Luzerner Kriminalgericht

«Grosse Liebe» mit HIV angesteckt

Was romantisch begann, endete mit einer Aids-Ansteckung. Das Luzerner Kriminalgericht muss nun ein Urteil fällen (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Ein 37-jähriger Schweizer hat eine Brasilianerin mit dem HI-Virus angesteckt. Sie habe von seiner Krankheit gewusst, als sie mit ihm ungeschützten Verkehr hatte, sagt er. Sie habe es erst später erfahren, sagt sie. Nun muss das Kriminalgericht die Vorwürfe beurteilen.

Vieles war bei der Verhandlung vor dem Luzerner Kriminalgericht unbestritten. Dennoch blieb die entscheidende Frage offen: Wusste die damals 27-jährige Frau, dass ihr Partner HIV-positiv war, als sie mit ihm ungeschützten Sex hatte? Es war Mitte Juli 2008, als sich die beiden in Rothenburg kennenlernten. Die junge Brasilianerin machte einen Familienbesuch in der Schweiz. Die beiden gingen mehrmals miteinander aus und hatten geschützten Sex. «Es war die grosse Liebe», sagte der 37-jährige Schweizer heute vor Gericht. Im August dann zog sie mit ihrem Sohn bei ihm ein. Ab diesem Zeitpunkt verzichteten die beiden auf die Verhütung. Dass er das Virus in sich trage, habe sie nicht gewusst. Er habe es ihr erst bei ihrer Abreise Ende Dezember 2008 erzählt, vier Monate nachdem sie eingezogen war. Durch den ungeschützten Sex hatte sie sich ebenfalls mit dem HI-Virus infiziert.

«Grosse Liebe»

Das stimme nicht, so der Beschuldigte heute vor dem Kriminalgericht. Dort war er wegen «schweren Körperverletzung» und «Verbreiten menschlicher Krankheiten» angeklagt. Er habe ihr zuvor in einem Café von seiner Krankheit erzählt. «Ich hätte keinen Grund gehabt, es ihr einen Tag vor der Abreise zu sagen.» Mehr noch: Sie habe auf ungeschützten Verkehr bestanden, als sie bereits davon wusste. Auf seinen Einwand habe sie mit «No Problem» reagiert. «Mir tut das sehr leid», so der Angeklagte, sagte aber auch: «Ich fühle mich nicht alleine schuldig. Sie wollte auch ungeschützten Verkehr.» Dem Kriminalrichter klang das nicht plausibel: «Wenn Sie von grosser Liebe sprechen, sollten Sie doch umso mehr besorgt sein, dass Sie darauf bestehen, einen Präservativ zu benutzten.»

Es war nicht das einzige Mal, dass der Beschuldigte seine Krankheit verschwieg und ungeschützten Geschlechtsverkehr hatte. Nur etwas später – im Januar 2009 – hatte er mit einer anderen Frau Sex, informierte sie aber erst nach dem Akt. Auch hier sprach der 37-Jährige von «grosser Liebe».

«Opfer wird immer leiden»

«Fakt ist, das Opfer wurde vom Beschuldigten angesteckt», hielt die Staatsanwaltschaft fest. Das juristische Verfahren sei zwar irgendwann abgeschlossen, «das Opfer aber ist für immer HIV-positiv.» Das Verhalten sei egoistisch gewesen und habe lediglich seiner Befriedigung gedient. «Das Opfer litt, leidet und wird immer zu leiden haben.» Nachdem die Brasilianerin die Diagnose HIV-positiv erhalten habe, sei eine Welt zusammengebrochen. «Sie wurde depressiv, was auch die beiden Kinder zu spüren bekommen», so der Staatsanwalt. Sie forderte eine Freiheitsstrafe von 30 Monaten, davon 10 unbedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren. «Er hat sich einer schwerwiegenden Straftat schuldig gemacht.» 

Die Verteidigung hingegen forderte einen Freispruch. «Dass sie auf ungeschützten Geschlechtsverkehr drängte, hatte mit den Umständen zu tun. Sie wollte in der Schweiz bleiben. Sie wollte ihn heiraten. Als er ihr aber sagte, dass eine Heirat nicht in Frage käme, setzte sie die Pille ab und wollte ein gemeinsames Kind.» Dass er ihr einen Tag vor der Abreise von der Krankheit erzählt habe, mache keinen Sinn. Dann hätte er auch nichts sagen können. «Es kann nicht von Täter und Opfer gesprochen werden», so die Verteidigung. Beide Personen seien in gleicher Weise verantwortlich.

Die Privatklägerin forderte eine Genugtuung (60’000 Franken) und Schadenersatz (7’500 Franken) für die medizinische Behandlung. «Ich kann es leider nicht mehr rückgängig machen. Mir tut das ganze riesig leid», sagte der Beschuldigte am Ende der Verhandlung.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Sandro Portmann
    Sandro Portmann, 30.01.2015, 13:23 Uhr

    Vielen Dank für den Hinweis. Sie haben natürlich recht, was den Titel betrifft. Wir haben ihn entsprechend angepasst.

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  • Profilfoto von Michele Meyer
    Michele Meyer, 29.01.2015, 18:45 Uhr

    Der Artikel ist schwer zu lesen, wenn mensch im Thema drin ist und sich auskennt. Angefangen beim Titel: Niemand kann mit Aids angesteckt werden, bzw sich mit Aids anstecken. Ich denke, das ist unterdessen, 30 Jahre nach der Entdeckung des HI-Virus bekannt und der Titel soll Aufmerksamkeit erregen.
    Eine Aufmerksamkeit, die wir Menschen mit HIV teuer bezahlen, wird sie doch so oft bemüht und zementiert unnötig Ängste, Vorurteile und Stigma.
    Leider ist der ganze Artikel gespickt mit Halbwissen, Vorurteilen und falschen Bildern zum Leben mit HIV.
    Wozu eigentlich?
    Wem nützt es denn, wenn eine HIV Infektion mit Aids gleichgesetzt wird?
    Wem nützt es, wenn das Grauen und Leiden deart überzeichnet wird?
    «Sie litt, leidet und wird immer leiden.» Das ist kein Gesetz. Es gibt Menschen, die leben gut/glücklich etc, auch mit HIV. Vielleicht nicht sofort nach der Diagnose, aber das Leben endet damit nicht.
    Und warum bleiben wirklich interessanten Fragen ungestellt?
    – Ist der Angeklagte in Behandlung? Und falls ja: seit wann; ist seine Behandlung erfolgreich; sprich: ist der Mann überhaupt infektiös?
    – Ist in irgendeiner Form gesichert, dass die Frau vor der Beziehung HIV-negativ war ,und, dass sie tatsächlich nur mit diesem einen Mann ungeschützten Sex hatte?
    – Wurden die Virenstämme untersucht?
    – Warum wird der Art 231 StGB angewendet? Nach dem revidierten Epidemiengesetz ist er in diesem Fall von einer 1:1 Übertragung nicht anwendbar.
    – Warum wird nie gefragt, weshalb solche Verhandlungen immer erst nach Beendigung der Beziehungen geführt werden…
    – Wann wird das Urteil erwartet?
    so viele Fragen und ein fahler Geschmack.

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