Was bringt das neue Label?

Luzern will die erste «Grünstadt» der Schweiz werden

Grüne Oasen wie das Inseli stehen durch den Bauboom unter Druck – das Label soll sie besser schützen.

(Bild: Montage: zentralplus)

Die Stadt Luzern will ihre Grünflächen schützen. Neue Stadtpärke gibt es deswegen allerdings nicht. Stattdessen ein neues Label, das die Stadt Luzern bis nächsten Sommer ergattern will. Wie viel das kostet, ist völlig offen.

In der Ufschütti treffen sich bei schönem Wetter Hunderte zum Grillieren und Sonnetanken, auf dem Dietschiberg suchen an schönen Herbsttagen scharenweise Leute Erholung in der Natur, im Vögeligärtli tummeln sich über den Mittag Dutzende auf den Bänkli und dem Rasen: Grüne Inseln sind in Städten meist selten und werden von der Bevölkerung umso mehr geschätzt.

Die Stadt Luzern will ihren Grünflächen künftig höhere Priorität einräumen. Die Stadt strebt bis nächsten Sommer das neu geschaffene Label «Grünstadt Schweiz» an. Damit werden Gemeinden ausgezeichnet, die ihre Grünräume besonders nachhaltig gestalten. Luzern gehört gemeinsam mit der Waadtländer Gemeinde Ecublens und den Städten Basel und Winterthur zu den vier Pilotgemeinden.

Das Ziel des Labels: Gemeinden zu einem bewussteren Umgang mit ihrer Natur zu verhelfen – im Fachjargon «Grünflächenmanagement» genannt. Dabei geht es nicht nur um Parks und Wiesen, sondern um alle öffentlichen Grünräume, also auch um Naturschutzgebiete, Friedhöfe, Innenhöfe, Sport- und Spielplätze.

«Grünräume prägen das Gesicht einer Stadt und sind ein sichtbares Zeichen für deren Attraktivität.»

Adrian Borgula, Stadtrat

«Es wird immer verdichteter gebaut. Dadurch nimmt der Druck auf die Grünräume stetig zu», sagt Cornel Suter, Leiter der Luzerner Stadtgärtnerei. «Mit dem Label Grünstadt Schweiz kann man sie gezielter entwickeln und schützen.» Auch Stadtrat Adrian Borgula (Grüne) spricht davon, dass die Qualität und die Verfügbarkeit von Grünräumen für die Lebensqualität durch die Verdichtung noch wichtiger würden. «Grünräume prägen das Gesicht einer Stadt und sind ein sichtbares Zeichen für deren Attraktivität.»

Um das Label zu erhalten, muss Luzern bis nächsten Sommer eine bestimmte Punktzahl aus 60 vorgegebenen Massnahmen erreichen. Viele davon sind sehr abstrakt und betreffen die strategische Ebene. Da geht es beispielsweise darum, dass die Stadt ein Leitbild für den Umgang mit ihren Grünflächen hat, dass sie für die Förderung des Stadtgrüns genügend Geld bereitstellt oder die Biodiversität fördert. Der Katalog enthält aber auch Konkretes: So muss die Stadt etwa nachhaltigen Dünger und regionalen Kompost verwenden oder Unkraut ohne Herbizide bekämpfen.

Regionaler Kompost und Biodünger

Die ersten Massnahmen sind bereits realisiert oder in Gang gesetzt worden. Die Stadtgärtnerei macht beispielsweise auf einem Sportplatz auf der Allmend bei einem Versuch mit organischem Dünger mit. «Wir produzieren eigenen Kompost und testen nun, wie wir den als Dünger auf Rasen- und Sportplätzen einsetzen und so den Kreislauf schliessen können», sagt Suter und fügt mit merklichem Stolz an: «Wir haben sogar Kompost nach Zürich geliefert für einen gleichwertigen Versuch auf Sportanlagen.»

«Luzern erhält sicherlich ein lebendigeres und vielfältigeres Stadtgrün.»

Cornel Suter, Leiter Stadtgärtnerei

In einem bis zwei Jahren könne man analysieren, wie sich der Boden auf den betroffenen Fussballfeldern verändert hat. Cornel Suter betont, dass dieser Versuch nicht auf den Hauptfeldern oder in der swissporarena stattfindet, sondern auf einem Nebenplatz. Man sehe und spüre zurzeit nichts davon.

Blick in die Kompostierung: Mit den Abfallprodukten macht die Stadtgärtnerei zurzeit bei einer Versuchsdüngung mit.

Blick in die Kompostierung: Mit den Abfallprodukten macht die Stadtgärtnerei zurzeit bei einer Versuchsdüngung mit.

(Bild: zvg)

Anders war dies bei der Aktion «Luzern grünt» diesen Herbst: Über 2100 Wildsträucher warteten beim Verkehrshaus auf neue Besitzer. Damit mehr einheimische Pflanzen rund um die Luzerner Häuser wachsen, hat die Stadt gratis Wildsträucher angeboten – vom Holunder bis zum Haselstrauch.

Die Idee: Einheimische Sträucher dienen der Tierwelt viel besser als exotische Pflanzen oder immergrüne Ziersträuche, die zwar hübsch aussehen, die züchtungsbedingt aber gar keine Früchte tragen oder nur solche, mit denen die hiesigen Vögel und Insekten nichts anzufangen wissen. Am Weissdorn beispielsweise finden über 250 einheimische Vogelarten und Insekten Nahrung. Die Aktion ist zwar nicht neu, aber erfüllt damit genau eines der Ziele von Grünstadt Schweiz und wird deshalb bei der Zertifizierung angerechnet.

Die Stadt verteilte im November gratis über 2100 Wildsträucher.

Die Stadt verteilte im November gratis über 2100 Wildsträucher.

(Bild: jal)

Mehr als grünes Image?

Wird Luzern durch das Label also grüner? «Nicht in dem Sinne, dass grossflächig mehr Parks oder Wiesen entstehen würden», sagt Cornel Suter, der oberste städtische Gärtner. «Aber Luzern erhält sicherlich ein lebendigeres und vielfältigeres Stadtgrün.»

Entsprechend weist er auch den Vorwurf zurück, dass sich die Stadt mit dem Label lediglich einen grüneren Anstrich verpasst, ohne viel dafür zu tun – im Marketing «Greenwashing» genannt. «Klar geht es unter anderem auch darum, dass sich die Stadt ein grüneres Image verschafft», so Suter. Das eigentliche Label sei aber nur eine Nebensache. «Das Wertvolle sind für uns der Prozess und die Inhalte. Dadurch erhalten wir ein Instrument für unsere tägliche Arbeit.»

Ein neu erstelltes Biotop auf der Allmend.

Ein neu erstelltes Biotop auf der Allmend.

(Bild: zvg)

Konkret nennt er zwei Beispiele: Wenn ein Baum auf einer Baustelle oder das Inseli bei einer Veranstaltung geschützt werden sollen, biete das Label ein stichfestes Argument dafür. Bedeutet das Label dann nicht zugleich Einschränkungen, etwa für Bauherren, die Politik oder die Wirtschaft? Cornel Suter verneint: «Vieles läuft bereits heute so, aber uns fehlt die Grundlage. Die schaffen wir nun damit.»

Zu viele Labels?

Das Label ist erst vor kurzem aus der Taufe gehoben worden und eine weitere Medaille, mit der sich Gemeinden schmücken können (siehe Box). Luzern ist beispielsweise bereits Energiestadt und verpflichtet sich damit zum Energiesparen. Zug hat ein Zertifikat als kinderfreundliche Gemeinde, Glarus Nord kann sich seit diesem Frühling erste Schweizer Fair-Trade-Town nennen. Kurz: Labels für Gemeinden sind inzwischen grad so zahlreich wie jene für Bioprodukte.

«Die Rückmeldungen der Gemeinden sind durchwegs positiv.»

Pascale Haas, Geschäftsführerin Grünstadt Schweiz

«Tatsächlich gibt es viele Labels für Gemeinden, deshalb hat der Stadtrat auch intensiv über das Label Grünstadt diskutiert», sagt Stadtrat Adrian Borgula. Wie Cornel Suter findet auch Borgula: «Das Label und Image der Stadt sind sekundär.» Zentral sei die Wirkung, und da erwarte man vom Label Grünstadt Ähnliches, wie das Energiestadt-Label beim Klimaschutz erreicht habe. Das Label und das Image würden aber helfen, der Bevölkerung den Nutzen der Nachhaltigkeit im Umgang mit den Grün- und Freiräumen aufzuzeigen.

7000 Franken für Lizenz

Auch bei Grünstadt Schweiz spürt man trotz der Labelschwemme keinen Überdruss. Pascale Haas, Geschäftsführerin bei «Grünstadt Schweiz», sagt, die Rückmeldungen der Gemeinden seien durchwegs positiv. Sie ist zuversichtlich, dass nach der Pilotphase weitere Gemeinden einsteigen.

Grünstadt – das neue Label

Trägerschaft von «Grünstadt Schweiz» ist die Vereinigung Schweizer Stadtgärtnereien und Gartenbauämter (VSSG). Sie hat das Label entwickelt. Auch die Luzerner Stadtgärtnerei war in den dreijährigen Vorarbeiten involviert. In dieser Entwicklungsphase hat das Projekt vom Bund einen Betrag von rund 250’000 Franken erhalten, 2016 und 2017 wird es vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) unterstützt.

Die Luzerner Stadtgärtnerei unterhält 55 öffentliche Spielplätze, pflegt rund 8500 Bäumen in Parks sowie 3500 Bäume entlang von Strassen und ist für knapp 1,5 Millionen Quadratmeter Rasen, Wiesen, Hecken und Pflanzungen zuständig.

Dass mit Basel, Winterthur und Luzern vorwiegend linksdominierte Städte dabei sind, dürfte kaum ein Zufall sein. Doch bei Grünstadt Schweiz ist man der Überzeugung, dass Nachhaltigkeit heute ein Ziel sei, das viele Städte verfolgen, unabhängig von ihrer politischen Couleur.

Gratis ist die Auszeichnung «Grünstadt» allerdings nicht zu haben. Laut Pascale Haas von Grünstadt Schweiz wird Luzern eine einmalige Lizenzgebühr von 7000 Franken berappen müssen. Dazu kommen Kosten für die externe Beratung während der Umsetzung. Wie viel diese ausmachen, will Haas nicht beziffern.

Auch bei der Stadt Luzern sind keine konkreten Zahlen zu den Kosten in Erfahrung zu bringen. «Die Kosten von Grünstadt Schweiz verteilen sich auf mehrere Jahre, sind in unterschiedlichen Projekten vernetzt und mit unterschiedlichen Zuständigkeiten verbunden», sagt Stadtrat Adrian Borgula auf Anfrage. «Eine Gesamtkostenschätzung ist deshalb nicht möglich.»

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