Galvanik wegen Färöer-Auftritt im Schussfeld

Wegen Walen: Tierschützer planen Demo gegen Zuger Club

Screenshot aus dem Video, in dem Heri Joenson Stellung zu den Vorwürfen nimmt. Links der Auslöser des Shitstorms.

(Bild: Screenshot)

In der Galvanik Zug spielt nächstens die färöische Band Tyr. Dies, obwohl Tierschützer im Internet Druck auf den Club ausübten, den Auftritt abzusagen. Nun droht eine Demonstration vor den Türen des Konzerts.

Das Internet ist ein merkwürdiger Ort. Da muss sich plötzlich ein Zuger Club wegen Walfang verantworten. Hunderte Kilometer von der nächsten Meeresküste entfernt. In den Hauptrollen: Fanatiker, Schlächter, Wale und die Galvanik.

Am 18. November sollte in der Zuger Galvanik die färöische Band Tyr spielen. Ein entrüsteter Mob aus Tierschützern deckte daraufhin die Facebook-Seite der Galvanik mit Hasskommentaren zu, weil vom Sänger der Band Tyr ein Foto aufgetaucht war, auf dem er einen Langflossen-Grindwal zerlegt.

Galvanik: Kein Grund, dass die Band nicht spielt

Die Galvanik beschloss aber diesen Mittwoch, die Band trotzdem auf die Bühne zu lassen. «Wir haben uns mit dem Thema auseinandergesetzt und fanden keine plausiblen Argumente, die Band nicht auftreten zu lassen», sagt Eila Bredehöft von der Galvanik.

Mutig, finden einige Kommentatoren auf Facebook. Oder in ihrer Ausdrucksweise: «Der Club hat pelzige Strausseneier, wenn er sich gegen den Shitstorm stellt.» Das scheint die Galvanik wohl wirklich zu haben, denn die Demo am Tag des Konzertes ist bereits angesagt.

Ein ehrliches Kompliment an die Adresse der Galvanik.

Ein ehrliches Kompliment an die Adresse der Galvanik.

 

«Das Ganze lief auf einer sehr erpresserischen Schiene», erzählt Eila Bredehöft von der Galvanik. Die Galvanik bekam negative Bewertungen auf ihren Internetauftritten und reihenweise böse Kommentare.

«Der Shitstorm hat bei uns gerade das Gegenteil bewirkt.» Diese Haltung erfordert tatsächlich Mut, denn diverse Clubs in Deutschland haben dem Druck nachgegeben. Dabei ist die «Hetzkampagne» tatsächlich fragwürdig bei näherem Hinsehen.

Der Walfang auf den Färöer Inseln sei zwar umstritten, aber nicht illegal, sagt Eila Bredehöft. Und: «Die Galvanik ist nicht in der Position, über das Verhalten einer ganzen Bevölkerungsgruppe zu urteilen.» 

Der Schlächter: Für Fleisch fliesst auch Blut

Der Sänger der Band Tyr Heri Joenson hat in einem Video Stellung genommen. Die Menschen hätten eine Disney-märchenartige Vorstellung davon, wie Fleisch produziert würde. «Ich finde es merkwürdig, dass einige Tiere in Schlachthöfen hinter verschlossener Tür geschlachtet werden, wildlebende Tiere aber als heilig gelten», sagt er in seinem Video.

Ethisch sehe er keinen Unterschied zwischen einem getöteten Schaf, das er zum Abendessen verspeist, und einem getöteten Wal, der ebenfalls voll verwertet werde. Wichtig dabei: Der Grindwal taucht auf der roten Liste der Weltnaturschutzunion nicht als gefährdete oder bedrohte Art auf.

Die Wale: 0,1 Prozent der Population werden von Färöern gejagt

Die Schlächter-Bilder mit aufgeschlitzten Walen in einem blutigen Meer erscheinen so in einem etwas anderen Licht. Denn «in einem Industrie-Schlachthof würde wahrscheinlich ähnlich viel Blut fliessen, für die gleiche Menge Fleisch», sagt Heri Joenson.

Walfang ist weltweit ein grosses Problem. Durch die Zerstörung des Lebensraums der Meeressäuger allgemein und zusätzliche menschengemachte Gefahren wie Schleppnetze oder aktive Waljagden sind die Riesen der Meere meist gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht. Im Einzelfall wird die Diskussion aber schnell ein wenig komplizierter.

Färöer jagen jährlich zirka achthundert Tiere, sagt Heri Joenson in seiner Stellungnahme. Das entspricht etwa 0,1 Prozent der Gesamtpopulation. Mit den Produkten werde kein Handel betrieben, der Fang werde unter den Jägern verteilt. Zum Vergleich: Der Beifang in den Schleppnetzen grosser Firmen tötet etwa dreimal so viele Wale rund um die Färöer Inseln, wie es die Färöer tun, weiss Eila Bredehöft aus ihren Recherchen. Nur: Diese isst niemand.

Mitten im Shit-Gestöber

Die Erklärungen von Heri Joenson sind den Kommentatoren auf der Facebook-Seite der Galvanik aber herzlich egal. «Henri» Joenson sei ein Monster, die Galvanik solle den Auftritt absagen, so der Tenor der Statements. Nur nicht ganz so schlicht formuliert: «Wir mussten auch viele Kommentare löschen, weil sie einfach unter jeglichem Niveau waren», erzählt Eila Bredehöft.

Die Fanatiker: Jagt lieber Schneehasen

Die Autoren dieser Kommentare reagierten nicht auf unsere Nachfragen oder wollten nichts mehr dazu sagen. Eine einzige Kommentatorin antwortete dann aber doch noch auf die Frage, ob sie sich denn das Video des Sängers angesehen hätte. «Nein, habe ich nicht, und ich will es mir auch nicht ansehen», sagt die 22-Jährige aus Zürich. «Nichts rechtfertigt das Töten von solch wichtigen Erdenbürgern. Es gibt andere Tiere, die man dort ansiedeln und jagen könnte. Wie zum Beispiel Schneehasen oder Alpakas.»

(Bild: lih)

Die 22-Jährige Zürcherin will nicht mit Namen genannt werden. Sie hat Angst vor Morddrohungen und Spam-Nachrichten, die ihr mutmassliche Tyr-Fans schicken, erklärt sie.

Die Gewinner der Schlacht

Im allgemeinen Shitstorm-Geprügel könnte man sich durchaus fragen, wer denn nun etwas gewonnen hat.

Die Tierschutz-Fanatiker, die die Gegenseite ignorieren? Die Band, die unter all ihren Songs nun über Walfang diskutieren muss und um Auftritte bangt? Oder die Galvanik, die trotz ihrer «pelzigen Strausseneier» nun wahrscheinlich ihren Mut mit einer Demo vor ihren Türen bezahlen muss?

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