Hinein ins Getümmel des Zuger Märlisunntig

«Oh là là», ruft das Kind dem Drachen zu

Irgendwas gibt's oben zu bestaunen: Kinder am Zuger Märlisunntig.

(Bild: wia)

Es ist Zuger Märchensonntag! Wie, wir sind zu alt dafür? Das wollen wir gleich herausfinden und stürzen uns kurzum ins Getümmel. Stunden später kommen wir wieder raus aus der märchenhaften Altstadt und finden: Nö, definitiv noch jung genug! Denn uns hat’s gefallen. Trotz Steeldrum-Band.

Da wird gelogen, dass sich die Balken biegen. Bären werden im Akkord aufgebunden, das Blaue wird einem vom Himmel runter erzählt. Hier eine Prinzessin, da ein Drachen, hier in der Zuger Altstadt wird man jährlich einmal zum Narren gehalten. – Ja, Narren hat’s nämlich auch.

Niemandem scheint das ganze Gelüge was auszumachen. Nein, im Gegenteil: Am Zuger Märchensonntag wird man endlich mal in Ruhe gelassen vom ganzen Trump-Gefasel und Spar-Gequatsche. Die Geschichten hier sind herzerwärmend, mitreissend – und haben immer ein gutes Ende. Das wollen wir uns nicht entgehen lassen. Und stürzen uns rein ins Getümmel.

Nicht nur den Kindern zuliebe

Der Landsgemeindeplatz ist voller Knirpse mit ihren Erwachsenen. Die Nasen der kleinen Menschen sind vor Kälte, die der Grossen vor Glühwein-Glückseligkeit gerötet. Schnell wird klar: Man ist nicht nur den Kindern zuliebe hier. Hier trifft man Bekannte, stösst gemeinsam aufs zu Ende gehende Jahr an, knabbert Guetzli vom Schmutzli, darf Kutsche fahren und natürlich Märchen hören. Und das sogar auch ganz ohne Kinder.

Sami Nigginäggi! Ein furchtloses Kind tritt dem Samichlaus entgegen.

Sami Nigginäggi! Ein furchtloses Kind tritt dem Samichlaus entgegen.

(Bild: wia)

Denn der eine oder die andere ist ganz ohne Nachwuchs gekommen und das scheint auch gar nicht aufzufallen. Ein älterer Herr mit Wanderstöcken sucht sich seinen Weg durch die Neugasse, bleibt alle paar Meter stehen: Beim Samichlaus, der würde- und liebevoll dem scheuen «Sami Nigginäggi» lauscht, bevor er das tapfere Kind mit Nüssli und Schöggeli belohnt. Bei der Steeldrum-Band, die ein wenig karibische Wärme in die ganze Chose bringt. Wenn’s denn wenigstens funktionieren würde. Denn nach nur zehn Minuten Flanieren wird klar, dass es ein kapitaler Fehler war, die Angorasocken nicht an den Füssen, sondern zu Hause im Schrank zu lassen.

Der Esel will nicht mehr

Am Kolinplatz stehen Kinder in einer kleinen Schlange, vor dem vordersten Kind ein Treppchen. «Eselreiten 2 Franken» steht auf einem Schild daneben. Einige der Knirpse quengeln bereits. Ob sie schon länger dort stehen? 50 Meter weiter vorne die Bestätigung. Der flauschige Esel, auf dem ein ziemlich gelangweiltes Kind sitzt, macht keinen Wank. Geht weder vor noch zurück, es scheint ihm ganz wohl zu sein, so mitten auf der Strasse.

Ein Kind brüllt. Die Mutter zieht alle Register und versucht es mit einem: «Vielleicht hat es hier vorne Kamele!», zu besänftigen. Das Kind denkt wohl, die spinnt. Auch wenn ihr Input gar nicht abwegig ist. Bis vor einigen Jahren waren am Märchensonntag tatsächlich Höckertiere am Start. Heuer gibt’s bloss einen sturen Esel und ein paar ängstliche Schafe im engen Gehege. Ob der Aus-der-und-für-die-Region-Trend auch hier Einzug gehalten hat? Niemand weiss es.

Ob das Kind weiss, dass Lamas spucken können?

Ob das Kind weiss, dass Lamas spucken können?

(Bild: wia)

Aufgekratzt, doch überhaupt nicht murrig

Wir machen uns auf den Weg zum Pulverturm, denn was wäre ein Märchensonntag ohne Märchen? Reihen uns in die Schlange ein. Was hier überhaupt zum Besten gegeben wird? Ein Kind munkelt etwas von Drachen und Prinzessin. Grossartig, was will man mehr. Die Schlange wird immer länger und länger, die Kinder immer aufgekratzter,  die Füsse immer tauber.

Das Mädchen im blauen Prinzenkostüm erklärt, dass wir Glück hätten, denn es gäbe eine Zusatzaufführung. Nach etwa 20 Minuten Wartezeit – kein Kind hat gebrüllt, im Gegenteil, alle scheinen ganz happy zu sein – dürfen wir in den geschichtsträchtigen Turm. Eine halbe Stunde dauert die Sache, verrät das Programm. So lange? Oje, denken wir.

Zug im besten Licht.

Zug im besten Licht.

(Bild: wia)

Es geht los. Was wir aufgetischt bekommen, ist ein tolles Märchen, wie man es sich nicht besser hätte wünschen können. Mit einer geraubten Prinzessin, einem Fiesling von Drachen, einem netten, schmächtigen sowie einem doofen, muskulösen Ritter und natürlich einer saftigen Moral. Nicht ganz überraschend: Der Schmächtige erhält letztlich wegen seiner Bescheidenheit ein Königreich inklusive Prinzessin geschenkt.

Das Ganze ist grossartig. Alle fiebern mit, freuen sich ob der musikalischen Untermalung der Figuren, ob der Befreiung der lieben Prinzessin, ob dem Drachen, der richtigen Rauch speit. «Oh là là», ruft ein kleines Mädchen in der vordersten Reihe.

Obacht, hier brennt's. Dem Kind gefällt's.

Obacht, hier brennt’s. Dem Kind gefällt’s.

(Bild: wia)

Wir wollen kein Königreich

Recht hat sie. Und wie «Oh là là» das war! Nach einer halben Stunde verlassen alle den Turm ganz glücklich. Die Wintersonne geht unter, die Altstadt zeigt sich von ihrer besten Seite.

Und trotz aller Glückseligkeit, trotz Glühwein und Zuckerwatte. Wunschlos glücklich sind wir nicht. Auf dem Fussweg in Richtung Bahnhof denken wir immer wieder: Ein Königreich zu bekommen, ist ja gut und recht. Aber wir wollen was ganz anderes. Wir gäben es her, das Königreich inklusive Prinzessin, täten alles für ein Paar warme Kamelhaarsohlen!

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