Regenbogenfamilien

«Es braucht volle Gleichstellung»

«Vielfalt ist Realität» heisst das Thema des Winterfests von «Queer Office», an welchem sich mit dem Familienbegriff auseinandergesetzt wird. (Bild: Ausschnitt aus einem Malbuch des Vereins Regenbogenfamlien)

Homosexuelle Paare können in der Schweiz in einer eingetragenen Partnerschaft leben. Heiraten können sie jedoch nicht. Und richtig komplex wird es, wenn ein homosexuelles Paar Kinder hat. Aber nicht nur aus rechtlicher Sicht muss sich hier noch einiges tun, sagt Expertin Maria von Känel.

Patchworkfamilien, Einelternfamilien, Regenbogenfamilien, Pflegefamilien, Wahlfamilien – Familien sind in Realität so viel mehr als die traditionelle Kernfamilie von Vater, Mutter und Kind. In der Öffentlichkeit scheint jedoch nur die traditionelle Familienform zu existieren. Nun veranstaltet der Luzerner Kulturverein «Queer Office» in Zusammenarbeit mit dem schweizerischen Dachverband «Regenbogenfamilien» ein Winterfest im Treibhaus zum Thema «Future Families: Vielfalt ist Realität».

Zusammen wollen sie aktiv Normen und Strukturen hinterfragen und Horizonte erweitern. Sie greifen dabei Gesellschaftsthemen wie Homosexualität, Transidentität und Familienvielfalt auf und setzen sich für die gleichwertige Anerkennung der realen Vielfältigkeit von Familienmodellen in der Gesellschaft und Politik ein.

Überholtes Familienbild

Kathy Bajaria ist eine der vier Personen von «Queer Office», die sich für das Thema dieses Winterfests entschieden haben. «Wir hatten allgemein das Gefühl das Familie ein sehr wichtiges und umstrittenes Thema ist, was alle Altersgruppen und Kulturen betrifft. Das enge Verständnis, das viele von uns haben, schliesst sehr viel Menschen aus.» Deshalb hätten sie dieses Thema für das diesjährige Winterfest gewählt.

«Was eine Familie ausmacht, ist mehr als Blutsverwandtschaft oder das biologische Geschlecht der Eltern.»
Maria von Känel, Geschäftsführerin Dachverband Regenbogenfamilien

«Es interessiert auch die rechtliche Seite, wie sieht die rechtliche Situation für verschiedene Lebens- und Familienmodelle aus. Nur etwa ein Drittel der Menschen in der Schweiz leben in der meist wahrgenommenen Familie von Mann, Frau und Kind.» Das zeige, dass es in der Realität nicht die Norm sei und dass über 60 Prozent der Familien in anderen Konstellationen leben (zentral+ berichtete). «Wir finden es wichtig, diese reale Vielfalt wahrzunehmen, rechtlich abzusichern und zu feiern», so Bajaria.

Rechtlich nicht zeitgemäss

Maria von Känel, Geschäftsführerin des Dachverbands «Regenbogenfamilien» weiss, wo die Probleme liegen. Auch sie selbst lebt mit ihrer Frau und den zwei Kindern in Zürich. Sie erklärt im Interview, was sich in unserer Gesellschaft und vor allem in der Politik noch ändern muss, um Regenbogenfamilien den Alltag zu vereinfachen.

zentral+: Frau von Känel, was muss sich in der Wahrnehmung der breiten Bevölkerung zum Thema «homosexuelle Elternpaare» noch verändern?
Maria von Känel: Die Wahrnehmung von Eltern beziehungsweise Familie muss sich der Realität anpassen, denn neben der klassischen Kleinfamilie gibt es verschiedene andere Familienformen. Was eine Familie ausmacht, ist mehr als Blutsverwandtschaft oder das biologische Geschlecht der Eltern. Eine Familie zu sein, heisst: gegenseitige Fürsorge pflegen, Vertrauen haben, Verantwortung tragen, Sicherheit geniessen und geborgen sein. Diese Grundwerte können Eltern ungeachtet ihrer Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung vermitteln.

zentral+: Welches sind die Schwierigkeiten, die man als homosexuelles Elternpaar eher hat als heterosexuelle Paare?

Das Festival zum Thema

«Future Families: Vielfalt ist Realität» ist die vierte Veranstaltung, die von Queer Office zu LGBTQI* Themen präsentiert wird. «Future Families» findet am Wochenende vom 7. und 8. Februar 2015 im Treibhaus Luzern statt und wird zusammen mit dem Verein Regenbogenfamilien präsentiert.

Hauptprogrammpunkt wird die Diskussion über die Abstimmung der CVP Initiative «Für Ehe und Familie – Gegen die Heiratsstrafe» sein.

*Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer, Questioning and Intersex


von Känel: Obwohl Familien sich unabhängig der Geschlechtsidentität oder der sexuellen Orientierung der Eltern bilden, wird die traditionelle Kernfamilie in Medienberichten, in der Familienpolitik und in der Schule nach wie vor als gesellschaftliche Norm und Vorbild genommen. Regenbogenfamilien können deshalb nicht davon ausgehen, dass ihre Familienform als selbstverständlich anerkannt wird. An diesem Punkt muss aber angesetzt werden. Es braucht neben der dringenden rechtlichen Absicherung auch eine klare, gleichberechtigende Haltung gegenüber den vielfältigen Familienformen. Regenbogenfamilien sollen sich frei entfalten und ohne Vorbehalte und Vorurteile aus ihrem Leben erzählen können.

zentral+: Welches sind die rechtlichen Schwierigkeiten?
von Känel: Es besteht derzeit keine rechtliche Anerkennung der Familie. Kinder in Regenbogenfamilien leben nämlich in den meisten Fällen mit zwei Elternteilen zusammen, doch rechtlich wird nur einer von beiden anerkannt. Das heisst im Trennungsfall der Eltern besteht kein gesetzlicher Anspruch auf einen weiteren Kontakt und auch der Unterhalt ist nicht geregelt. Im Falle des Todes des leiblichen Elternteils ist unklar, ob das Kind beim zweiten Elternteil verbleiben kann. Im Falle des Todes des zweiten Elternteils hat das Kind keinen rechtlichen Erbanspruch und auch keinen Anspruch auf Waisenrente.

Bisher wird Kindern in Regenbogenfamilien allein wegen der sexuellen Orientierung ihrer Eltern faktisch der zweite rechtliche Elternteil verwehrt. Mit dem künftigen Gesetz der Stiefkindadoption können diese Kinder rechtlich gleich abgesichert werden wie alle anderen Kinder.

Weitere Schritte wie die Möglichkeit zur gemeinschaftlichen Adoption und dem Zugang zu fortpflanzungsmedizinischen Verfahren müssen folgen. Es braucht volle Gleichstellung, welche letztendlich nur durch die Öffnung der Ehe erreicht werden kann.

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