Gemeinde will Privatpersonen zur Kasse bitten

40’000 Franken für Unwetterschutz? Weggiser streiten über Kosten

Ruedi Imgrüth freut sich über das Projekt Laugneri II, das künftig ihn und seine Nachbarn schützt. Dass er dafür tief in die Tasche greifen muss, ärgert ihn aber (Foto: Fabian Duss).

Weggis schützt seine Bevölkerung gegen Naturgefahren. Doch die Abstimmung darüber, ob sich die geschützten Grundeigentümer an den Kosten beteiligen müssen, spaltet das Dorf. Für den Gemeinderat hat Solidarität Grenzen, derweil die Betroffenen auf Gleichbehandlung pochen.

«Ich bin müde und wäre froh, wenn wir dieses Kapitel endlich abschliessen könnten», sagt Ruedi Imgrüth. Neben ihm liegt ein Ordner voller Unterlagen, die er längst auswendig kennt. Gefahrenkarten, Abstimmungsbotschaften, Pläne, Leserbriefe, Schreiben der Gemeinde – in den zwölf Jahren, seit Imgrüth im Weggiser Laugneri-Quartier gebaut hat, sammelte sich viel Papier an.

Schuld ist das Unwetter

Schuld am Schlamassel ist in erster Linie die Natur. Ihre Launen bescherten den Weggisern schon manches Unheil, zuletzt im August 2005. Infolge eines Unwetters kam oberhalb des Dorfes viel Erde und Geröll in Bewegung. Im Gebiet Laugneri wurden drei Wohnhäuser zerstört. Seither hat Weggis Millionen von Franken in Schutzprojekte gesteckt. Über dem nördlichen Teil des Quartiers wurde eiligst ein Schutzdamm (Laugneri I) gebaut. Der südliche Teil, der neben Imgrüths Haus beginnt, wird nun mit dem Schutzprojekt Laugneri II ebenfalls geschützt. Für 10 Millionen Franken werden die Felsen gesichert, und es entstehen ein Schutzdamm und ein doppeltes Steinschlagschutznetz.

Für das Schutzprojekt Laugneri I wurden die geschützten Privateigentümer nicht zur Kasse gebeten. An das anschliessende Projekt Laugneri II sollen die Betroffenen allerdings 710’000 Franken beisteuern (Bild: Fabian Duss).

Für das Schutzprojekt Laugneri I wurden die geschützten Privateigentümer nicht zur Kasse gebeten. An das anschliessende Projekt Laugneri II sollen die Betroffenen allerdings 710’000 Franken beisteuern (Bild: Fabian Duss).

«Nutzniesser? Keinesfalls!»

Imgrüth und seine Nachbarn sind dem Gemeinderat und der Bevölkerung dankbar für die Schutzprojekte. Das Volk hatte den Projekten Laugneri II und Linden im November 2014 deutlich zugestimmt – und damit auch den sogenannten Perimeterbeiträgen. Dabei geht es um die Klärung, welche Anwohner wie viel Geld an die Schutzbauten zahlen sollen.

«Die Schutzbauten wirken sich positiv auf den Wert der Grundstücke aus.»

Philipp Christen, Weggiser Gemeinderat

Als Zahler sehen sich die Anwohner aber keinesfalls. Klar würden sie von den Schutzmassnahmen profitieren, sagt Ruedi Imgrüth, doch blättert er ein gutes Jahrzehnt zurück: Damals wurde für Weggis eine Gefahrenkarte erarbeitet, und die Häuser in der südlichen Laugneri landeten in der roten Zone. Neubauten, Erweiterungsbauten und der Wiederaufbau von Gebäuden, all das wurde vom einen auf den anderen Tag verboten. «Wir haben 2005 einen Schaden erlitten und betrachten die Schutzmassnahmen als einen Ausgleich dafür», sagt Imgrüth.

Was er als Ausgleich bezeichnet, sieht der Gemeinderat als Mehrwert. «Die Schutzbauten wirken sich positiv auf den Wert der Grundstücke aus», argumentiert Gemeindevizepräsident Philipp Christen an einer spärlich besuchten Infoveranstaltung des Gemeinderats.

Zwei Dämme schützen künftig das Gebiet Linden. Die geschützten Grundeigentümer sollen 210’000 Franken an die Baukosten bezahlen (Bild: Fabian Duss).

Zwei Dämme schützen künftig das Gebiet Linden. Die geschützten Grundeigentümer sollen 210’000 Franken an die Baukosten bezahlen (Bild: Fabian Duss).

Nachdem an der letzten Gemeindeversammlung ein Antrag durchkam, mit einem Teil des Überschusses der letztjährigen Rechnung die Perimeterbeiträge der Betroffenen zu decken, stimmen die Weggiser am 30. Oktober an der Urne endgültig darüber ab.

Mehrwert dank Schutzbauten?

Die Abstimmung über den Verzicht auf die Perimeterbeiträge füllt die Leserbriefspalten der Weggiser Wochen-Zeitung. Das spärliche Publikum an der Infoveranstaltung deutet darauf hin, dass die Meinungen schon gemacht sind.

Wenn die Schutzmassnahmen Laugneri II und Linden umgesetzt seien, könnten die Grundeigentümer wieder investieren, ihr Land werde wieder bebaubar und der materielle Wert ihrer Liegenschaften entspreche wieder jenem, den sie vor Einführung der Gefahrenkarte hatten, fährt Philipp Christen im Namen des Gemeinderats fort. «Mehrheitlich wird der Wert sogar massiv höher sein», fügt er an.

«Es ist speziell, in einem Quartier zu wohnen, wo der Nachbar den Schutz gratis erhielt, und wofür wir nun 40’000 Franken bezahlen sollen.»

Ruedi Imgrüth, Laugneri-Anwohner

Das kommt bei Marianne Hofmann nicht gut an. Sie und ihr Ehemann wohnen ebenfalls im südlichen Teil der Laugneri. Es sei ihr ein Rätsel, wie der Gemeinderat und manche Einwohner von einem Mehrwert sprechen könnten, sagt Hofmann. «Im Jahr 2000 kauften wir unser Haus in der Laugneri in einer regulären Bauzone. Als unsere Liegenschaft 2005 in die rote Gefahrenzone kam, verlor sie massiv an Wert», gibt sie zu Bedenken. Hofmanns müssen gemäss Perimeterentscheid knapp 56’000 Franken an die Schutzbauten bezahlen.

Gleiches Quartier, ungleiche Behandlung

Ruedi Imgrüth stört grundsätzlich nicht, dass er etwas an den Schutz seiner Liegenschaft bezahlen muss. Gegen einen symbolischen Beitrag hätte er nicht opponiert, doch die knapp 40’000 Franken, die er bezahlen soll, sind ihm deutlich zu viel. Und vor allem fühlt er sich ungleich behandelt.

Vor dem Haus seines nördlichen Nachbarn stoppt er. «Es ist schon speziell, in einem Quartier zu wohnen, wo der Nachbar den Schutz gratis erhielt, wofür wir 40’000 Franken bezahlen sollen», sagt Imgrüth. Er ist nicht neidisch, sondern fordert Gleichbehandlung. Hätten die bereits früher geschützten Grundeigentümer ebenfalls einen Beitrag leisten müssen, würde er sich heute nicht gegen seinen wehren.

Michael Arnold pflichtet ihm bei. Er wohnt im Lindenheim. Darüber wird ein zweiteiliger Schutzdamm gebaut. Gemäss Perimeterentscheid muss er 44’000 Franken an den Bau der Dämme bezahlen. Die einen behandle man so, die andern so, ärgert er sich. Arnold verweist auf Versprechen des Gemeinderats bei früheren Abstimmungen zu Schutzprojekten, künftig auf Perimeterbeiträge zu verzichten.

Gemeinderat sieht genügend Solidarität

Der Gemeinderat hält an seinem Kurswechsel von 2014 fest. «Wir konnten die Abstimmung Laugneri II/Linden nur gewinnen, weil sich die Grundeigentümer an den Massnahmen beteiligen», resümiert Gemeindevizepräsident Philipp Christen. «Eine rein hypothetische Behauptung», kommentiert Ruedi Imgrüth.

Der Gemeinderat weist ausserdem darauf hin, dass das Schutzprojekt Laugneri I unter polizeilichem Notrecht realisiert und bei zwei Wasserbauprojekten, bei denen die geschützten Grundeigentümer ebenfalls nicht zur Kasse gebeten wurden, der Kanton Bauherr gewesen sei. Ausserdem seien dadurch wesentlich grössere Dorfgebiete geschützt worden als nun mit den Projekten Laugneri II und Linden.

«Mit einem Ja könnten wir die ganze Geschichte endlich beenden.»

Ruedi Imgrüth, Anwohner Laugneri-Quartier

In den Augen des Gemeinderats ist der Solidarität Genüge getan: «Gemeinde, Bund und Kanton bezahlen über 90 Prozent der Kosten der Schutzmassnahmen», betont Christen. Der Gemeinderat erachte den Grundeigentümerbeitrag von 8,33 Prozent an den Gesamtkosten als angemessen und vertretbar.

Schlussstrich – oder juristisches Nachspiel

Die Betroffenen weibeln intensiv für ein Ja am 30. Oktober. Schützenhilfe erhalten sie von der CVP und der SVP – und von Bewohnern der Laugneri I. In der Wochen-Zeitung wie auch an der Infoveranstaltung haben sich einzelne Bürger unter dem Banner der Solidarität für die betroffenen Grundeigentümer stark gemacht. «Mit einem Ja könnten wir die ganze Geschichte endlich beenden», sagt ein müder Ruedi Imgrüth nach dem Infoabend.

Folgen die Stimmbürger dem Gemeinderat, befassen sich wohl die Gerichte mit den Perimeterentscheiden. Beim Gemeinderat sind derzeit 17 Einsprachen hängig. Ob man diese im Falle eines Volk-Neins zurückziehen würde, haben die Einsprecher noch nicht entschieden.

Private sollen 920’000 Franken bezahlen

Gemeinden können Grundeigentümer zur Mitfinanzierung von Werken verpflichten, die von öffentlichem Interesse sind. Im vorliegenden Fall will der Weggiser Gemeinderat die betroffenen Liegenschaftsbesitzer am Bau, nicht aber am Betrieb und Unterhalt der Schutzbauten beteiligen. Insgesamt sollen sie ein Viertel des Gemeindeanteils an den Baukosten tragen. Die sogenannten Perimeterbeiträge für das Gebiet Laugneri II summieren sich auf 710’000 Franken, jene für das Gebiet Linden auf 210’000 Franken.

Die Bemessung dieser Beiträge ist äusserst komplex. Die Perimeterbeiträge für die Gebiete Laugneri II und Linden basieren zum einen auf dem Sicherheitsgewinn und zum anderen auf dem raumplanerischen Vorteil, den die betroffenen Grundstücke und Gebäude dank den Schutzmassnahmen erfahren. Sie können nachher nämlich einer tieferen Gefahrenzone zugewiesen oder gar gänzlich aus dieser entlassen werden, wodurch der Grundstückwert wieder hergestellt wird und die Liegenschaften wieder bebaut werden dürfen. In die Berechnung der Perimeterbeiträge flossen diverse Grundstückdaten ein: die Grösse und Art einer Fläche, der Bodenwert und der Gebäudeversicherungswert.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon