Grundstück der Stadt Luzern

Land in Sicht: Wagenburg zügelt ins Ibach

Im Moment stehen die Bauwagen der Gruppe «Sous le pont» an der Kreuzung Eichwaldstrasse/Schäferweg.

(Bild: zvg)

Die Odyssee der Wagengruppe «Sous le pont» hat ein Ende: Sie kann auf ein städtisches Grundstück ins Industriegebiet Ibach zügeln. Trotz wenig attraktiver Nachbarschaft freuen sich Wagenburg und Stadt. Nun hoffen beide, dass keine Einsprachen eingehen.

Neben den Asylsuchenden in der Notunterkunft, den Prostituierten auf dem Strassenstrich und den Punks vom Sedel zügeln bald weitere Menschen ins Industriequartier Ibach, die viele andere Menschen nicht in ihrer Nachbarschaft möchten: Die neun Personen der Wagengruppe «Sous le pont» werden dort bald ihre 16 Bauwagen aufstellen – und damit wieder ein Daheim haben.

«Letzte Woche haben wir das Baugesuch eingereicht», bestätigt Tobias, ein Bewohner der Wagenburg, der seinen Nachnamen nicht im Internet lesen will. Vorausgesetzt, es gehen keine Einsprachen ein, könnte «Sous le pont» wohl im Sommer auf den Platz hinter dem Baugeschäft Anliker im Quartier Ibach ziehen.

«Wir sind sehr froh, dass wir einen Platz zum Bleiben haben», sagt Tobias. Die Umgebung des Industriequartiers störe sie überhaupt nicht, «wir fühlen uns nicht abgeschoben.» Auch wenn man mit allen bisherigen Nachbarn gut ausgekommen sei, findet Tobias: «Ich sehe es als Vorteil, dass wir hier sicher niemanden stören.»

Der zukünftige Standort der Wagenburg.

Der zukünftige Standort der Wagenburg.

(Bild: lru)

Im Februar hatte sich die Gruppe mit einem Brief an die Stadt Luzern gewandt und bat um Hilfe bei der Suche nach einem neuen Platz (zentralplus berichtete). Nach längerer Zeit beim Kulturhaus Südpol in Kriens musste «Sous le pont» sich wegen Bauarbeiten einen neuen Standort suchen. Weil ein neuer Platz gegenüber des Südpols am Widerstand der Nachbarn gescheitert war, besetzte die Wagenburg ein städtisches Grundstück beim Eichwäldli auf der Allmend.

Die Stadt erklärte sich zur Hilfe bereit und wollte die Gruppe beim Längweiher in Littau einquartieren – wogegen sich die Nachbarn wiederum wehrten. Nun darf die Wagenburg ins Ibach auf ein städtisches Grundstück zügeln. «Das ist eine sehr gute Lösung», sagt Baudirektorin Manuela Jost. Die Gruppe darf als Zwischennutzung für zwei Jahre auf dem Gelände bleiben. «Das Ziel ist, dass die Leute von ‹Sous le pont› sich in dieser Zeit einen dauerhaften Standplatz suchen können», sagt Jost. Dass die Gruppe eventuell auch länger als zwei Jahre am jetzigen Standort bleiben könnte, schliesst Jost nicht aus: «Das beurteilen wir zu gegebener Zeit.» Wenn keine Beschwerden eingehen, soll die Baubewilligung im Sommer vorliegen.

Hinter dem Gebäude der Anliker Bauunternehmung an der Reusseggstrasse befindet sich der neue Platz.

Hinter dem Gebäude der Anliker Bauunternehmung an der Reusseggstrasse befindet sich der neue Platz.

(Bild: lru)

Diesmal wollen die Nachbarn offenbar keine Steine in den Weg legen. An den neuen Nachbarn störe man sich nicht, sagt Markus Bürkle vom benachbarten Baugeschäft Anliker: «Im Gegenteil: Wenn jemand in der Nacht zu unserem Gelände schaut, ist das perfekt.» Seit der Strassenstrich sich im Ibach befinde, lägen ab und zu Kondome «und anderes ekliges Zeug» herum. Wenn das Quartier durch die Wagenburg belebt werde, sähe er für alle Anwesenden nur Vorteile, so Bürkle. «Solange sich niemand auf unserem Gelände herumtreibt, sind wir zufrieden.» Auch die Stadt geht nach Gesprächen mit Anrainern davon aus, dass die Neuankömmlinge «wohlwollend aufgenommen werden», wie Baudirektorin Jost es sagt.

Für die Abklärungen der Stadt muss die Wagenburg nichts bezahlen, wie der Stadtrat in der Antwort auf eine Interpellation der SVP-Fraktion schreibt. «Der Stadtrat ist der Ansicht, dass auch solche alternativen Wohnformen ihre Berechtigung in der Stadt Luzern haben dürfen.»

Für die Zwischennutzung des städtischen Grundstücks im Ibach muss die Gruppe «Sous le pont» jedoch eine Entschädigung entrichten, bestätigt Baudirektorin Jost: «Der genaue Betrag wird im Mietvertrag festgelegt. Dieser wird erst aufgesetzt, wenn die Baubewilligung vorliegt.»

Vom Nachbarn kann die Wagenburg Wasser und Strom beziehen.

Vom Nachbarn kann die Wagenburg Wasser und Strom beziehen.

(Bild: lru)

Wasser und Strom kann die Gruppe von einem Nachbarn beziehen. Das Abwasser wird direkt in einen bestehenden Kanalisationsschaft eingeleitet. Mehr brauche es nicht, sagt Tobias: «Wir haben uns so eingerichtet, dass wir nicht auf externe Infrastruktur angewiesen sind. Wir haben auch einen eigenen Internetanschluss.»

Trotzdem muss «Sous le pont» den Platz erst noch wagentauglich machen: Unter den Rädern und vor den Wägen werden sie den Humusboden durch Kies ersetzen. So würden sie den Boden schützen, sagt Wagenburg-Bewohner Tobias: «Und wir stehen nicht im Schlamm, wenn es einmal regnet.»

Strom- und Wasseranschluss stehen schon bereit – die Bauwägen von «Sous le pont» zügeln, wenn alles rundläuft, im Sommer.

Strom- und Wasseranschluss stehen schon bereit – die Bauwägen von «Sous le pont» zügeln, wenn alles rundläuft, im Sommer.

(Bild: lru)

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