Ex-Buchhalter zeigt Surseer Stiftung an

Pro Integral wird Fall für die Justiz

Nicht an der Architektur gescheitert: Das Hirnzentrum von Pro Integral

(Bild: CAS Architekten)

Die Surseer Stiftung Pro Integral ist pleite – die Luzerner CAS Architekten haben das Projekt übernommen. Nun wird die Geschichte um das Hirnzentrum ein Fall für die Justiz: Der ehemalige Buchhalter hat das Gründerpaar angezeigt – und erhebt dabei schwere Vorwürfe.

So wirtschaftet man eine Vision zugrunde. Der Hochdorfer Michel Bätscher und seine Frau wollten jungen Hirnverletzten jene Betreuung ermöglichen, die sie brauchen. Deshalb planten sie ein Pflegezentrum für Hirnverletzte im Bernischen Roggwil.

Doch die Organisation Pro Integral hat nie seriös gewirtschaftet: AHV-Beiträge, Lieferantenrechnungen, Löhne, Bankdarlehen und Versicherungsprämien blieb man schuldig (zentralplus berichtete). Gegen die verschiedenen Gesellschaften der Pro Integral sind Betreibungen über insgesamt mindestens 1,8 Millionen Franken hängig. Auf Betreiben der Zürcher Kantonalbank ist die Gönnervereinigung Pro Integral mit Sitz in Sursee im Konkurs.

Immerhin gibt es Hoffnung für das Projekt von neuer Seite: Die Luzerner CAS Architekten sind die grösste Gläubigerin der Pro Integral und haben das geplante Pflegezentrum entworfen. CAS hat sich mit Pro Integral geeinigt und sich die Rechte am Projekt gesichert. Sie will das Hirnzentrum nun auf eigene Faust vorantreiben (zentralplus berichtete).

Eine Visualisierung des geplanten Hirnzentrums – die Pläne sind dieselben wie bei Pro Integral (Visualisierung: CAS Architektur).

Eine Visualisierung des geplanten Hirnzentrums – die Pläne sind dieselben wie bei Pro Integral (Visualisierung: CAS Architektur).

(Bild: CAS Architektur)

Der Durchbruch steht angeblich seit Jahren bevor

Projekt weg, Pro Integral pleite. Trotzdem schreibt die Organisation in einer Bettelmail an die Gönner, man habe mit einem Investor «intensive Gespräche geführt» und gehe davon aus, «dass die Gelder in den nächsten zwei bis drei Wochen zur Auszahlung gelangen». Weil Pro Integral seit einigen Jahren davon ausgeht, dass in den nächsten Wochen der Durchbruch gelingt, gibt die Organisation seit einigen Jahren Geld aus, das sie nicht hat.

«Der grösste Teil der Spenden wird gleich wieder für Löhne der Mitarbeiter verbraten, die mehr Spenden sammeln sollen.»

Buchhalter Christian Haldimann

Vergangene Woche nun hat der ehemalige Buchhalter der Pro Integral, Christian Haldimann, die Verantwortlichen bei der Luzerner Staatsanwaltschaft angezeigt. Haldimann wirft dem Gründerpaar Michel Bätscher und Amanda Huber, Vereinspräsident Franz Müller und weiteren Mitgliedern der Pro-Integral-Organe eine ganze Reihe von Straftaten vor: Betrug, Veruntreuung, ungetreue Geschäftsführung, Misswirtschaft mit Konkursverschleppung «und wahrscheinliche weitere Delikte in diesem Zusammenhang».

Pro Integral soll Versprechen nicht einhalten

Ökonom und Unternehmensberater Christian Haldimann (Bild: zvg)

Ökonom und Unternehmensberater Christian Haldimann (Bild: zvg)

Pro Integral halte die Versprechen, die die Organisation mache, nicht ein. Das ist der Hauptvorwurf Haldimanns an die Verantwortlichen. So würden Spenden mit der Begründung gesammelt, dass diese für hilfsbedürftige Hirnverletzte verwendet würden. Tatsächlich gehen aber weniger als zehn Prozent aller Ausgaben an Hirnverletzte, heisst es in der schriftlichen Anzeige, die zentralplus vorliegt. «Der grösste Teil der Spenden wird gleich wieder für Löhne der Mitarbeiter verbraten, die mehr Spenden sammeln sollen», erklärt Haldimann. Jährlich habe man Spenden in der Höhe von rund 800’000 Franken eingenommen – und gleich wieder ausgegeben.

Nicht nur Spendern, auch Aktionären gegenüber hielte Pro Integral ihre Versprechen nicht ein. Insgesamt habe die Organisation seit 2011 Aktien im Wert von rund 1,4 Millionen Franken verkauft. Haldimann weiss das so genau, weil er den Aktienverkauf mit seiner «AG für Geschäftskapital» abwickelte. Das so eingenommene Geld hätte als Eigenkapital für das Hirnzentrum in Roggwil dienen sollen, das Pro Integral plante. Von Ärzten über Handwerker bis zu Immobilienmaklern hätten Aktien im Wert von 5000 bis 250’000 Franken gezeichnet. «Das sind hauptsächlich Leute aus der Region, die das Projekt unterstützen wollten.» Doch auch dieses Geld ist weg: Es sei ebenfalls für dringend anstehende Lohnzahlungen zweckentfremdet worden, sagt Christian Haldimann. «Wenn die Aktionäre merken, dass das Geld weg ist, werden sie auf die Barrikaden steigen.»

Ohne Lohn gearbeitet

Die Sicht von Pro Integral

zentralplus hat die Verantwortlichen bei Pro Integral mit den Vorwürfen der Strafanzeige konfrontiert. Pro Integral beantwortete unsere Fragen nicht, sondern schreibt: «Die angebliche Strafanzeige gegen Organe unserer Organisation wurde uns nicht eröffnet. Daher können wir dazu keine weitere Stellung nehmen, da wir keine Kenntnis über deren möglichen Inhalt haben. Es befremdet uns sehr, dass ein Journalist über solche Informationen verfügt, die scheinbar beschuldigten Personen selbst davon jedoch keine Kenntnis haben.»

Weiter wurden auch die Gönner der Organisation getäuscht. Diese, so schreibt Pro Integral auf ihrer Website, seien im Fall einer unfallbedingten Hirnverletzung versichert. Pro Integral verspricht einen Unterstützungsbeitrag von bis zu 100’000 Franken und Rechtsschutz von bis zu 250’000 Franken. Diese Deckung wurde anfangs durch die Mobiliar versichert. Haldimann: «Diese Versicherung ist mangels Bezahlung der Rechnung längst aufgehoben und Pro Integral wäre niemals in der Lage, diese versprochene Deckung zu leisten.» Die Mobiliar bestätigt auf Anfrage, dass der Versicherungsschutz seit Februar nicht mehr gilt.

Und schliesslich haben neben zahlreichen Lieferanten auch Angestellte von Pro Integral unfreiwillig ohne Lohn gearbeitet: Seit Februar haben fünf ehemalige Mitarbeiterinnen die Organisation auf ausstehende Lohnzahlungen über insgesamt rund 130’000 Franken betrieben. Seit Jahren nicht oder erst zu spät bezahlt werden die Sozialbeiträge der Mitarbeitenden. Mehreren Ausgleichs- und Pensionskassen schuldet Pro Integral fünf- bis sechsstellige Beträge.

Dem Treiben ein Ende setzen

Heikel: Pro Integral hat die Sozialversicherungsbeiträge zwar den Löhnen der Mitarbeitenden abgezogen, aber nicht an die Ausgleichskassen weitergeleitet. Das gehe schon seit Jahren so, sagt der ehemalige Buchhalter Christian Haldimann. Eine solche mutmassliche Zweckentfremdung der Arbeitnehmerbeiträge ist strafbar.

«Wenn eine private Firma so geschäften würde, wäre es ja schon eine Schweinerei. Aber Pro Integral verkauft sich als grossartige karitative Organisation.»

Christian Haldimann

Mit seiner Strafanzeige will Haldimann diesem Treiben von Pro Integral ein Ende bereiten: «Wenn eine private Firma so geschäften würde, wäre es ja schon eine Schweinerei. Aber Pro Integral verkauft sich als grossartige karitative Organisation.»

Dass Michel Bätscher, der starke Mann bei Pro Integral, zwar die Löhne nicht mehr bezahlen könne, aber munter weiter Leute anstelle, dürfe nicht sein: «Ich hoffe, Bätscher kann nicht mehr weiterwursteln wie bisher und wird sich in Zukunft an die Regeln halten müssen.»

Die Luzerner Staatsanwaltschaft bestätigte den Eingang der Anzeige auf Anfrage. Diese werde jetzt geprüft. Ob er ein Verfahren einleitet, hat der zuständige Staatsanwalt noch nicht entschieden. Für sämtliche Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Hat Pro Integral das Kantonsgericht getäuscht?

Bereits im Februar 2016 war über AG und Gönnervereinigung von Pro Integral der Konkurs eröffnet worden – die beiden Gesellschaften waren von der Ausgleichskasse Luzern betrieben worden. Doch das Kantonsgericht hiess die Beschwerde gegen den Konkurs gut, nachdem Pro Integral die Schulden bei der Ausgleichskasse bezahlt hatte – obwohl gegen die Gönnervereinigung zu diesem Zeitpunkt mindestens 23 weitere Betreibungen hängig waren.

In seiner Strafanzeige fordert Christian Haldimann nun auch, diesen Entscheid zu untersuchen. «Ich habe in meiner Tätigkeit als Unternehmensberater schon einige Start-ups in den Konkurs gehen sehen.» Aber nie sei eine Konkursbeschwerde vom Gericht gutgeheissen worden, «auch in wesentlich aussichtsreicheren Fällen als Pro Integral».

Falsche Tatsachen und gefälschte Belege?

Um einen Konkurs aufzuheben, muss eine Schuldnerin nicht nur die offene Schuld bezahlen, sondern auch ihre grundsätzliche Zahlungsfähigkeit glaubhaft machen. In der Gerichtspraxis heisst das normalerweise, dass zu sämtlichen hängigen Betreibungen Stellung genommen und ein glaubwürdiger Abzahlungsplan vorgelegt werden muss.

Im Gerichtsentscheid, der zentralplus vorliegt, heisst es lediglich: «Mit (…) den aufgelegten Belegen zu ihrer finanziellen Situation und den zugesagten Spendengeldern hat (Pro Integral) ihre Zahlungsfähigkeit hinreichend glaubhaft gemacht.» Christian Haldimann findet das unrealistisch. Er schreibt in der Strafanzeige: «Es muss davon ausgegangen werden, dass das Gericht massiv getäuscht wurde, möglicherweise unter Behauptung falscher Tatsachen und gefälschter Belege.» Auch hier gilt die Unschuldsvermutung.

Im Hinblick auf die erneute Konkursbeschwerde von Pro Integral und ein mögliches Strafverfahren wollte das Kantonsgericht zum Entscheid vom Februar keine Fragen beantworten.

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