Steinhauser HSLU-Absolvent auf der Überholspur

Dank Zwangsneurosen zum Filmpreis

Ausschnitt aus «Ruben Leaves» von Frederic Siegel: Mit Zigaretten gegen nervenaufreibende Zwangsneurosen. (Bild: zvg)

Es läuft gut für den Animationsfilmer Frederic Siegel: Sein Abschlussfilm «Ruben Leaves» wird weltweit auf Festivals gezeigt und wurde nun als Krönung mit dem Schweizer Filmpreis gekürt. Im Interview mit zentralplus erklärt er, was sich für ihn damit ändern wird – und weshalb dieser Preis gerade zur rechten Zeit kommt.

Grosse Ehre für den Steinhauser Animationsfilmer Frederic Siegel: Der Bachelor-Absolvent der Hochschule Luzern – Design & Kunst wurde vor einer Woche im Zürcher Schiffsbau mit dem Schweizer Filmpreis für «Ruben Leaves» in der Kategorie «Bester Abschlussfilm» ausgezeichnet (zentralplus berichtete).

In der Animationsbranche ist der junge Filmschaffende kein Unbekannter. Sein fünfminütiger Abschlussfilm war bereits auf Festivals in der Schweiz sowie in Deutschland, Frankreich, England, Belgien, Ungarn, Serbien, Mexiko und Kanada zu sehen. Der Film erzählt von Ruben, der auf dem Weg zur Arbeit von Zwangsvorstellungen heimgesucht wird. Ist die Wohnungstür verschlossen? Der Gasherd ausgeschaltet? Immer absurder wirkende Szenarien plagen Rubens kreativen Geist; langsam, aber stetig vermischen sich Realität und Fantasie.

Wie das Alter, so das Ego

Kreativ ist auch der Geist von Rubens Schöpfer. Frederic Siegel steckt nicht einmal ein Jahr nach seinem Studienabschluss beruflich vollends in der Branche. Ein Atelier in Zürich, Auftragsarbeiten am Laufmeter und die Berufung an die Technische Hochschule in Chur. Daneben findet er immer mal wieder die Zeit, eigene Projekte auf die Beine zu stellen – und uns zum Interview zu treffen.

Szene aus «Ruben Leaves» – Der Chef wartet vergeblich im Besprechungszimmer.

Szene aus «Ruben Leaves» – Der Chef wartet vergeblich im Besprechungszimmer.

(Bild: pbu)

zentralplus: Frederic Siegel, wie fühlt sich das an, die Auszeichnung für den besten Abschlussfilm erhalten zu haben?

Frederic Siegel: Den Schweizer Filmpreis zu erhalten, ist natürlich eine unglaublich schöne Anerkennung für die ganze Arbeit, die ich während meinem Abschlussjahr an der Hochschule Luzern – Design & Kunst in den Film gesteckt habe. Ich fühle mich auch so, als wäre ich bereits jetzt ein geschätzter Teil des Schweizer Filmschaffens, und das macht mich extrem glücklich.

Zur Person

(Bild: pbu)

Frederic Siegel (1991), 2D Animation Director, Animator und Illustrator, ist in Cham geboren und aufgewachsen. Mittlerweile lebt er in Steinhausen. 2015 schloss er sein Bachelorstudium in 2D Animation an der Hochschule Luzern – Design & Kunst ab. Seit 2014 nimmt er Autragsarbeiten entgegen und ist nebenher als freischaffender Animationsfilmer tätig. Seit April 2016 hat er zudem einen Lehrauftrag an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Chur, wo er die Studierenden in Visualisieren, Zeichentrick und Animation unterrichtet.

zentralplus: Wie hast du von deinem Sieg erfahren?

Siegel: Erst, als das Couvert live auf der Bühne geöffnet wurde. Keiner der Nominierten wusste vorher Bescheid.

zentralplus: Hast du die Korken gebührend knallen lassen, oder bist du eher der stille Geniesser?

Siegel: Ich habe natürlich nach der Preisverleihung den Sieg noch im Schiffbau selbst und anschliessend in der Zürcher Nacht gebührend gefeiert. Ausserdem freue ich mich wahnsinnig, dass meine Freunde und ehemaligen Mitstudenten der Studienrichtung Animation der Hochschule Luzern extra eine kleine schulinterne Feier für mich veranstaltet haben.

zentralplus: Was, denkst du, sind die Gründe dafür, dass du gewonnen hast?

Siegel: Das ist schwierig zu sagen. Ich hoffe, ich konnte die Filmakademie durch meinen eigenen Stil und meine unkonventionelle Herangehensweise ans Geschichtenerzählen überzeugen.

zentralplus: Was meinst du mit unkonventionell?

Siegel: Der Film erzählt keine lineare Geschichte. In diesem Sinne folgt er nicht einem «normalen» Story-Ablauf von A bis Z. Das bietet den Zuschauern viel Interpretationsspielraum. Das war von Anfang an meine Absicht. Während dem Arbeitsprozess zeigten sich allerdings einige Bedenken, dass der Film nicht verstanden werden könnte. In Gesprächen mit den Dozenten fand ich aber schliesslich einen stimmigen Mittelweg zwischen Verständlichkeit und Verwirrspiel.

«Als ich wieder mal gegen meinen Willen zu meiner Haustür zurücklaufen musste, um zu prüfen, ob ich tatsächlich abgeschlossen hatte, kam mir die Idee, dieses Gefühl in einem Film darzustellen.»

zentralplus: Kannst du kurz nachzeichnen, wie «Ruben Leaves» entstanden ist?

Siegel: Inspiriert zum Film «Ruben Leaves» wurde ich durch meine eigenen, kleinen Zwangsneurosen. Eines Tages, als ich wieder mal gegen meinen Willen zu meiner Haustür zurücklaufen musste, um zu prüfen, ob ich tatsächlich abgeschlossen hatte, kam mir die Idee, dieses Gefühl in einem Film darzustellen. Somit kreierte ich mein Alter Ego Ruben, der sich im Film ebenfalls mit seinen Zwangsgedanken herumschlagen muss, wobei sich seine Vorstellungen irgendwann mit seiner realen Umgebung vermischen.

Zu Beginn hielt ich den Ablauf des Films als fiktiven Tagebucheintrag fest, woraus sich dann ein gezeichnetes Storyboard entwickelte. Darin konnte ich gut die surrealen Elemente visuell darstellen. Anschliessend entwickelte ich daraus ein animiertes Storyboard, das sogenannte Animatic. Darin wird das Timing der einzelnen Szenen festgesetzt. Darauf folgte die fertige Animation inklusive musikalischer Untermalung und Sounddesign. Die gesamte Produktionszeit des Films, vom ersten Skript bis zur Premiere, betrug ungefähr acht bis neun Monate.

zentralplus: Gekürt wurdest du von einer Fachjury. Was ist wichtiger, deren Urteil oder die Gunst des Publikums?

Siegel: Für mich sind eigentlich alle Meinungen gleich wichtig. Ich finde es immer wunderbar, wenn sich ein nicht filmaffines Publikum für meinen Film interessiert und sich von ihm begeistern lässt. Aber von der Schweizer Filmakademie und somit der Schweizer Filmelite prämiert zu werden, ist natürlich eine ganz besondere Ehre, die mich fast noch ein bisschen mehr freut.

«Die Animationsbranche ist zurzeit auch hierzulande stark im Aufschwung.»

zentralplus: Wird die Auszeichnung berufliche Auswirkungen haben?

Siegel: Der Preis ist ein riesiger Ansporn für mich, auch in Zukunft ausserhalb der Schule meine eigenen Filmprojekte zu verwirklichen. Ich denke und hoffe, dass sich mir durch die gewonnene Anerkennung nun auch bestimmte Möglichkeiten bieten, die ich genau für diesen Zweck nutzen kann. Ich hoffe da vor allem auf mögliche Filmförderbeiträge und Kontakte in der (Animations-)Filmbranche.

zentralplus: Haben Animationsfilmer in der Schweiz nicht einen schweren Stand?

Siegel: Man kann als Animationsfilmer definitiv Fuss fassen in der Schweiz. Die Zeichen stehen momentan besonders gut. Die Animationsbranche ist zurzeit auch hierzulande stark im Aufschwung. Gerade eben wurden die Fördergelder für Animationsfilme von der SRG auf eine Million Franken aufgestockt. Von daher ist es der perfekte Zeitpunkt, dass ich jetzt mit dem Filmpreis zusätzliche Aufmerksamkeit bekomme. Die Leute wollen vermehrt animierte Filme sehen, das merke ich auch an den Auftragsarbeiten, die fast schon ungebremst in unser Atelier flattern.

Der Schritt ins Ausland war zwar auch bei mir schon ein Thema. Aber momentan sage ich mir: Wieso soll ich ins Ausland gehen, wenn es hier gut läuft? Im Ausland müsste ich zudem nochmals von vorne beginnen.

zentralplus: Wie geht es denn nun weiter mit dir? Hast du bereits neue Projekte in der Pipeline?

Siegel: Im Moment arbeite ich in Zürich in einem Atelier mit Freunden zusammen an Auftragsarbeiten und eigenen Projekten. Darunter befindet sich ein neues Kurzfilm-Projekt, das ich mit einem meiner ehemaligen Mitstudenten, Beni Morard, in Co-Regie umsetzen möchte. Daneben habe ich einen Lehrauftrag an der Hochschule in Chur. Mein langfristiges Ziel ist die Etablierung als Regisseur beziehungsweise Art Director. Im Moment bin ich aber zufrieden, so wie es läuft.

«Ruben Leaves» von Frederic Siegel

Abschlussfilm Bachelor Animation, Hochschule Luzern – Design & Kunst
Animation/Schnitt: Frederic Siegel; Sound Design: Thomas Gassmann, Kilian Vilim; Musik: Nico Kast; Produktion/Verleih: Hochschule Luzern – Design & Kunst, Dauer: 5 Minuten

Nachfolgend weitere Arbeiten von Frederic Siegel:

Easy Prey – Ein normaler Tag im Leben einer Gottesanbeterin:

2 Magnete – Offizielles Musikvideo der Band «Murphy Left», welcher Falco Meyer, Leiter der Zuger Redaktion bei zentralplus, angehört:

Instinct – Ein Besuch im Zoo. Tiere mit Persönlichkeit:

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