Revolution bei der Immobiliensuche?

Mit dem Smartphone in Luzern auf Wohnungsjagd

Es ist nicht einfach, eine freie Wohnung in Luzern zu finden. Eine neue App-Funktion soll Abhilfe schaffen.

(Bild: pbu)

Der Online-Vergleichsdienst Comparis möchte die Wohnungssuche revolutionieren. Mittels der App-Funktion «Around me» werden Nutzer in bester Pokémon-Go-Manier mit dem Smartphone auf Wohnungsjagd geschickt. Schöne neue Welt oder bloss voyeuristische Spielerei? zentralplus machte den Test.

Die kleinen Monster tauchten überall auf, sei es in der Altstadt, beim Inseli oder beim Löwendenkmal. Luzern war im vergangenen Sommer einer der Pokémon-Go-Hotspots der Schweiz (zentralplus berichtete). Zu Hunderten bevölkerten meist junge Menschen die Luzerner Gassen und frönten mit ihren Smartphones der heiteren Monsterjagd.

Was man auch von diesem Trend halten mag, er hat vor allem eines gezeigt: Es steckt viel Potenzial in der sogenannten Augmented-Reality-Technologie (siehe Box). Das hat man auch bei Comparis erkannt. Seit Ende Oktober bietet der Online-Vergleichsdienst mit «Around me» eine neue Funktion für seine Immobilien-App an. Eine «neue Dimension der Wohnungssuche» tue sich damit auf, lobpreiste Comparis das Feature.

Erweiterte Realität

Augmented Reality (oder erweiterte Realität) meint grob gefasst die computergestützte Erweiterung der menschlichen Wahrnehmung der Realität. Im engeren Sinne ist damit meistens die Einblendung von visuellen Zusatzinformationen oder Objekten auf einem entsprechenden Gerät gemeint, und zwar in Echtzeit. Die Zusammenführung dieser beiden Welten wird oft auch als Mixed Reality bezeichnet.

Augmented Reality macht dort Sinn, wo die reelle Welt noch sichtbar sein soll und zusätzliche Informationen von Nutzen sein können – die Anwendungsbereiche sind deshalb vielseitig. Im Fall von «Around me» handelt es sich um die Einblendung von visuellen Zusatzinformationen auf dem Smartphone.

Wie viel hat der Vormieter bezahlt?

Wir wagten die Probe aufs Exempel und gingen in der Stadt Luzern auf Wohnungsjagd. Die Handhabung von «Around me» ist simpel. Richtet man sein Smartphone auf ein Haus oder in eine Strasse, werden im jeweiligen Umkreis alle zur Miete oder zum Verkauf angebotenen Immobilien angezeigt. Grüne Punkte ersetzen die Pokémons und fungieren zugleich als Türöffner für weitere Informationen wie Preis und Ausstattung des begehrten Objekts. Aggregiert werden dazu alle Inserate der 17 grössten Immobilienportale der Schweiz.

Mit gängigen Filtern lässt sich die Suche spezifizieren. Ausserdem lassen sich mit der «Around me»-Funktion auch alte Inserate und damit frühere Preise desselben Objekts anzeigen. So lässt sich die Mietpreisentwicklung der entsprechenden Wohnung verfolgen und der Wohnungssuchende erfährt, wie viel die Vormieter für die Räumlichkeiten bezahlt haben – eine Formularpflicht in verkappter Form sozusagen. Oder doch eher ein dankbares Tool für den digitalen Voyeur?

Zielsicher zur neuen Wohnung

Wie dem auch sei, wir starten unseren Versuch im trendigen Bruchquartier. Filter setzen wir keine. Sogleich erscheint ein gutes Dutzend grüner Punkte auf dem Smartphone-Display, während wir die Kamera auf die Häuserreihe entlang der Zähringerstrasse richten (siehe Fotos). Von hier aus lässt sich in Erfahrung bringen, dass gleich um die Ecke, an der Kasimir-Pfyffer-Strasse, ein WG-Zimmer ausgeschrieben ist. Darüber wollen wir mehr wissen.

Ums Eck gebogen stehen wir auch schon vor dem Gebäude. Zielsicher lotst uns die App zur Immobilie. Weiter zeigt sich, dass es sich hierbei um ein 20 Quadratmeter grosses Zimmer in einer Zweier-WG handelt, welches man ab dem 1. Januar 2017 beziehen kann und das monatlich 1100 Franken kostet. Die Inserentin sei berufstätig, 37 Jahre alt, sportlich unterwegs und gemütlichen Abenden zu Hause nicht abgeneigt. Eine detaillierte Objektbeschreibung sowie Kontaktinfos sind ebenfalls aufgeführt.

Was hingegen fehlt, sind frühere Inserate des Objekts und damit die Möglichkeit, den aktuellen Mietpreis im Zeitverlauf zu vergleichen. Da es sich hierbei allerdings lediglich um ein WG-Zimmer und nicht um eine Mietwohnung handelt, ist dieser Umstand nicht weiter verwunderlich.

Die grünen Punkte weisen den Weg zum Objekt der Begierde.

Die grünen Punkte weisen den Weg zum Objekt der Begierde.

(Bild: pbu)

Wie festgeklebt bleiben die Punkte am Boden liegen.

Wie festgeklebt bleiben die Punkte am Boden liegen.

(Bild: pbu)

Wohnen im Untergrund

Wir suchen weiter. Dieses Mal direkt an der Bruchstrasse. Eine nette Wohnung entlang von Luzerns Velo-Highway – das wär’s doch. Nur, die Comparis-App scheint uns nicht wohlgesinnt zu sein. Zwar zeigen die vielen grünen Punkte an, dass es hier freie Wohnfläche gibt, aber die Ortungsfunktion von «Around me» scheitert an dieser Stelle kläglich.

Die grünen Punkte befinden sich nämlich nicht an den Gebäuden, sondern liegen auf der Strasse. Auch das Beenden und Neuöffnen der App ändert nichts daran – offenbar existieren mehrere Bunkerwohnungen unterhalb der Bruchstrasse. Nichts für Liebhaber sonnenlichtdurchfluteter Stuben. Ziehen wir also weiter und versuchen unser Glück im etwas vornehmeren Wesemlin/Dreilinden-Quartier.

Immense Mietpreisunterschiede

Dort gibt es ein ansprechendes «Bijou mit Garten und Terrasse» in einem Zweifamilienhaus. Das kommt dem Wunsch nach hellen Räumen etwas näher. Die 4 Zimmer beherbergende Maisonette-Wohnung umfasst stolze 120 Quadratmeter und schlägt mit 3040 Franken zu Buche.

Interessant wird es, wenn man sich die früheren Inserate dieses Objekts ansieht. Zunächst zeigt sich, dass die Wohnung seit September 2012 schon sieben Mal inseriert wurde. Der monatliche Mietpreis schwankte über die Jahre zwischen 2742 und 3200 Franken. Das macht eine Differenz von 458 Franken – für dasselbe Objekt notabene.

Noch krasser wird’s an unserer letzten Station in der Neustadt. An der Hirschmattstrasse steht ein Altbau aus dem Jahr 1912, in dem ab Februar 2017 eine 2-Zimmer-Wohnung in der vierten Etage frei wird. Inklusive Nebenkosten bezahlt man für die 62 Quadratmeter 1900 Franken.

Die früheren Inserate dieser Wohnung reichen bis ins Jahr 2013 zurück. Ganze 15 Mal wurde das Objekt seither inseriert. Der monatliche Mietzins schwankt dabei zwischen aktuell 1900 und stolzen 3450 Franken. Diese Differenz von 1550 Franken ist zwar schwerlich nachvollziehbar. Falls die Daten jedoch stimmen, dann wäre jetzt genau der richtige Zeitpunkt, sich um den Zuschlag für das Objekt zu bemühen.

Mit wenigen «Klicks» findet man alle relevanten Daten zum Mietobjekt ...

Mit wenigen «Klicks» findet man alle relevanten Daten zum Mietobjekt …

(Bild: pbu)

 

... und erfährt zudem, wie viel die Vormieter bezahlt haben.

… und erfährt zudem, wie viel die Vormieter bezahlt haben.

(Bild: pbu)

Ein riesiger Haufen Daten

Unser Fazit: Abgesehen von kleineren Kinderkrankheiten wie den «Asphaltwohnungen» im Bruchquartier funktioniert die App erstaunlich gut. In Windeseile bekommt man nicht nur die verfügbaren Mietobjekte angezeigt, sondern hat auf einen Blick auch gleich alle relevanten Daten dazu und kann obendrein den aktuellen Mietpreis mit vergangenen vergleichen.

Auf der anderen Seite werden über die Immobilien-App von Comparis eine Menge Daten gesammelt, zumal «Around me» ohne aktivierte Ortungsdienste auf dem Smartphone verständlicherweise nicht funktioniert. Comparis beteuert zwar, diese Daten nicht an Dritte weiterzugeben (siehe Interview unten), datenschutzrechtliche Bedenken aber bleiben.

«Anstatt mühsam Postleitzahlengebiete in den Suchfilter einzutippen, läuft man in seinem favorisierten Quartier umher, sucht nach Wohnungen und kann sich anschauen, was die Nachbarschaft zahlt.»

Paul Kummer, CEO Comparis

Der Voyeur an der Bushaltestelle

Schliesslich darf bezweifelt werden, ob «Around me» die künftige Immobiliensuche tatsächlich nachhaltig verändern wird, wie das Comparis-Chef Paul Kummer Ende Oktober prophezeite. «Anstatt mühsam Postleitzahlengebiete in den Suchfilter einzutippen, läuft man in seinem favorisierten Quartier umher, sucht nach Wohnungen und kann sich anschauen, was die Nachbarschaft zahlt», wird Kummer in der entsprechenden Medienmitteilung zitiert.

Zugegeben, die Augmented-Reality-Technologie von «Around me» ist eine nette, innovative Spielerei, die künftig sicherlich vermehrt zum Einsatz kommen wird. Viel mehr als eine Spielerei ist die App jedoch nicht. Eher Ergänzung als Ersatz. Ob es nun mühsamer ist, von zu Hause aus Postleitzahlen in den Suchfilter einzutippen, oder sich regelmässig in sein favorisiertes Quartier zu begeben, um dort seine Wunschbleibe eventuell direkt mit dem Smartphone einzufangen, muss jeder für sich entscheiden.

Viel wahrscheinlicher als eine Revolution bei der Immobiliensuche ist allerdings, dass die erweiterte Realität von «Around me» vor allem dann zum Zug kommt, wenn sonst grad nichts läuft. Wenn man auf den Bus wartet zum Beispiel. Während der «toten» Zeit kann man sich gerne anschauen, was die Nachbarschaft so an Mieten bezahlt. Soll ja ein beliebter Volkssport sein – der sich indes auch am heimischen PC ausüben lässt.

Bei Comparis nachgefragt

zentralplus: Wieso bietet der Online-Vergleichsdienst Comparis über seine Immobilien-App neu die Funktion «Around me» an?

Jean-Claude Frick: Als Unternehmen sind wir bemüht, uns und unser Geschäftsmodell stets weiterzuentwickeln. Eines unserer Innovationsprojekte beschäftigte sich damit, das Thema Augmented Reality für den Immobilienmarktplatz und die Wohnungssuchmaschine von Comparis nutzbar zu machen. Die Idee von «Around me» kam uns also bereits lange vor dem Pokémon-Go-Hype. Wir gehen davon aus, dass die neue Funktion in unserer App den Usern eine spannende neue Möglichkeit für die Wohnungssuche bietet und dem Zeitgeist entspricht.

zentralplus: Wie schätzen Sie das Potenzial von «Around me» ein?

Frick: Inzwischen greifen mehr Leute über Smartphone oder Tablet auf das Internet zu als vom Desktop-PC. Viele Internetaktivitäten wie Online-Shopping oder Online-Banking verlagern sich sukzessive auf mobile Endgeräte. Gerade für Smartphones ist das Potenzial enorm, denn man hat sie immer dabei. Die Wohnungssuche wird sicher auch in Zukunft teilweise noch am heimischen PC stattfinden, aber wir gehen davon aus, dass auch in diesem Bereich das Smartphone weiter an Relevanz gewinnt. Gerade wenn man in einem bestimmten Quartier oder Ort unterwegs ist, um sich generell die Wohnsituation anzuschauen, ist es doch naheliegend, dass man die Vor-Ort-Recherche mit mobilen Angeboten unterstützt.

Jean-Claude Frick, Digital- und Telecom-Experte bei Comparis.

Jean-Claude Frick, Digital- und Telecom-Experte bei Comparis.

(Bild: zvg)

zentralplus: Ist der Aufwand, sich eine Wohnung vor Ort zu suchen, nicht grösser als bequem von zu Hause aus?

Frick: Im Gegenteil. Handy zücken und schauen, welche Angebote es im Umkreis gibt, ist einfach und intuitiv. Abgesehen davon kann man beide Möglichkeiten auch komplementär nutzen.

zentralplus: Sie werben unter anderem damit, dass sich mit «Around me» auf einfache Art herausfinden lässt, was die Nachbarschaft bezahlt. Bedienen Sie mit der Möglichkeit des ungenierten Herumstöberns nicht die «Gelüste» des digitalen Voyeurs?

Frick: Natürlich könnte man das so sagen, aber das ist selbstverständlich nicht unsere Motivation hinter der App. Wir speichern die Preise ehemaliger Inserate und zeigen diese lediglich dem User bei Bedarf an. So kann verglichen werden, was eine Wohnung oder Immobilie früher gekostet hat. Natürlich geschieht dies im Rahmen des gesetzlich Erlaubten. Möchte ein Hauseigentümer oder Vermieter explizit nicht, dass alte Preise angezeigt werden, kann er uns diesbezüglich kontaktieren. Wir sind allerdings der Meinung, dass diese Information für den Konsumenten einen enormen Mehrwert hat und zur Markttransparenz beiträgt.

zentralplus: Wie steht es um die Nutzerdaten – um «Around me» nutzen zu können, muss die Ortungsfunktion des Smartphones aktiviert sein. Was geschieht mit diesen Daten?

Frick: Es ist richtig, dass die Ortung zur Positionsbestimmung aktiviert sein muss. Die Nutzung der App kann aber völlig anonym erfolgen. Es ist grundsätzlich kein Login oder eine sonstige Identifizierung notwendig, um «Around me» zu nutzen. Lediglich um die früheren Inserate anzuschauen, muss man eingeloggt sein. Auch wenn man ein Suchabo erstellen möchte, bleibt man nicht anonym. Wir speichern zwar die Sucheingaben und Location-Daten in der App, aber wir geben diese Daten nicht an Dritte weiter.

zentralplus: Werden die Inserate, auf welche die App zurückgreift, von Comparis auf ihre Aktualität hin überprüft?

Frick: Bei den Inseraten in der App handelt es sich um dieselben Inserate, die wir in der Immobiliensuche auf unserer Seite zur Verfügung stellen. Die meisten Online-Immobilien-Portale beliefern uns direkt per Schnittstelle mit ihren Anzeigen, daher sind die Inserate tagesaktuell.

zentralplus: Haben Sie erste Rückmeldungen von Nutzern der neuen Funktion?

Frick: Bisher haben wir viele positive Rückmeldungen erhalten und den Wunsch, die «Around me»-Funktion bald auch für Android zu bringen.

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