Ein herber Verlust für die italienische Community

Italien verscherbelt sein Luzerner Haus

Die «Casa d'Italia» an der Obergrundstrasse 92 in Luzern ist seit ein paar Tagen leer. Die Mieter mussten ausziehen.

(Bild: web)

Die «Casa d’Italia» ist Geschichte: Nach 66 Jahren ist Schluss mit der Italianità an der Obergrundstrasse. Italien braucht Geld, die Liegenschaft wird verkauft, die Mieter wurden rausgeschmissen und das Haus ist jetzt leer. «Das ist jammerschade und himmeltraurig», sind sich Betroffene einig.

Das stattliche Haus gehört Italien. Untergebracht waren dort mehrere Institutionen, die allesamt etwas mit der italienischen Kultur zu tun haben. Zum Beispiel die Bibliotheca Dante Alighieri oder die Colonia Italiana.

Auch das Asilo Italiano ist seit über sechs Jahrzehnten hier daheim. In der Kindertagesstätte wurden rund 50 Kinder betreut. Das sind tempi passati: Seit dem 26. Dezember ist die Liegenschaft verlassen, die Spielgeräte stehen ungenutzt im Garten.

Die letzte Weihnachtsfeier

Die Tagesstätte wurde von der Stiftung Asilo Italiano geführt, die Kinder unter anderem von Klosterfrauen betreut. Diese wurden Mitte Dezember mit einem feierlichen Gottesdienst in der Kapellkirche verabschiedet und für die Kids gab es noch ein letztes Mal eine Weihnachtsfeier im schönen Haus mit Garten. Unterdessen sind die drei Klosterfrauen ausgezogen und in ihr Mutterhaus nach Italien zurückgekehrt.

Die letzte Weihnachtsfeier vor ein paar Tagen im Asilo Italiano.

Die letzte Weihnachtsfeier vor ein paar Tagen im Asilo Italiano.

(Bild: zVg)

Erfolgloser Diskussionsversuch

Die Hiobsbotschaft ist letzten Juli eingetroffen: Allen Mietern der «Casa d’Italia» wurde per Ende Januar gekündigt (zentralplus berichtete). Absender: der italienische Staat. Weil Italien auf einem riesigen Schuldenberg sitzt, werden derzeit viele Liegenschaften im Ausland verkauft. Davon wird auch die italienische Gemeinschaft in Luzern nicht verschont. Punkt.

«Wir haben alles versucht, um die Schliessung zu verhindern: erfolglos!», sagt Anton F. Steffen, Präsident der Stiftung Asilo Italiano. Sogar beim italienischen Botschafter haben sie angeklopft. Vergebens: Die Sache war geritzt, Diskussionen erfolglos.

«Der abrupte Rausschmiss nach so vielen Jahrzehnten ist schlimm und zeugt von null Wertschätzung», sagt Steffen, der sich seit 1993 für das Asilo engagiert. Der CVP-Alt-Kantonsratspräsident wurde von Asilo als Stiftungspräsident an Bord geholt, weil er auch ein politischer Strippenzieher war und sich so für die italienische Community einsetzen konnte.

«Italien verscherbelt etwas, das die Community aufgebaut hat. Es ist einfach das Letzte.»
Anton F. Steffen, Präsident Stiftung Asilo Italiano

Wütend macht Steffen insbesondere, dass der italienische Staat eine Liegenschaft verkauft, für die andere bezahlt haben: «Es waren die italienischen Arbeiter in Luzern, die 1939 den Hauskauf mit Spenden in der Höhe von 62’000 Franken ermöglichten», erzählt er. Mit dieser Summe konnte bei der Bank die nötige Anzahlung gemacht werden. Formal wurde das Haus jedoch vom italienischen Staat gekauft, der jetzt auch den Verkaufserlös einstreichen wird. «Italien verscherbelt etwas, das die Community aufgebaut hat. Es ist einfach das Letzte», sagt Steffen. 

Hausverkauf läuft über Rom

Ob schon ein Käufer gefunden ist und zu welchem Preis das Haus überhaupt angeboten wird, weiss man bei der  Stiftung nicht. Gemäss Steffen haben sich viele Interessenten gemeldet, die einen Augenschein nehmen wollten. «Aber das läuft alles über Rom und wird dort verhandelt. Wir sind darüber nicht informiert.»

Die italienische Flagge auf der Rückseite des Hauses mag schon jetzt nicht mehr richtig flattern.

Die italienische Flagge auf der Rückseite des Hauses mag schon jetzt nicht mehr richtig flattern.

(Bild: web)

Die «Casa d’Italia» hat eine lange Geschichte. Bereits 1896 gab es in Luzern eine italienische katholische Mission, denn viele Italiener arbeiteten in der Zentralschweiz an Bauprojekten wie etwa dem Gotthardtunnel. Für die Gastarbeiter wurde es immer wichtiger, für sich und ihre Familien einen eigenen Treffpunkt inklusive Bildungsangebot für ihre Kinder zu haben. Don Guido Trigatti, Missionar für Luzern, griff 1950 diesen Wunsch auf. Innert ein paar Monaten wurde eine Kindertagesstätte gegründet, um die Zusammenführung der Familien zu ermöglichen: das Asilo Italiano Lucerna.

Italienische Wurzeln pflegen

Geführt wurde die Kindertagesstätte bis zuletzt von drei scalabrinianischen Missionsschwestern, unter Mitarbeit von zweisprachigen Lehrpersonen. Ein wichtiges Anliegen war dem Asilo nämlich auch, dass die italienischen Kinder ihre kulturellen und sprachlichen Wurzeln kennen und pflegen.

Davon profitiert hat auch Marino Svalduz. «Als Jugendlicher lernte ich hier Italienisch», erinnert sich der 73-Jährige, dessen Familie schon 1909 von Italien nach Luzern eingewandert ist. «Meine Kollegen hatten schulfrei und ich musste büffeln. Das ärgerte mich damals natürlich – dafür beherrsche ich die italienische Sprache schriftlich und mündlich perfekt.»

Ausgespielt und ausgelernt: Die Kinder werden hier nicht mehr betreut.

Ausgespielt und ausgelernt: Die Kinder werden hier nicht mehr betreut.

(Bild: web)

Marino Svalduz blieb dem Asilo jahrzehntelang verbunden: Er gehört zu den Mitbegründern der Stiftung, die 1993 die katholische Mission ablöste, und engagierte sich zudem für die «Colonia Italiana di Lucerna». Dieser Versammlungsort für Italiener der ersten, zweiten und mittlerweile dritten Generation war ebenfalls im Haus an der Obergrundstrasse daheim und steht jetzt ohne Lokal da.

«Das ist traurig und ungerecht gegenüber den italienischen Arbeitern, die das alles aufgebaut haben.»
Marino Svalduz, Mitbegründer Stiftung Asilo Italiano

Die Colonia habe heute etwas an Bedeutung verloren, sei jedoch wesentlich am Aufbau der «Casa d’Italia» beteiligt gewesen und habe eine Brückenfunktion zwischen den Italienern und ihrer neuen Heimat erfüllt. «Vermutlich wird es keinen neuen Versammlungsort mehr geben», sagt Svalduz, der ebenfalls kein Verständnis für die Kündigungen und den Verkauf der Liegenschaft hat. «Das ist traurig und ungerecht gegenüber den italienischen Arbeitern, die das alles aufgebaut haben», sagt er.

«Unsinnige Verordnung»

Nebst dem italienischen Staat sieht Anton F. Steffen noch einen weiteren Grund für den schwierigen Stand des Asilos, der die Kindertagesstätte enorm gefordert habe: die Verordnungen der Stadt Luzern für die Kindertagesstätten (KITAS), die vor ein paar Jahren eingeführt wurden und die auch für das Asilo galten: Auf fünf Kinder muss eine Betreuungsperson kommen.

«Eine unsinnige Verordnung für unsere Institution, die quasi rund um die Uhr von den Klosterfrauen betreut wurde», sagt er. «Die Kosten haben sich dadurch etwa verdreifacht. Für die nächsten Jahre wäre das eine grosse finanzielle Herausforderung gewesen.» Immerhin ein Problem, mit dem sich die Stiftung nicht mehr herumschlagen muss. Die rund 50 Kinder, die im Asilo ein und aus gingen, müssen jetzt anderswo untergebracht werden.

Das stattliche Haus ist verlassen, auch die Klosterfrauen sind ausgezogen.

Das stattliche Haus ist verlassen, auch die Klosterfrauen sind ausgezogen.

(Bild: web)

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