Unterhaltsarbeiten an Luzerner Wahrzeichen

Morsche Kapellbrücke sorgt für kalte Finger

Auf der Schwimmplattform wird gearbeitet. Die Pfähle kriegen ihren letzten Schliff direkt vor dem Einsetzen.

(Bild: pze)

Das beliebteste Luzerner Fotosujet ist morsch. Mehrere Stützbalken der Kapellbrücke müssen ersetzt werden. Taucher stehen dafür stundenlang im Einsatz – bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. zentralplus zeigt, wieso das nötig ist und warum Projektleiter Markus Sigrist dafür kalte Finger in Kauf nimmt.

Wer die Tage über die Kapellbrücke geht, sieht sie gleich: Bauarbeiter in orangen Schwimmwesten auf einer schwimmenden Plattform. Es wird geschuftet am Wahrzeichen der Stadt Luzern, denn es müssen mehrere tragende Holzpfähle ersetzt werden. Sogar Taucher sind mit spezieller Ausrüstung im Einsatz. Die Arbeiten geschehen von einer Schwimmplattform unterhalb der Brücke aus – dort wird abgemessen, geschliffen und zurechtgesägt.

Markus Sigrist vom Tiefbauamt der Stadt Luzern leitet das Projekt. Man arbeitet eng mit der kantonalen und der städtischen Denkmalpflege zusammen. Für den Unterhalt der Brücke rechnet man zwischen 2015 und 2020 mit Investitionen von rund 800’000 Franken.

Die angefaulten Pfähle werden ersetzt

Diesen Donnerstag wurde der mittlere Pfahl eines «Pfahljochs» ersetzt. Als Joch bezeichnet man die Form der Standbeine der Brücke, welche aus drei vertikalen und zwei horizontalen Pfählen besteht – dabei ist jeder einzeln ersetzbar. «Dieser Pfahl ist bis zur Hälfte durchgefault. Man sieht aussen kaum was, innen ist aber alles morsch», erläutert Sigrist. Und tatsächlich: Schaut man näher hin, werden die Schäden am Holz sichtbar.

So sehen die Joche unterhalb der Kapellbrücke aus. Rechts sieht man einen jüngeren Pfahl aus dem Jahr 2006.

So sehen die Joche unterhalb der Kapellbrücke aus. Rechts sieht man einen jüngeren Pfahl aus dem Jahr 2006.

(Bild: pze)

Taucher sind fünf Stunden pro Tag im Einsatz

Da die Arbeiten mit strom- oder benzinbetriebenen Geräten nicht möglich sind, arbeiten die zwei Taucher mit speziellen Hydraulikgeräten. Diese zersägen die herauszunehmenden Pfähle und bringen die neuen an – alles unter Wasser. «Wir können etwa fünf Stunden pro Tag unter Wasser sein», führt Stefan Waser, Taucher für die Baufirma BS Zeier, welche die Arbeiten durchführt, aus. Waser ist zum ersten Mal dabei, der gelernte Maurer ist erst seit zwei Jahren Profitaucher.

Die Taucher gehen ins Wasser. Bis zu fünf Stunden täglich arbeiten sie in der Reuss.

Die Taucher gehen ins Wasser. Bis zu fünf Stunden täglich arbeiten sie in der Reuss.

(Bild: pze)

Überraschungen sollen vermieden werden

Rund alle fünf Jahre werden jeweils die ältesten und morschesten Pfähle ausgetauscht. Sigrist präzisiert: «Wir haben in einem detaillierten Plan und einer Matrix dargestellt, wie alt und in welchem Zustand welche Pfähle und Bauteile sind. So ist klar ersichtlich, welche als nächstes ausgetauscht werden müssen.» Dabei unternehmen Taucher regelmässige Untersuchungen und Messungen an den Pfählen. «Wir versuchen stets so weit im Voraus wie möglich zu planen: Heute setzen wir Massnahmen um, welche wir vor rund zwei Jahren angedacht und mit der Planung begonnen haben.» Erwin Lussi von der BS Zeier erläutert: «Die Zimmermänner bereiten sich sehr lange auf die Arbeit vor, damit hier auf dem Wasser keine Überraschungen passieren.»

Aus alt mach neu: Der vordere Balken ist zur Hälfte durchgefault und wird jetzt durch den hinteren Pfahl ersetzt.

Aus alt mach neu: Der vordere Balken ist zur Hälfte durchgefault und wird jetzt durch den hinteren Pfahl ersetzt.

(Bild: pze)

Die Brücke vorübergehend per «Hilfssteg» begehbar

Zusätzlich zu den Stützpfählen ersetzt die Stadt auch gleich einen rund sieben Meter langen Seitenbalken am Nordportal – dem Eingang zum Schwanenplatz hin. «Der ist sicher bis in die Hälfte morsch. So verliert der Balken an Tragkraft und muss ersetzt werden», sagt Sigrist. Nächste Woche werde der Balken abtransportiert.

Die Arbeiten auf der Schwimmplattform sind in vollem Gang.

Die Arbeiten auf der Schwimmplattform sind in vollem Gang.

(Bild: pze)

Damit beim Zugang zur Brücke ungestört gearbeitet werden kann, wurde der Nordzugang geschlossen. Dafür wurde per Gerüst ein «Hilfssteg» zur Brücke errichtet, damit die Brücke weiter begehbar bleibt. Man nutze jetzt die Zeit der Absperrung zusätzlich, um gewisse Abschnitte der Gehfläche zu ersetzen, so Sigrist: «Die Bodenbretter müssen im Abstand von rund zehn bis fünfzehn Jahren ersetzt werden, je nach Exposition. Die nötigen Massnahmen ergreifen wir jetzt im Rahmen der Unterhaltsarbeiten.»

«Der Anspruch von Luzern Tourismus ist, dass wir die Arbeiten in einer touristenarmen Zeit durchführen.»

Markus Sigrist, Projektleiter Unterhaltsarbeiten Kapellbrücke

Mehrere Gründe für kalte Finger

Wer aber länger im Freien steht, dem stellt sich automatisch die Frage: Warum werden diese Arbeiten nicht an wärmeren Tagen durchgeführt? Sigrist erläutert, es gebe mehrere Gründe dafür, hauptsächlich gehe es um den Wasserspiegel: «Im Winter ist das Wasser ruhig und konstant und wir haben einen tiefen Wasserspiegel. Die äusseren Bedingungen für den Bau an der Brücke sind im Winter also sehr günstig.» Ein höherer Wasserstand und stärkere Strömung erschwerten die Arbeiten auf der Schwimmplattform erheblich.

Das Nordportal der Kapellbrücke ist vorübergehend geschlossen. Der Durchgang ist dennoch möglich, dank einem «Hilfssteg».

Das Nordportal der Kapellbrücke ist vorübergehend geschlossen. Der Durchgang ist dennoch möglich, dank einem «Hilfssteg».

(Bild: pze)

Sigrist ergänzt, auch der Tourismus sei ausschlaggebend: «Der Anspruch von Luzern Tourismus ist, dass die Arbeiten vorzugsweise in einer touristenarmen Zeit durchgeführt werden.» Deshalb könne und solle man nicht im Sommer die Brücke teilweise absperren, da sei die Besucherfrequenz zu hoch. Wobei einem auch hier auffällt: Die Taucher könnten auch als Touristenattraktion durchgehen. Mehrere Menschen mit Selfiestick bleiben stehen, schauen zu oder fotografieren den ganzen Trubel.

 

Ein weiterer Grund sei der Naturschutz. Die Kapellbrücke ist ein Nistplatz einer seltenen Fledermaus-Art. Da gebe es klare Sperrzeiten, in denen keine Unterhaltsarbeiten am Unterbau der Brücke gemacht werden dürfen, so Sigrist. Die möglichen Termine sind also aus verschiedenen Gründen begrenzt – so muss jetzt in langen Unterhosen und einer Extraschicht Kleider am Wahrzeichen gebaut werden.

Auch einer der Seitenpfähle beim Nordportal ist angefault und wird jetzt ersetzt.

Auch einer der Seitenpfähle beim Nordportal ist angefault und wird jetzt ersetzt.

(Bild: pze)

Auch Spreuerbrücke wird saniert

Auch an der zweiten Luzerner Holzbrücke wird in den nächsten Tagen gearbeitet. Bei der Spreuerbrücke wurden kürzlich sogenannte Deformationsmessungen und Setzungskontrollen gemacht. Sigrist erläutert: «Diese gehören zum normalen Unterhalt und werden in einem gewissen Zeitintervall regelmässig durchgeführt.»

Das heisst: Es werden die Positionen von bestimmten Punkten auf der Brücke vermessen und über eine gewisse Zeit miteinander verglichen. Somit lassen sich Verschiebungen messen – beispielsweise nach Hochwassern oder Erdbeben. Sigrist erklärt: «Solche Messungen unternimmt man vor allem bei wichtigen älteren oder exponierten Bauwerken wie beispielsweise Brücken, Stützmauern oder Gebäuden. Im Falle der Spreuerbrücke wissen wir so genau, wie das Verhalten der Brücke ist.»

Ein Messsystem für die Kapellbrücke sei in Entstehung. Sigrist sagt: «Wir sind an der Aufgleisung eines Messkonzepts für die Kapellbrücke. Dieses sollte in den nächsten zwei Jahren in Betrieb genommen werden können.» Für die Spreuerbrücke seien kleinere Zimmermannarbeiten geplant. Auch dort muss morsches Holz ausgetauscht werden. Mit einem Schmunzeln fügt er hinzu: «Beide Brücken sollten dann für die Fasnacht wieder zurechtgemacht sein.»

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