Von «idyllisch» bis «städtebauliche Katastrophe»

Das schreiben Reiseführer über Zug

Schweizer Reiseführer gibt es unzählige. Doch was schreiben sie über Zug? (wia)

Die Vorfreude ist gross, bald beginnt der Urlaub. Wichtig, dass man sich deshalb mit den entsprechenden Reiseführern eindeckt. Haben Sie sich jedoch schon einmal gewundert, was Baedeker und Co. über Zug so schreiben? Wir haben für Sie geblättert und gemerkt: Die Kirschtorte kittet jedes mulmige Gefühl, das die vielen Briefkastenfirmen auslösen.

Sommerzeit ist Ferienzeit. Wir spielen darum Tourist und finden heraus, was Baedeker, Lonely Planet und andere denn so über Zug schreiben. Lohnt es sich, hier Ferien zu machen? Und wie viele Briefkästen hat Zug nun wirklich? Wir schlagen nach und sind ein wenig beleidigt.

Dorling Kindersley – das Übliche

Steueroase, wohlhabend, Standort internationaler Firmen. Der DK-Verlag lässt nichts anbrennen und fokussiert sich sogleich auf den Wirtschaftsraum Zug. Erst Absätze später widmet sich der Reiseführer der üppigen Geschichte des Ortes, dem Wolfgang Kolin, der auf den gleichnamigen Brunnen thront, dem gotischen Rathaus und der Kirche St. Oswald. Die obligaten zwei Museen, Burg, Kunsthaus und Museum für Urgeschichte werden genannt. Aber nur kurz. Gerade mal auf einer Seite widmet sich der DK-Führer der Stadt Zug. Dann zieht er bereits weiter nach Einsiedeln. Überraschendes hat’s nichts dabei. Wir finden: Etwas genauer hinsehen lohnt sich.

Baedeker – schön, hässlich und schon wieder ein Grosskonzern

Baedeker, das ist Sinnbild für Verlässlichkeit in Rot. Da weiss man normalerweise, was man hat. Doch was hat man über Zug? So einiges, wie sich herausstellt. Fast sieben Seiten widmet der Reiseführer dem kleinen Kanton. Auch hier werden bereits im ersten Satz die niedrigen Steuern genannt, stört uns aber nicht, weil im gleichen Satz auch Kirschwasser und Kirschtorte vorkommen. Und vor allem gefällt es uns, wenn Zug als «schönes altes Städtchen am Nordende des idyllischen Zugersees» betitelt wird. Und dann findet die Beweihräucherung ein jähes Ende.

Wir lesen über die 30’000 Briefkästen, die hier beherbergt seien, von den schweizweit niedrigsten Steuersätzen, welche auch in der Schweiz für Unmut sorgen würden, und davon, dass die Stadt Zug «ausserhalb ihrer Altstadt grösstenteils als städtebauliche Katastrophe» bezeichnet werden kann. Von wegen schönes altes Städtchen.

Es folgt ein historischer Abriss, Habsburger hier, Morgarten dort, von abgebrochenem Ufergelände. Die «städtebauliche Katastrophe» sitzt uns noch in den Knochen, da nützt es nur bedingt, dass der Baedeker unsere Altstadt und die Bergsicht hoch lobt und vom Zuger Sonnenuntergang als einem der schönsten schreibt, «nicht nur in der Schweiz».

«Auf seiner Webseite wirbt Baar mit ‹privilegierter Besteuerung ausländisch beherrschter Unternehmungen›.»

schreibt Baedeker Schweiz über die Gemeinde Baar

Es folgen die obligaten Museen, die es für den Touristen abzuklappern gilt. Etwa das Afrikamuseum. Ja haben wir denn sowas?, mögen Sie sich nun wundern. In der Tat. Und zwar im Brandenberghaus an der St.-Oswalds-Gasse 17. Hier werden «Kult- und andere Gegenstände aus Zentralafrika» gezeigt. Sagt jedenfalls Baedeker.

Der Autor wagt sich des Übrigen vor in die städtebauliche Katastrophe, und erwähnt den neuen, leuchtenden Bahnhof, das Metalli und auch das UBS-Gebäude, das «von einer bunten Stele von Matt Mullican» markiert sei. Und wir dachten immer, die sei von ToysRUs.

Der Baedeker-Führer belässt es nicht nur bei der Stadt Zug, er umschreibt auch die Umgebung ziemlich detailliert und lässt es sich nicht nehmen, noch etwas auf der Wirtschaft herumzureiten. Etwa, wenn die Autoren über die Baarer Gemeindewebseite schreiben, dass diese mit «privilegierter Besteuerung ausländisch beherrschter Unternehmungen» wirbt. Genannt wird konkret die Glencore. Aber auch Idyllisches wie das Lorzentobel und die Höllgrotten als «lohnenswerte Wanderziele» erhält ein paar Zeilen.

Der Baedeker-Autor hat sich zudem aufs Wasser gewagt und sowohl Zuger- wie auch Ägerisee erkundet. Die Sicht auf die «Zuger Riviera» bei Walchwil und aufs Schloss Buonas scheint ihm sichtlich zu behagen. Die Erwähnung der pittoresken Aussicht wird – natürlich – untermalt vom Input, dass das Schloss dem Pharmakonzern Roche gehört. Man wird den Eindruck nicht los, dass beim Erfassen des Textes ein vehementer Wirtschaftskritiker am Werk war.

Lonely Planet – lustige Details und geliebte Kurven

Auch bei Lonely Planet wird gleich in den ersten Zeilen darauf hingewiesen, dass Zug «die reichste Stadt in einem der reichsten Länder der Erde» ist. Und fährt dann mit der seltsamen Aussage weiter: «Aber daran wird man sich nicht stören, wenn man in Kirschtorte schwelgt, durch die mittelalterlichen Strassen schlendert oder die schönsten Sonnenuntergänge geniesst, denn in dem Ort geht es ganz entspannt zu.»

Danach kommen Zytturm, Altstadt, der Greth-Schell-Brunnen mit dazugehöriger Geschichte … Sie kennen diese nicht? Der Brunnen zeigt ein altes Weib, das seinen betrunkenen Mann nach Hause schleppt. Und zwar in einem Korb am Rücken. Der Fokus liegt bei Lonely Planet, wenig überraschend, beim jüngeren Publikum, das auf dem Campingplatz oder in der Jugendherberge nächtigt. In den Hotels herrsche häufig «Business-Atmosphäre», man verweist auf örtliche Pensionen. Fun Fact: Dank Lonely Planet wissen wir jetzt, dass einst Goethe im Hotel Ochsen gewohnt hat.

Der Autor schickt den geneigten Leser zum Schluss noch zur Confiserie Albert Meier. Ganz unter dem Motto: «Kurven behalten – das Leben geniessen», wie er es treffend beschreibt.

Die Quintessenz aus dem Lonely Planet: Die haben zwar viel Geld hier, schön ist es aber trotzdem in Zug. (Bild: Auszug aus dem Lonely Planet Schweiz)

Die Quintessenz aus dem Lonely Planet: Die haben zwar viel Geld hier, schön ist es aber trotzdem in Zug. (Bild: Auszug aus dem Lonely Planet Schweiz)

Reise-Know-how

Oh Wunder, auch hier beginnt man mit den unzähligen Briefkästen, die Zug unter seinen Fittichen trägt, auch, wenn beim Know-how-Führer nur von 20’000 solcher Firmen die Rede ist. Weiter geht’s mit der «einzigartigen Aussicht auf den anmutigen See» und die vielen Berge. Der Führer widmet dem Bahnhofsbau einige Zeilen und sogar der Trinkbrunnen auf dem Bahnhofplatz wird genannt. Man spricht von einer «abwechslungsreichen Schifffahrt» auf dem «Zuger See», von Baars Höllgrotten, vom Kloster Kappel, dem sehenswerten Schloss in Cham. Dass man das Gebäude praktisch nie besuchen kann, steht nirgends.

Dann schickt man den Touristen noch auf den Gubel mit seinem «beeindruckenden Rundumblick». Von der Lenkwaffenstellung liest man nichts. Erst recht nicht vom Asylzentrum. Lustig: Neben den üblichen Hotelvorschlägen empfiehlt der Reiseführer dem Leser das Schlafen im Stroh auf dem Gottschalkenberg. Ist zwar ein wenig ab vom Schuss, aber bestimmt ganz lieblich.

Polyglott – der Karge

Dass es im schmalen Polyglott-Führer wenig Informationen zu Zug gibt, ist nicht erstaunlich. So beschränkt man sich einzig auf die Bergsicht, den Zytturm, das Museum Burg, und – naiv, wie wir sind, dachten wir schon, es käme nicht vor – die vielen internationalen Konzerne. Und dann steht da auch: «Symbolhaft erhebt sich der Glasturm der Marc Rich Group, die im internationalen Rohstoffhandel mitmischt.»

Stimmt so nicht ganz. Wohl war es die Marc Rich AG, die den umstrittenen Glasbau damals realisierte und sich darin niederliess, doch gehört das Gebäude schon seit 1996 der Zuger Kantonalbank.

Nach der Konsultation der Reiseführer lässt sich also feststellen: Zug scheint den Autoren aus wirtschaftlicher Perspektive ganz und gar nicht geheuer zu sein. Und das dringt immer wieder durch. Aber wir finden die Aussage doch recht freundlich, dass man sich am reichen Kanton nicht stören müsse, weil es in Zug doch neben fiesen Geschäftsmenschen und menschenrechtsverachtenden Konzernen auch Kirschtorte, entspannte Menschen, Bergsicht und schöne Sonnenuntergänge gibt.

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