Aufruhr im Zuger Riedmattquartier

Eltern starten Petition: viel zu wenige Betreuungsplätze

Idyllisch, aber voll gefüllt: Das Schulhaus Riedmatt. Für die Freizeitbetreuung fehlt es offenbar an allen Ecken und Enden an Platz.

(Bild: fam)

Sie würden gerne arbeiten – aber die fehlende Freizeitbetreuung für die Kinder bringt ihre Jobs in Gefahr. Deshalb hat sich eine Gruppe von Eltern im Quartier Riedmatt zusammengeschlossen. Und eine Online-Petition gestartet. Was sagt die Stadträtin dazu?

Der Entscheid kam für Helen Faltas und 30 Familien völlig überraschend: Kein Platz mehr für ihre Kinder in der Mittag- und Nachmittagsbetreuung Riedmatt. Für Faltas ist das nicht nur ungünstig – es stellt schlicht ihren Job infrage. Denn: «Wir sind auf mein Einkommen angewiesen», sagt sie, «und wenn meine zwei Kinder nicht in die Freizeitbetreuung können und es so kurzfristig keine andere Lösung gibt, dann muss ich meinen Job wohl über kurz oder lang aufgeben. Und lande bei der Arbeitslosenkasse.»

Zumindest bis sie einen Job in der Nähe finden würde, wo sie nur vormittags arbeiten könne. «Die Arbeitslosigkeit kostet den Staat wohl mehr als zusätzliche Plätze in der Freizeitbetreuung.»

«Was machen wir bis dahin?»

Sie ist nicht die Einzige, die vom Platzmangel betroffen ist: Es gibt in der Freizeitbetreuung im Kindergarten Riedmatt 45 Plätze für Mittagsbetreuung und 35 für Nachmittagsbetreuung. 72 Kinder, die aufgrund der Kriterien einen Platz bekommen würden, konnten nicht untergebracht werden. Und das nur in den Quartieren Riedmatt, Riedpark, im Rank und Ammannsmatt – in der ganzen Stadt sind es wohl weit mehr, mutmasst Faltas.

Sie habe deshalb ihre Kinder mitgenommen und sei aufs Amt gegangen, sagt Faltas, um nach einer Lösung zu suchen. «Die Telefone hätten nur so geklingelt, hat man mir beim Amt für Kind, Jugend und Familie gesagt», sagt sie – und leider könne man im Moment nichts für sie tun, «obwohl die Zuständigen vom Amt sehr gerne helfen würden, weil es so viele Familien betreffe», sagt Faltas. Denn kurzfristig werde sich im Riedmatt wohl nichts ändern – zumindest bis das neue Schulhaus 2019, 2020 fertig gebaut sei. «Aber was machen wir in den drei bis vier Jahren bis dahin?», sagt Faltas. Der Rat des Amtes: «Am besten den politischen Weg einschlagen, zum Beispiel beim Stadt- und Gemeinderat anfragen, hat man uns gesagt, um eine Gesamtlösung für alle zu finden.»

Petition gestartet

Und dieser Vorschlag ist nicht auf taube Ohren gestossen. Faltas ist nur eine von einer ganzen Reihe von Müttern und Vätern aus dem Quartier, die sich zusammengeschlossen und am Freitagmorgen eine Online-Petition gestartet haben. Das Ziel: mehr städtisches Geld für familienergänzende Kinderbetreuung. Denn: «Gerade beim grossen Fachkräftemangel in Zug kann es doch nicht sein, dass berufstätige Frauen hier in der Riedmatt ihren Job aufgeben müssen – einfach weil es zu wenige Plätze hat», sagt Faltas.

Wir treffen uns im Schulhaus Riedmatt fürs Gespräch, neben Faltas sind auch Nicola Troppmann und Khalid Lyamani da – beide haben für ihre Kinder in der Freizeitbetreuung keinen Platz mehr bekommen. «Wir versuchen jetzt, die Petition so weit wie möglich zu streuen», sagt Troppmann, und Faltas ergänzt: «Mehrere Male haben wir uns schon getroffen, mit etwa zwanzig anderen Eltern aus dem Quartier. Aber betroffen sind natürlich viel mehr als das, und diese versuchen wir jetzt zu erreichen.» Mit Flyern, auf Facebook, und mit der Online-Petition.

«Ich will, dass meine Kinder sich hier in der Schule und im Quartier integrieren können.»

Nicola Troppmann

Troppmann arbeitet 50 Prozent, pendelt nach Sempach – ohne Freizeitbetreuung für die beiden Kinder geht das nicht. «Ich kann die Kinder ja erst um acht Uhr in den Kindergarten bringen und müsste sie dann um zwölf schon wieder abholen – mit einer halben Stunde Arbeitsweg ist das unmöglich», sagt sie. Deshalb gehen ihre beiden Kinder jetzt noch nicht in den Kindergarten, sondern bleiben in der privaten Kinderbetreuung. Das sei nicht optimal, sagt Troppmann. «Ich will, dass meine Kinder sich hier in der Schule und im Quartier integrieren können», sagt sie. «Aber so habe ich schlicht keine Wahl – ich kann meinen Job nicht aufgeben, damit die Kinder in den Kindergarten gehen können.»

Zug: Weltoffene Stadt, aber zu wenig Infrastruktur

Für Lyamani ist die Lage ähnlich: Sein Sohn startet im Sommer mit dem Kindergarten, die Tochter in der ersten Klasse. Diese hat einen Platz in der Freizeitbetreuung erhalten, der Sohn nicht. «So müssen unsere Kinder nun die Mittagszeit und Nachmittage getrennt voneinander verbringen und für den Sohn müssen wir eine andere Lösung finden. Wir haben keine Sekunde damit gerechnet, dass unsere Kinder nicht eine identische Lösung erhalten werden.»

«Jetzt müssen wir die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren, denn wir wollen in der Riedmatt bleiben und eine Lösung für alle suchen.»

Helen Faltas

In der Siedlung Riedpark sind viele Familien eingezogen; dass das Schulhaus Riedmatt aus allen Nähten platzt, ist seit Längerem bekannt. Dass es im Quartier so wenige Angebote für Freizeitbetreuung für Kindergartenkinder gibt, hätte sie nicht erwartet, sagt Troppmann: «Immerhin ist Zug eine weltoffene Stadt mit spannender Dynamik», sagt sie, «da passt es einfach nicht, dass es so wenige Plätze gibt. Wir wohnen ja alle gerne hier, und würden auch gerne hier bleiben.»

Lösungsvorschläge auf dem Tisch

Ideen, wie man das Problem lösen könnte, haben die drei deshalb schon einige. «Es gibt im Quartier mehrere Freizeiträume, die man mieten kann», sagt Faltas, «da könnte die Stadt vielleicht einen Raum übernehmen.» Damit wäre es aber nicht getan – qualifiziertes Personal braucht es ebenfalls. «Zur Arbeit können wir ja nur, wenn wir beruhigt sind, dass es unseren Kindern gut geht», sagt Faltas.

«Wir sind als Stadt auch dafür bekannt, dass wir pragmatische Lösungen finden.»

Vroni Straub, Stadträtin CSP

Die Stadt müsste also Geld für Betreuungspersonen sprechen. Eine andere Variante wäre die Zusammenarbeit mit Kindertagesstätten in der Umgebung. «In einer der Tagesstätten gäbe es jeden Mittag Platz für zwanzig Kinder, und die Betreuer haben auf Anfrage sogar angeboten, am Mittag jemanden zu schicken, der die Kinder hinüberbringe», sagt Faltas. «Andere Tagesstätten müssten wir noch angehen.»

Die Aktion kommt bei der Stadt gut an. «Ich begrüsse dieses Engagement aus dem Quartier sehr», sagt Stadträtin Vroni Straub. «Und ich bin überzeugt, dass wir in Zusammenarbeit mit den Eltern eine Lösung finden können. Wir sind als Stadt auch dafür bekannt, dass wir pragmatische Lösungen finden.» Die Stadt Zug habe zwar ein gutes Angebot, aber kein «bedarfsgerechtes», sagt Straub und meint: Die Nachfrage ist viel grösser als das Angebot. «Besonders in der Riedmatt, die so stark gewachsen ist.» Man habe zwar mit mehr Kindern gerechnet – «aber nicht mit so viel mehr, die auch eine ausserschulische Betreuung nachfragen», sagt Straub. «Der Anteil an betreuten Kindern nimmt stetig zu, da hinkt unser Angebot hinterher – leider.»

Liegt das budgettechnisch drin?

Trotzdem müsse man auch bedenken, dass es keinen gesetzlichen Anspruch auf Freizeitbetreuung gibt, sagt Straub. «Aber die Leute erwarten das heute natürlich genauso wie sie Schulinfrastruktur erwarten. Das verstehe ich auch.» Sie werde versuchen, in Zusammenarbeit mit den Eltern eine Lösung zu finden. «Dazu müssen wir Räumlichkeiten finden, an denen wir etwa einen Mittagstisch machen könnten», sagt Straub. Budgettechnisch ist die Gruppierung etwas spät dran: «Aber die Eltern zahlen ja auch etwas an so ein Angebot, deshalb glaube ich schon, dass wir das unterbringen können.»

Auch Faltas ist überzeugt, dass die Petition bei der Stadträtin auf offene Ohren stösst. «Wir haben das Gefühl, dass sie unserem Anliegen positiv gegenübersteht, und freuen uns sehr auf das Gespräch mit ihr», sagt Faltas. «Jetzt müssen wir die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren, denn wir wollen in Riedmatt bleiben und eine Lösung für alle suchen.»

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