, der im letzten Jahr ein Jazzkonzert besucht hat.

Dass nun zwei Künstler solch verschiedener Sparten zusammenspannen, macht neugierig, vor allem weil das einzige digital anhörbare Zeugnis ein Youtube-Video des Liedes «Ausserholligen Baumwollfeld» ist, welches dann auch das letzte Stück des Abends war. Aber alles der Reihe nach.

Mittwochabend halb neun, Theater an der Mürg in Stans. Der Saal ist gut gefüllt. In traditioneller Konzertsituation bilden die Instrumentalisten einen Halbkreis um das noch unbesetzte Mikrophon in der Mitte der Bühne. Manuel Troller an der Gitarre rechts aussen, sein Schnellertollermeierbassist Andi Schnellmann daneben. Julian Sartorius am Schlagzeug und Roman Bruderer an der Perkussion.

Schon mit den ersten Takten ist klar: Diese Musiker müssen nicht beweisen, dass sie gut sind. Sie und das Publikum wissen das bereits. So kann Troller es sich leisten, als Solist ein Intro zu spielen, das durch seine Reduktion die Musik mehr erahnen als hören lässt und den Auftritt Fehrs auf die Bühne fast schon unspektakulär wirken lässt, ganz im Gegensatz zu den sonst so pompösen Auftritten, die man sich von Konzerten gewohnt ist.

Was dann erklingt, ist eine überraschende Mischung aus Blues, Jazz und einer rauchigen Stimme, die man eher auf einer Joe-Cocker-Platte vermuten möchte als aus dem Munde des jungen Berners.

Michael Fehr

Michael Fehr

(Bild: dragan_tasic)

Mit genau solch einer Stimme besingt er dann auch in bester Blues-Manier den Herzschmerz rund um die Frauen mit herrlichen Sätzen wie «Komm schon Mädchen, Mädchen, Mädchen … du machst mich fertig», «Du fällst aus den Wolken und ich hoffe, dass es weh tut, aber dir wachsen Flügel», wohlwissend, dass so manchem die Knie weich werden dabei, und lässt das Publikum vergessen, dass vor ihm eigentlich ein Schriftsteller steht. Getragen von einer Band, die unter Anleitung von Manuel Troller einer Maschine gleich sich durch alle Varianten der Groove-Musik spielt, bei Bedarf hochdramatische Spannungsbögen erzeugt und sich auch hinter die Bühne zurückzieht, singt, spricht, krächzt und stöhnt sich Fehr durch das Leiden des einsamen Herzens.

«Solche Musik verlangt nach Bewegung und gehört eher in einen Club als in einen Theatersaal.»

Fast ist man gewillt, die starre Sitzordnung im Theater als störend zu empfinden. Solche Musik verlangt nach Bewegung und gehört eher in einen Club als in einen Theatersaal.

Und genau in solchen Momenten packen sie die eigentlichen Perlen des Abends aus, die zeigen, dass die Kollaboration Michael Fehr/Manuel Troller nicht nur in toller Unterhaltungsmusik resultiert.

So porträtieren sie gekonnt in «Der Teufel und das Grauen» eine Gesellschaft, die dem Entsetzen der heutigen Zeit in der Gestalt des Teufels mit Gleichgültigkeit begegnet, oder in Fehrs Worten «zum Gähnen», sodass dieser wieder in die Hölle verschwindet, aber die Kinder mit sich reisst.

Dies ist aber so komplex verpackt, dass Fehr selbst in der Mitte des Stückes zur Einsicht kommt und den Zuhörer informiert «Jetzt erzähl ich es euch noch einmal», nur um dann überlagernd zum Schlagzeug in solch einem Tempo die Geschichte neu zu erzählen, dass es einem zuerst schwindlig wird und man erst danach merkt, dass man die Pointe endlich erfasst hat.

Oder aber das Lied «Der Andere, ich und der alte Mann» – eine theatralisch-verworrene Verfolgungsgeschichte, welche die Angst vor Fremden heraufbeschwört und gleichzeitig ad absurdum führt – Der andere hat zwei Messer, aber steht auf dem freien Feld, während wir geschützt hinter der Holzwand stehen, und am Schluss stirbt der alte Mann.

Manuel Troller

Manuel Troller

(Bild: dragan_tasic)

Diese Mischung aus tiefgründigen Überlegungen und scheinbar banalen Geschichten, das Augenzwinkern und die Spitzfindigkeiten, verpackt in Fehrs ganz eigene Art des hochdeutschen Dialekts und Trollers Kompositionen, macht dieses Konzert zu einem Erlebnis, einzig getrübt durch die Tatsache, dass man die Lieder auf dem Nachhauseweg nicht singen kann – es wäre also Zeit für eine CD oder mindestens ein Libretto.

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