Ruhe im Quartier! Ein neuer Belag macht’s möglich

Unterwegs auf Luzerns leisester Strasse

Hier fährt es sich leise: Die Langensandstrasse in Richtung Kastanienbaum, frisch ausgestattet mit einem Flüsterbelag der neusten Generation.

(Bild: pbu)

Bis 2018 müssen Schweizer Strassen leiser werden – das verlangt der Bund. Die Stadt Luzern zeigt sich diesbezüglich als Musterschülerin und präsentiert nun einen Flüsterbelag der neusten Generation – obwohl das eigentlich gar nicht nötig war.

Am 30. Oktober laufen sie wieder, die Teilnehmer des diesjährigen Luzerner Marathons. Die rund 42 Kilometer lange Strecke ist seit Jahren zwar dieselbe. Aber heuer erwartet die Läuferinnen und Läufer eine Premiere: Einen knappen Kilometer lang nehmen sie einen Strassenbelag unter ihre Füsse, wie es ihn in Luzern sonst nirgends gibt.

Konkret betrifft dies den Streckenabschnitt auf der Langensandstrasse, also von der Pfarrei St. Anton bis zum Beginn der Stutzstrasse, die nach St. Niklausen führt (siehe Karte). Diesen Abschnitt hat die Stadt nämlich gerade eben mit einem nigelnagelneuen Flüsterbelag ausgestattet.

Die Langensandstrasse (rot markiert) aus der Vogelperspektive. (Google Maps)

Die Langensandstrasse (rot markiert) aus der Vogelperspektive. (Google Maps)

Wie 75 Prozent weniger Verkehr

Diese neuartige Strassendecke hat natürlich nichts mit dem Marathon zu tun – dafür viel mit Strassenlärm. Dieser «semidichte Asphalt mit 4er-Körnung» (kurz SDA-4), wie man den Belag im Fachjargon nennt, vermindert den Strassenlärm zumindest anfänglich um sechs bis acht Dezibel. «Das entspricht einer Schallreduktion um 75 Prozent», erklärt Roger Schürmann, verantwortlicher Strassensanierer beim städtischen Tiefbauamt.

«Autos fahren wie auf einem Teppich.»

Roger Schürmann, Tiefbauamt Stadt Luzern

Es sei ungefähr so, als ob es plötzlich 75 Prozent weniger Verkehr gäbe. «Gerade bei Bussen und Lastwagen ist ein deutlicher Unterschied zu hören», sagt der Vize-Präsident des Quartiervereins Tribschen Langensand, Heinrich Bachmann. «Vor allem, wenn die Strasse nass ist.» Auch wenn es noch etwas verfrüht sei, um ein Fazit zu ziehen, äusserten sich bereits einige Anwohner positiv zum neuen Asphalt, so Bachmann.

Flüsterbeläge unterscheiden sich durch zwei Faktoren von konventionellen Strassenbelägen: Sie sind feiner (beim SDA-4 beträgt die Korngrösse vier Millimeter) und haben einen höheren Hohlraumgehalt. Kleine Porendurchmesser sorgen dafür, dass die lärmreduzierende Hohlraumstruktur nicht durch Schmutz verstopft wird.

Der Flüsterbelag in Nahaufnahme.

Der Flüsterbelag in Nahaufnahme.

(Bild: pbu)

Direktvergleich der Beschaffenheit: Links ein in die Jahre gekommener konventioneller Strassenbelag, rechts der neue Flüsterbelag auf der Langensandstrasse.

Direktvergleich der Beschaffenheit: Links ein in die Jahre gekommener konventioneller Strassenbelag, rechts der neue Flüsterbelag auf der Langensandstrasse.

(Bild: pbu)

Der Unterschied zu normalen Strassen ist deutlich hörbar. «Autos fahren wie auf einem Teppich», umschreibt es Roger Schürmann. Wer dieser Tage entlang der Langensandstrasse läuft, der stellt tatsächlich fest, dass der Verkehr merklich leiser an einem vorbeirauscht und weniger lang wahrnehmbar ist. Zur Illustration zwei Videos. Hören Sie den Unterschied?

Zugegeben, die Messung hält den wissenschaftlichen Anforderungen nicht ganz stand. Aussagekräftiger ist das Video des Bundesamts für Umwelt (siehe Linkbox). Nichtsdestotrotz darf man festhalten, dass es in der Stadt Luzern momentan keine Strasse gibt, die leiser als die Langensandstrasse ist. Dabei bestand dort diesbezüglich eigentlich gar kein Handlungsbedarf mehr.

«Wir dachten uns, wenn wir den Strassenbelag schon sanieren müssen, dann in lärmtechnischer Hinsicht mit den neusten Möglichkeiten.»

Reinhard Hofmann, Projektleiter Tiefbauamt Stadt Luzern

Die Gunst der Stunde

Die Liegenschaften entlang der Langensandstrasse wurden nämlich bereits vor dem neuen SDA-4-Belag mittels Schallschutzfenstern lärmsaniert. Projektleiter Reinhard Hofmann erklärt: «Der neue Belag auf der Langensandstrasse wurde nicht aus lärmtechnischen Gründen eingebaut, sondern als regulärer Deckbelagsersatz. Vor einiger Zeit mussten dort die Werkleitungen saniert werden.» Dadurch habe die Strasse stark gelitten und entsprach nicht mehr den geltenden Normen.

«Wir dachten uns, wenn wir den Strassenbelag schon sanieren müssen, dann in lärmtechnischer Hinsicht mit den neusten Möglichkeiten», sagt Hofmann weiter. «Für uns ist das ein Test unter realen Bedingungen, der uns dabei helfen soll, Erfahrungen auf dem Gebiet der Flüsterbeläge zu sammeln.»

Auf der Langensandstrasse sind je nach Abschnitt täglich bis zu 8000 Fahrzeuge unterwegs. Neben Personenwagen auch LKWs und eine grössere Anzahl Trolleybusse. Das sei ein echter Härtetest, meint Hofmann. «Wir wollen dabei nicht nur akustische Erfahrungen sammeln, sondern auch strassenbautechnische. Also inwiefern sich die akustische Lebensdauer zur technischen Lebensdauer verhält.»

Frisch gestrichen: Die Strassenmarkierungen sind lediglich ein paar Tage alt.

Frisch gestrichen: Die Strassenmarkierungen sind lediglich ein paar Tage alt.

(Bild: pbu)

Leiser, dafür teurer

Die Kosten für Flüsterbeläge fallen höher aus als bei herkömmlichen Belägen. «Während Einbau und Unterhalt etwa gleich viel kosten, entstehen Mehrkosten vor allem durch die verringerte Lebensdauer», erläutert Roger Schürmann. Die Gesamtkosten für die Belagsarbeiten auf der Langensandstrasse würden sich auf rund 350’000 Franken belaufen.

«Über den gesamten Lebenszyklus ist der Flüsterbelag rund doppelt so teuer.»

Roger Schürmann

Normale Beläge halten je nach Verkehrsmenge zirka 20 bis maximal 30 Jahre. Erfahrungen aus anderen Kantonen zeigen: Flüsterbeläge müssen schon nach 10 bis 15 Jahren erneuert werden. «Über den gesamten Lebenszyklus ist der Flüsterbelag also rund doppelt so teuer.»

Allerdings unterstützt das Bundesamt für Umwelt den Bau von leisen Strassenbelägen mit Fördergeldern (siehe Box). Gemäss aktueller Praxis trägt der Bund 16 Prozent mit. Durch diese Subventionen liessen sich die Mehrkosten gegenüber einem herkömmlichen Deckbelag decken oder zumindest vermindern, so Schürmann.

Die Zeit läuft

Wenn der Strassenlärm den Immissionsgrenzwert von 60 respektive 65 oder gar den Alarmwert von 70 Dezibel überschreitet, dann müssen Massnahmen zur Lärmreduktion ergriffen werden. Das verlangt die eidgenössische Lärmschutzverordnung (LSV). Bis am 31. März 2018 haben die Kantone Zeit, die entsprechenden Strassenabschnitte zu sanieren. Wenn die Frist verpasst wird, gibt es für die Lärmsanierungsprojekte keine Bundesbeiträge mehr.

Insgesamt steht die Stadt Luzern in punkto Lärmschutzsanierung gut da. Von den total 15 Projekten seien noch sechs ausstehend, erzählt Roger Schürmann. «Zwei davon (Moosmattstrasse-Voltastrasse und Kreuzbuchstrasse-Würzenbachstrasse) werden nächstens abgeschlossen und die letzten vier kommen Anfang nächsten Jahres dran (Spitalstrasse; Sternmattquartier-Arsenalstrasse; Littau; Bruchquartier).»

Keine Chance gegen Neustadtplagen

Ein Patentrezept bietet der Flüsterbelag indes nicht. Einerseits reduziert sich die lärmdämmende Wirkung nach rund zehn Jahren um die Hälfte. Andererseits verpufft der Effekt bei tiefen Geschwindigkeiten unter zirka 25 km/h, weil dann der Motor die Abrollgeräusche der Pneus übertönt. Und gegen nervige Neustadtplagen helfen selbst die besten Strassen nichts.

Ob mitten in der Stadt Luzern zukünftig weitere solche feingekörnten Flüsterbeläge zum Einsatz kommen, ist offen. Neben den Flüsterbelägen werden als lärmreduzierende Massnahmen weiterhin der Einbau von Schallschutzfenstern, das Erstellen von Lärmschutzwänden und das Einführen von Tempo 30 in Erwägung gezogen. Ohnehin müsse man zunächst sehen, ob und wie sich der neue Asphalt über die Zeit bewährt.

Den Anwohnern entlang der Langensandstrasse dürfte das egal sein. «Ihre» Strasse wird zwar als Versuchskaninchen gebraucht, dafür sind sie mit Schallschutzfenstern und leisem Strassenbelag gleich doppelt vom Verkehrslärm geschützt. Und auch die Marathonläufer werden am kommenden Sonntag wie nirgends sonst auf leisen Sohlen an ihnen vorbeiziehen.

Die beiden Herren hinter dem Projekt: Reinhard Hofmann (links) und Roger Schürmann vom Tiefbauamt der Stadt Luzern.

Die beiden Herren hinter dem Projekt: Reinhard Hofmann (links) und Roger Schürmann vom Tiefbauamt der Stadt Luzern.

(Bild: pbu)

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