Dem Zerfall überlassen

Luzerner Weltkulturerbe geht still unter

Schutzbedürftig: Pfahlbau-Siedlungen in der Zentralschweiz. (Bild: Amt für Denkmalpflege und Archäologie Kanton Zug)

Im Kanton Luzern befinden sich drei der bedeutendsten Pfahlbausiedlungen weltweit. Obwohl von der Unesco als Weltkulturerbe eingestuft, fehlt den Behörden das Geld für die Erhaltung. Nun drohen die Stätten allmählich zu zerfallen.

Ihre Entdeckung sorgte vor Jahren für Aufsehen: Die Zentralschweizer Funde aus vorgeschichtlicher Zeit kamen einer Sensation gleich – besonders diejenigen von den Pfahlbauten (zentral+ berichtete). Zahlreich vertreten ist in dieser Hinsicht auch der Kanton Luzern.

Über 40 Überreste von Pfahlbausiedlungen sind rund um die Luzerner Seen bekannt. Drei davon sind so bedeutend, dass sie auf der Liste des Unesco Weltkulturerbes stehen. «Die Fundstellen in Egolzwil, Sursee und Hitzkirch sind einzigartig im Alpenraum», sagt Ebbe Nielsen, stellvertretender Luzerner Kantonsarchäologe. Diese prähistorischen Seeufersiedlungen, die bis zu 6’300 Jahre alt seien, gehörten zu den bedeutendsten archäologischen Kulturgütern der Welt.

«Dabei handelt es sich um weit mehr als um Überreste von Holzpfählen, die im Seegrund stecken», wie Nielsen verdeutlicht. Nebst Keramik, Waffen und Werkzeugen habe man an solchen Orten auch schon Schmuck entdeckt. Sogar die ältesten noch erhaltenen Textilien Europas würden von den Pfahlbauern stammen.

Sinkende Wasserpegel sind besonders bedrohlich

Ob die letzten Zeugen unserer Vorfahren und ihrer Kultur für künftige Generationen erhalten bleiben, ist fraglich. «Die Funde sind äusserst fragil», warnt der Fachmann. Der Zahn der Zeit nage mehr denn je an den Objekten, wie Kontrollen gezeigt hätten. «Der Zerfall ist teils massiv.» Und vor allem schreite dieser schnell voran.

Dafür verantwortlich sind laut Nielsen zwei Faktoren: Die Bedrohung durch menschgemachte Ursachen und die Zerstörung durch natürliche Vorgänge. «Zu ersteren gehören der intensive Motorbootverkehr, das Ankern von Schiffen und Bautätigkeiten im Uferbereich. Das ist in Luzern aber kein Problem.» Besonders verheerend sei jedoch die künstliche Absenkung des Wasserspiegels, so Nielsen weiter. Dies beschleunige die natürliche Zersetzung durch Erosion wie zum Beispiel Wellen. «Aber auch Algen oder Verschlammung sind Probleme in untiefen Wassern.»

Zentralschweiz ist Hotspot

2011 hat die Unesco die prähistorische Pfahlbauten rund um die Alpen zum Welterbe erklärt. Von den 40 Fundorten im Kanton Luzern gehören drei zum Unesco Weltkulturerbe. Vermutet werden allerdings noch viel mehr Überreste. Die Luzerner Seenlandschaft gilt als Hotspot für Pfahlbau-Siedlungen. Die Älteste befindet sich im heutigen Wauwilermoos, wo früher auch ein See war.

Auch im benachbarten Kanton Zug sind 33 Standorte mit Resten von über 50 Pfahlbau-Dörfern bekannt. Die drei Zuger Fundstellen seien von ihrer Bedeutung her mit den Pyramiden in Ägypten, dem Schloss von Versailles in Frankreich oder der Chinesischen Mauer vergleichbar, so das Zuger Amt für Archäologie und Denkmalschutz.

Allerdings seien nicht alle Fundstätten gleichermassen gefährdet. Je nach Ort und Umgebung ist der Zustand unterschiedlich. «In Egolzwil sieht es ein bisschen besser aus. Da liegt alles tief im Grund des früheren Sees, der im 19. Jahrhundert verlandet ist», erklärt Nielsen. Auch die Stelle bei Sursee im Sempachersee sei von ihrer Lage her etwas mehr geschützt. Hier würden die Überreste etwas tiefer unter dem Wasser liegen.

«Akut ist die Lage vor allem in Hitzkirch am Baldeggersee», betont Nielsen. Hier liege der Wasserspiegel knapp unter der Fundstelle. «So setzt die Erosion dem Fund besonders zu.» Der See «knabbere» sozusagen an den wertvollen Überresten.

Geld für Schutzmassnahmen fehlt

Als Schutzmassnahmen hat man in Luzern über Spundwände oder Unterwassermauern nachgedacht. Auch die Abdeckung mit Sand und Kies würde die zerstörerische Erosion abhalten, so der stellvertretende Kantonsarchäologe. «Allerdings sind diese Massnahmen sehr kostspielig und in Luzern deshalb kein Thema.»

Wie teuer der Schutz des Luzerner Welterbes wäre, kann Nielsen nicht genau beziffern. «Dafür fehlt uns eine umfassendere Bestandesaufnahme.» Mit einer solchen habe man zwar begonnen, diese aber schon nach einem Jahr mangels Geld wieder abbrechen müssen, bedauert Nielsen. «Für weitergehende Abklärungen fehlen uns leider noch immer die finanziellen Mittel.» Denkbar wären auch Notgrabungen, wie sie zum Beispiel im Kanton Bern gemacht würden. «Solche sind jedoch ebenfalls zu teuer.»

Dabei sei die Erhaltung für die Nachwelt von grosser Bedeutung, «auch wenn die Überreste im Wasser bleiben und darum nicht sichtbar sind», so Nielsen. Die Funde müssten auch nicht besonders schön oder wertvoll sein. «Ihr Wert besteht darin, dass sie uns zeigen, wie unsere Vorfahren gelebt haben.» Einzigartig seien die Erkenntnisse aus solchen vorgeschichtlichen Funde insbesondere, weil es keine anderen Quellen aus dieser Zeit gebe.

Schweizer Pfahlbauten in einem Beitrag der Unesco

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