Kritik zu Tatort-Krimi

Luzerner «Tatort»: Zu lau, zu lusch, zu langweilig

Flückiger bretzelt sich in seinem Boot für ein Date auf. (Bild: SRF/Daniel Winkler)

Von grossartig bis grottenschlecht: Die Qualität der Luzerner Tatort-Krimis ist heftig umstritten. zentralplus hat sich das neuste Werk angeschaut, welches diesen Sonntagabend ausgestrahlt wurde. Das Fazit fällt eher unerfreulich aus. Auch wenn Kommissar Flückiger eine neue Seite zeigt.

Darum gehts: Mit «Kleine Prinzen» inszeniert Markus Welter seinen ersten Luzerner «Tatort». Die Geschichte handelt von einer schönen Internats-Schülerin, die ermordet wird. Nach und nach tauchen bei den Ermittlungen der Kommissare Ritschard und Flückiger mehr Geschichten auf, die sich hinter den Mauern einer Luzerner Eliteschule abspielen. Dort gehts um Drogen, Affären und Erpressungen. Für die beiden Kommissare ist schnell klar: Die Gebrüder Al-Numi, die sich im Luzerner Hotel National verschanzen, hängen bei dem Mord mit drin. Doch deren Diplomatenstatus macht es verdammt schwer, an sie heranzukommen.

 

Filmkritik: Ich bin enttäuscht. Wirklich. Als Tatort-Fan und erste Lobhudlerin der letzten beiden Luzerner Tatorte muss ich diesmal sagen: Bö. Dieser Tatort lässt sich mit einem Wort beschreiben – dem Vornamen des Täters: Fad.

Begonnen hat das Ganze ja eigentlich vielversprechend. Die Farbgebung gefällt, die Wechsel zwischen dem einschlafenden Lastwagenfahrer und den Videoaufnahmen des Opfers in der Badi bauen Spannung auf. Zudem spielt Urs Jucker den verzweifelten Fritz Loosli absolut grandios – tolle Szene mit den Kindern, ergreifender Zusammenbruch beim Verhör und schön zusammenschlagen lässt er sich auch. Schade, dass seinem Part nicht mehr Platz eingeräumt wurde.

Denn fast alles, was nachher kam, war klischeebeladen: Mit reichen Schnöseln der Eliteschule und bösen, arabischen Scheich-Söhnen. Es fehlte an Spannung, an Action und witzigen Dialogen. Der Täter blieb bis zum Ende relativ farblos, die beste Freundin wenig spannend, keine Dringlichkeit war zu spüren. Und der Versuch, Kommissar Flückiger ein Privatleben zu geben – der war herzlich lieblos gestaltet.

Wo bleibt der Charakter?

Ich bin ein Fan von spannenden Kommissaren-Figuren. Solchen mit Charakter, mit Problemen, mit Charme, mühsamen Verwandten oder schrägem Humor. Doch der Luzerner Tatort lässt damit noch immer auf sich warten. Die Kommissare bleiben nicht greifbar. Nach den beiden Ausrastern in «Schutzlos» und «Ihr werdet gerichtet» sah ich den Stern schon langsam am Horizont aufgehen. Doch bei «Kleine Prinzen» ist der schneller wieder verschwunden, als der nackte Praktikant sich bedecken konnte.

Flückiger eine Liebesgeschichte zu schenken war ja eine nette Idee – in der Ausführung haperte es aber gewaltig. Ein paar lächelnde Blicke aufs Smartphone und ein Mini-Gespräch beim Bier in der Bar58 reichen dazu einfach nicht aus. Der von der Spurensichererin Corinna Haas abgeschleppte Praktikant mit seinem kurzen Nacktauftritt lockerte das Ganze hingegen etwas auf. Danke dafür. Hab auch ganz sicher nicht zurückgespult.

Ausgelutschte Thematik, abgenutzte Video-Rückblenden

Aber jetzt ernsthaft. Irgendwann haben wir die Bikiniaufnahmen von Ava Fleury in der Badi wirklich oft genug gesehen. Ja, sie sieht bezaubernd aus. Aber beim zehnten, gleichen Einspieler fragt man sich, ob vielleicht einfach zu wenig anderes Filmmaterial vorhanden war. Und ehrlich gesagt ist das ganze Diplomatenimmunität-Thema im Krimi doch langsam echt ausgelutscht.

Auch das Ende war nicht wirklich spannend, da man zum «Psycho-Prinzen» nicht wirklich eine Beziehung aufgebaut hat. Und ich auch nicht zum dauerleidenden Vater.

Die Schauspieler

Delia Mayer als Liz Ritschard – meiner Meinung nach eigentlich mit viel Potenzial. Aber gebt ihr mal wieder ein Schätzchen oder lasst sie über die Stränge schlagen.

Stefan Gubser als Reto Flückiger funktionierte dieses Mal für mich wieder überhaupt nicht. Debil ins Handy lächeln und aus dem Nichts heraus illegal Beweismittel sichern – schlicht nicht glaubhaft.

Flurin Giger mimt den Schnösel Tom überzeugend – er geht so richtig auf die Nüsse. Und im Spital packt er zum Schluss noch einen oben drauf. Und die Frisur sitzt.

Die Wüstenprinzen haben mich wenig beeindruckt. Obwohl zum Schluss der ältere Bruder, gespielt von Nadim Jarrar, doch noch sein Potenzial als richtiger Bösewicht offenbart.

Aber Urs Jucker als Lastwagenfahrer Fritz Loosli steckt sie alle in die Tasche.

Seltsames und Unrealistisches

Lustig, dass das Kollegium St. Fidelis in Stans plötzlich am Pilatus steht. Ganz persönlich hab ich mich natürlich sehr darüber gefreut, wieder einmal einige Blicke in meine alte Schule zu werfen. Ein kleiner Pluspunkt, welcher jedoch nur für sehr wenige Zuschauer ebenfalls so erheiternd sein wird wie für mich.

Noch lustiger ist der kurze Kostümauftritt des Scheichs und seines älteren Sohnes, die in weisser Vollmontur ins Büro der Ermittler platzen. Jaja. Wir habens geschnallt, die haben viel zu sagen, sie sind Diplomaten. Und selbstverständlich darf dabei auch der Link zur Fifa nicht fehlen.

Eine nette Szene ist der «Urin-Deal»: Flückiger bekommt Infos vom Schüler, welcher an einer Wäscheleine sauberen Urin in Kondomen zum Verkauf anbietet. Der Schüler redet, dafür schweigt Flückiger über den lukrativen Nebenjob.

Langweilig: Mattmann lässt sich wieder von der Politik instrumentalisieren. Dann scheint er mal kurz doch Eier zu beweisen, dann doch nicht, dann ein bisschen. Nun ja. Seine stereotype Rolle scheint fix gesetzt zu sein.

Unrealistisch ist doch wirklich, dass ständig ein Bodyguard vor der Suite der Gebrüder Al-Numi steht – und kaum kommt der mordlüsterne Papi um die Ecke, um den Wüstensohn zu erschiessen, stehen Tür und Tor offen.

Note für den Film (von 1 bis 6): 3

Note für Kommissar Flückiger: 3

Note für Kommissarin Ritschard: 5

Hinweis: Gleich nach der Ausstrahlung des Luzerner Tatorts diesen Sonntagabend werden wir auch über das obligate und meist recht fiese Twitter-Gewitter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz berichten!

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


1 Kommentar
  • Profilfoto von Regula Aeppli
    Regula Aeppli, 14.03.2016, 14:02 Uhr

    Danke für das:
    «Eine nette Szene ist der «Urin-Deal»: Flückiger bekommt Infos vom Schüler, welcher an einer Wäscheleine sauberen Urin in Kondomen zum Verkauf anbietet. Der Schüler redet, dafür schweigt Flückiger über den lukrativen Nebenjob.»
    Es wurde nämlich soviel genuschelt oder unverständlich aufgenommen von der Tontechnik her, dass wir als Familie diesen Part überhaupt nicht verstanden haben. Bin übrigens nicht auf weiter Flur alleine mit meiner Kritik, was die Tonqualität betrifft.

    Ich bin nicht der Meinung, dass alle Kommissare noch ihr Privatleben ausbreiten müssten im Tatort. Es soll um den Fall selber gehen und nicht um komplizierte Beziehungen. Auch damit stehe ich nicht allein da – lies mal rein in die Tatort-Fangruppe auf Facebook, Jana. 😉 https://www.facebook.com/groups/279555442094048/

    Ansonsten aber bin ich mit deinem Eindruck einverstanden.

    Liebe Grüessli – Regula

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon