Einmaliger Einblick in neues ZHB-Lager

Unter Robotern: Wo die alten Bücher wohnen

70 Meter lang, 15 Meter hoch: Elf solcher Reihen bieten Platz für 3,1 Millionen Bücher, das sind zehn Stück für jede Luzernerin, jeden Luzerner. (Bild: Marc Hodel)

Ab Februar stehen fast drei Millionen Bücher in der neu gebauten Speicherbibliothek im luzernischen Büron. Auch die ZHB Luzern zügelt ihr Aussenmagazin. zentral+ schaute sich in einem lebensfeindlichen Klima um – bei Robotern und dünner Luft.

Leuchtstoffröhren beleuchten eine fensterlose Halle, elf enge, schier endlose Regalreihen. In jeder Reihe fährt ein Roboterkran auf und ab und schiebt graue Plastikboxen in die Regale. Kälte strömt uns entgegen. Die Halle hat den Charme eines Atomkraftwerks.

Einmal pro Woche betritt ein Mensch diesen Raum. Ausgerüstet mit Helm, Stahlkappenschuhen, Schnittschutzjacke und Atemmaske geht der Hauswart die Reihen auf und ab und schaut zum Rechten.

Die Luft im neu gebauten Bücherlager der ZHB Luzern enthält gleich wenig Sauerstoff wie auf dem Mont Blanc: 13 Prozent. Wer in der Halle arbeiten will, muss einen Gesundheitstest bestehen – und nach spätestens zwei Stunden wieder an die frische Luft.

Das lebensfeindliche Klima in der Halle soll verhindern, dass der wertvolle Bestand beschädigt wird: «Bei so wenig Sauerstoff können die Bücher nicht brennen», erklärt Mike Märki, Geschäftsführer der Kooperativen Speicherbibliothek. Hier lagern die ZHB Luzern und vier weitere Schweizer Bibliotheken bald jene Bücher ein, die in ihren Magazinen keinen Platz mehr finden.

 «Wir sind ein Industriebetrieb und keine Bibliothek.»

Mike Märki, Geschäftsführer

Fünf Bibliotheken vereint

Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, die Zentralbibliothek Zürich, die Universitätsbibliothek Basel, die Hauptbibliothek Universität Zürich und die Zentralbibliothek Solothurn betreiben das Lager gemeinsam. Sie teilen sich die Kosten des Betriebs, für den Kanton Luzern werden es schätzungsweise 2.5 Millionen Franken pro Jahr sein.

Mike Märki rechnet damit, dass sich bald weitere Bibliotheken ihre Bücher nach Büron bringen werden. Wenn mehr Platz benötigt wird, kann das Lager bis zu einem Fassungsvermögen von rund 14 Millionen Büchern ausgebaut werden.

2013 haben die Luzerner Stimmberechtigten einem 29-Millionen-Kredit für die Errichtung und den Betrieb eines gemeinsamen Aussenlagers für die ZHB und für weitere Bibliotheken zugestimmt (siehe Box). Seit eineinhalb Jahren wird im Industriequartier von Büron, nördlich von Sursee, gebaut.

Am 1. Februar wird das erste Buch eintreffen, bis dahin ist noch viel zu tun. «Jeden Tag kommen zwei bis vier Sattelschlepper randvoll mit grauen Bücherboxen», erklärt Märki, bald sind alle 110’000 Boxen da. Stolz zeigt der Geschäftsführer die Anfahrtsrampen für die Lastwagen: «Eigentlich sind wir ein Industriebetrieb und keine Bibliothek.»

«Wenn das hier mal automatisch läuft? Baue ich Überstunden ab!» Geschäftsführer Mike Märki führt mit sprödem Charme durchs Lager.

«Wenn das hier mal automatisch läuft? Baue ich Überstunden ab!» Geschäftsführer Mike Märki führt mit sprödem Charme durchs Lager.

(Bild: Marc Hodel)

Wie in einer Fabrik sind auch die Abläufe, wenn man zu Hause ein Buch aus der Speicherbibliothek bestellt. Ein Roboterkran in der Regalhalle setzt sich dann automatisch in Bewegung. Zielsicher holt er die Kiste mit dem bestellten Buch und bringt sie über ein Fliessband zum sogenannten Kommissionsplatz.

Dort haben die drei Lageristen einen einfachen Job: Sie picken sich das richtige Buch aus der Lagerbox, scannen es und legen es in die Transportbox. Wie bisher mit dem Aussenmagazin in Entlebuch kommt zweimal täglich der ZHB-Kurier vorbei und bringt die Bücher in die Stadt.

 «Wenn ein Mitarbeiter ein Buch falsch versorgt, finden wir es nie mehr.»

Mike Märki, Geschäftsführer

Nur die British Library und die norwegische Nationalbibliothek betreiben ähnliche Bibliothekslager. Das Luzerner Aussenlager wird zu den modernsten der Welt gehören. Anders als in einer Freihandbibliothek muss kein Mensch das Ordnungssystem in der Lagerhalle verstehen: Welches Buch sich in welcher Box befindet und welche Box in welchem Regal, steuert der Computer.

Die Ordnung ändert sich von Tag zu Tag. Trotz Automatisierung ihrer Jobs dürfen sich die Menschen im System – die Lageristen – keine Fehler erlauben: «Wenn ein Mitarbeiter ein Buch falsch versorgt, finden wir es nie mehr», betont Mike Märki. Dann schliesst er die Tür zum Regallager. Die Roboter sind wieder unter sich.

Was ändert sich für die Kunden?

Mit dem neuen Aussenlager entsteht nicht nur Platz für neue Bücher, es wird auch Platz gemacht: Die Doubletten in der Speicherbibliothek werden aussortiert, nur die am besten erhaltenen Exemplare dürfen bleiben.

Für die Kunden der ZHB bedeutet das zum Beispiel: Wenn ein bestimmtes Buch aus dem ZHB-Magazin bereits ausgeliehen ist, können sie nicht mehr nach Zürich gehen und es dort ausleihen. Denn beide Bibliotheken besitzen von gewissen Büchern nur noch ein gemeinsames Exemplar. Es handelt sich um «für die Nachwelt erhaltenswerte Bücher von mittlerer Aktualität, die nicht mehr häufig benutzt werden», sagt Verena Bider, Co-Direktorin der ebenfalls beteiligten ZB Solothurn der Solothurner Zeitung.

Nicht mehr ausgeliehen werden viele alte Zeitungen und Zeitschriften, die bald in Büron lagern. Die Speicherbibliothek scannt oder kopiert die gewünschten Artikel selber, die Kopie macht den elektronischen Weg nach Luzern. Dieser Service werde kostenpflichtig sein, sagt Geschäftsführer Mike Märki.

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