Sarah Bischof alias «Pony Hü»

«Ich nehm mal kurz den Globus mit»

Sarah Bischof mag den Schlamm zwischen den Zehen, aber kein Kies. (Bild: jav)

Sie ist alles, nur nicht gewöhnlich. Mit blauen Haaren, 25 Mitbewohnern, lebt Sarah Bischof ihren Traum. Das Projekt «Pony Hü», der Tagi und die Freiheit sind ein grosser Teil davon. zentral+ traf die Luzernerin in Zürich und landete dabei mit einem Globus in der Sihl.

«Ich stelle mich eigentlich nie als ‹Pony Hü› vor, aber ich merke, wie die Grenzen zwischen Sarah Bischof und Pony Hü immer mehr verschwimmen. Was aber auch eine schöne Bestätigung für meine Arbeit ist», sagt die 27-jährige Luzernerin. Wir sitzen im «Rio» in Zürich. Bischof braucht man hier nicht lange suchen. Die blauen Haare, das kurze Kleid, die glänzende Jacke und die riesigen Pailletten-Ohrringe fallen sofort auf.

Bischof arbeitet in Zürich als freischaffende Journalistin, Moderatorin, Barkeeperin, Texterin und Videobloggerin. Was soll man sich darunter vorstellen?

Bischof triff mit ihrer spontanen Art und ihrem Projekt, dem unperfekten Videoblog ihrer Kunstfigur «Pony Hü» einen Nerv der Zeit. Als selbstständige Videoproduzentin bietet sie mit ihren Videos eine Plattform für Menschen, ihre Schicksale und Wege und für kreative Projekte. Ihre Präsenz in diversen Schweizer Medien wächst stetig und lässt die weitere Karriere der ausgeflippten, jungen Luzernerin erahnen.

Radio Pilatus, das Hive und der Tagi

Angefangen hat für Bischof alles bei Radio Pilatus. Über vier Jahre war sie als Reporterin und Morgenshow-Produzentin beim Luzerner Radiosender angestellt. «Mich reizten aber schon immer die elektronischen Medien. Nach dem Radio faszinierte mich das Fernsehen. Und das Fernsehen in der Schweiz ist in Zürich», sagt Bischof. Also zog sie nach Zürich und arbeitete für verschiedene Produktionsfirmen.

Inzwischen ist sie freischaffend, hat ihren Ateliersplatz, schreibt für den Tages-Anzeiger und videobloggt. Ihre Videos werden auf ponyhue.ch und auf VLOG ausgestrahlt, weitere Anfragen lägen auf dem Tisch. Es sei spannend, verschiedene Kanäle bespielen zu können. Zu sehen, welche Geschichte für welchen Kanal, für welches Medium geeignet ist. «Es gibt auch viele Themen und Leute, bei welchen ich finde, dass sie es verdient haben, doppelt Aufmerksamkeit zu bekommen.» Dann können auch ein Video und ein Artikel im Rahmen des selben Themas entstehen.

Daneben steht sie bei Veranstaltungen als Moderatorin auf der Bühne und im Zürcher Club «Hive» oder bei Festivals hinter der Bar. «Auch als Ausgleich. Ich brauche die Abwechslung.»

«Perfektion ist langweilig.»

«Meine Inspiration sind Freunde, Leute die ich treffe, eigene Ideen und solche, auf die ich stosse und die ich weiterentwickle.» Und davon gibt es weit mehr, als sie zeitlich realisieren könne, erzählt sie – denn eben auch andere Aufträge wollen erledigt werden. «Vor allem der Schnitt meiner Videos raubt so viel Zeit. Gerade sass ich wieder vier Stunden an einem Video und es ist noch lange nicht fertig.» Der Schnitt der Videos sei der grösste Teil ihrer Arbeit. «Auch wenn ich viel Zeit investiere, irgendwas ist immer unperfekt. Mir passieren immer irgendwelche Dinge. Finde ich auch gut, denn das Perfekte ist langweilig.»

Derzeit sitzt sie am Video über das Garbicz-Festival in Polen. Und bald ist Bischof wieder in Instanbul unterwegs. «Es ist eine sehr spannende Umgebung. Eine komplett andere Kultur. Das spürt man vor allem als Frau.»

Natürlich sei sie viel auf Reisen, doch währenddessen auch immer am Schreiben und Filmen. «Wirklich Ferien zu machen, ohne etwas zu tun, das kann ich nicht», lacht sie und fügt an: «Ich bin eine Macherin – halt einfach so gestrickt.»

«Hü de Suisse-Tour»

Eines der aktuellen Projekte von Bischof heisst «Hü de Suisse-Tour». Auf die Idee sei sie gekommen, als sie realisierte wie wenig sie die Schweiz eigentlich kenne. «Ständig bin ich unterwegs, in Berlin, Istanbul, aber die verschiedenen Regionen und Städte der Schweiz kenne ich kaum.» So begann sie ihre Tour und die erste Destination war dabei in Eggersriet in St. Gallen, ihrem Heimatort. Nun aber ist ihr GA abgelaufen. «Vielleicht sponsert mir die SBB ja mein nächstes GA für meine Tour», lacht sie. Die Idee sei es, einfach los zu fahren, ohne Pläne, und spontan Themen aufzugreifen und Leute zu portraitieren, die ihr dabei begegnen.

Doch kann man davon leben? Ihr Lebensstandard sei zwar eingeschränkt, sie zahle wenig Miete, fahre Velo und gehe selten auswärts essen, «aber ich habe meine Freiheit. Kann das tun, was ich gerne mache. Es ist ein enormes Privileg, so leben und arbeiten zu können.»

Das Filmequipment hat sie sich selbst gekauft, um spontan immer und überall arbeiten zu können. Ein fixes Team hat Bischof nicht. «Bei mir sind immer andere Leute an der Kamera. Freunde, Kollegen, manchmal ich selbst.» Das führe zu einem regen Ideenaustausch, denn «viele Köpfe haben viele Ideen», sagt sie. Es ist aber auch immer ein Wagnis, «bei welchem ich auch schon hart auf die Nase geflogen bin.» Trotzdem sei es das Risiko wert, andere Blickwinkel zu entdecken.

Damit entwickelt sich das Projekt «Pony Hü» auch weiter, findet Bischof. «Ich will deshalb immer wieder mit neuen Leuten zusammenarbeiten.»

25 Leute und 2 Duschen

Auch privat hat Bischof mit vielen verschiedenen Leuten zu tun. Seit letztem Dezember wohnt sie in einer Gross-WG gemeinsam mit 25 Leuten im Kreis vier in Zürich. «Wir haben da insgesamt nur zwei Duschen. Und so unglaublich wie es klingt, ich habe es noch nie erlebt, dass beide zur selben Zeit besetzt waren», schwärmt sie. Sie sei das erste Mal so richtig glücklich mit ihrer Wohnsituation. «Also abgesehen natürlich von meiner Kindheit.»

Bis zu ihrem 24. Lebensjahr wohnte sie in Luzern. «Ich liebe Luzern, aber irgendwann wollte ich etwas Neues, Grösseres erleben.» Auch die Anonymität der grösseren Stadt habe sie gelockt. Wobei Zürich im Vergleich zu Berlin ja auch ein bisschen wie ein Dorf sei. Berlin bleibt deshalb für Bischof durchaus eine Option: «Diese Stadt ist meine grosse Liebe und Inspirationsquelle.»

Der Name

Woher der Name «Pony Hü» denn eigentlich kommt, wollen wir wissen. Das «Hü» sei das Wichtigste an ihrem Namen, erklärt sie. «Es steht fürs Vorwärtskommen und fürs Leben.» Und das Pony dazu sei das Unperfekte. «Ganz im Gegensatz zum Pferd, welches in meiner Definition perfekt und elegant ist. Das Pony hat seinen eigenen Kopf, wie ich.»

«Ich bin ein Fan von allen Leuten, die selbst etwas anpacken.»

Bischof ist in der Schweizer Öffentlichkeit aber nicht das einzige Pony. Auch die Psychologin, Bloggerin und Moderatorin Yonny Meyer tritt als Pony auf – als «Pony M.».

«Das ist mir lange gar nicht aufgefallen», amüsiert sich Bischof. Mittlerweile werde sie auch mal mit Pony M. verwechselt, das störe sie aber nicht. «Ich finde toll, was sie macht. Ich bin grundsätzlich ein Fan von allen Leuten, die selbst etwas anpacken.»

Ein breites Netzwerk

In der kurzen Zeit in Zürich hat Bischof ein kreatives und aktives Netzwerk aufgebaut. Ein breiteres Publikum erreichte Bischof dadurch auch bei der Zusammenarbeit mit Skor: Rapper, Türsteher und ein Bekannter von Bischof.

Als sie die Geschichte von Adnan, einem jungen Migranten auf Video bannte, veröffentlichte Skor gerade seinen neuen Song «I de Schwiiz». Und Bischof durfte den Song für ihr Video nutzen. «Das passte einfach perfekt. Es war ein grossartiger Zufall – nein, es war Fügung», sagt sie und schnappt sich den Globus aus der «Rio»-Bar, um barfuss für ein Foto durch die steinige Sihl zu stapfen.

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