Juso-Aktion an Luzerner Vonmattstrasse

Hausbesetzung gescheitert

Joël Mayo, Präsident der Juso Luzern, nach der misslungenen Aktion an der Tribschenstrasse 51, wo sich das Kollektiv nach der versuchten Besetzung traf. (Bild: Nina Laky)

Am Donnerstagabend wollte die Juso Luzern das leerstehende Haus an der Vonmattstrasse 22 besetzen. Es war nur eine Besetzung für den Abend geplant, um auf den Verlust von günstigem Wohnraum aufmerksam zu machen. Doch die Polizei erwartete die Juso bereits.

Vor dem Denner an der Sälistrasse versammelten sich am Donnerstag gegen Abend rund 60 Personen. Ihr Ziel war es, gemeinsam das Haus an der Vonmattstrasse 22 zu besetzen. Eine Hausbesetzung nur für einen Abend. Doch dazu kam es nicht. Die Aktion fiel ins Wasser, die Anwesenden blieben trotzdem zwei Stunden im Park in der Nähe – zu Linsensuppe und Dosenbier.

Alles entspannt

Denn die Polizei wartete bereits vor dem Gebäude. Urs Wigger, Mediensprecher der Luzerner Polizei erklärt: «Wir hatten einen Hinweis erhalten, dass an diesem Abend an der Vonmattstrasse 22 etwas vorfallen könnte. Deshalb fuhren wir mit einer Patrouille vor Ort.» Es habe keine Versuche der Anwesenden gegeben, in das Hause einzudringen und deshalb habe die Polizei auch nicht eingreifen müssen. «Wir haben mit den Personen vor Ort gesprochen und das war es auch schon», so Wigger.

Die Organisatoren sind enttäuscht. Wollten sie doch mit der abendlichen Hausbesetzung einen Diskurs über leerstehenden Wohnraum anregen und die Eigentümer des Hauses mit ihrer Kritik konfrontieren. «Ein konstruktives Gespräch steht für uns im Vordergrund», sagt Joël Mayo, Präsident der Juso Luzern.

Wer besetzt das Haus?

Joël Mayo erklärt die Aktion: «Wir wollten mit der Aktion auf den Verlust von günstigem Wohnraum aufmerksam machen.» Die Leerwohnungsziffer in der Stadt Luzern betrage 0,8 Prozent. «Es ist unverantwortlich, dass unter solchen Umständen Häuser aus Eigeninteresse von Eigentümern besetzt werden. Das Haus an der Vonmattstrasse 22 steht sei mehr als einem Jahr leer», kritisiert Mayo. Das Haus sei bewohnbar und würde Wohnraum für 42 Personen bieten. Trotzdem stehe es leer.

«Wir hoffen natürlich, dass sich aus der Aktion ein Gespräch mit der Besitzerin ergibt und die öffentliche Debatte um leerstehende Liegenschaften im Zentrum der Stadt wieder intensiver geführt wird. Eigentum bringt Verantwortung mit sich. Ungenutzer Wohnraum ist mit Diebstahl vergleichbar», so Mayo. Der Wunsch nach einem Gespräch mit der Besitzerin wird Mayo am Tag nach der Aktion teilweise erfüllt.

Reaktion der Eigentümer

Urs Mühlebach-von Felbert, der Ehemann der Hauseigentümerin, wendet sich am Freitag mit einem Brief, der zentral+ vorliegt, an Joël Mayo. Darin schreibt er, der Umbau des Hauses sei geplant und der Baubeginn werde noch in diesem Jahr stattfinden. «Die Gespräche mit den Baubehörden haben stattgefunden; das Haus steht unter qualifizierter Beobachtung der Baubewilligungsbehörde und des Denkmalschutzes», schreibt Mühlebach. Die statischen Probleme seien jedoch grösser als erwartet und es würden Abklärungen bezüglich Auswirkungen auf die Nebenhäuser getroffen, schreibt Mühlebach weiter. 

Joël Mayo nahm noch am Donnerstagabend Stellung zur Aktion – hier das Interview.

zentral+: Wieso wollten Sie im Namen einer Jungpartei in ein Haus einbrechen?

Joël Mayo: Die Juso wollte mit der Aktion auf den Verlust von günstigem Wohnraum in der Stadt aufmerksam machen. Die Leerwohnungsziffer beträgt in der Stadt Luzern 0,8 Prozent. Es ist unverantworlich, dass unter solchen Umständen Häuser aus Eigeninteresse von Eigentümern besetzt werden. Die private Eigentümerin hatte den MieterInnen gekündigt mit der Begründung, dass Sanierungsarbeiten anstünden.

zentral+: Hätte nicht mit der Polizeipräsenz gerechnet werden müssen?

Mayo: Nein, wir sind überrascht, wie schnell die Polizei davon Wind bekam und wie mannstark sie leerstehenden Wohnraum schützt.

zentral+: Als Konsequenz hätte die Partei mit einer Busse oder mit einer Anzeige rechnen müssen. Wer hätte das bezahlt?

Mayo: Eine allfällige Busse hätten wir aus eigener Tasche bezahlt. Das Haus wäre aber klar nicht länger als fünf Stunden besetzt worden.

zentral+: Wäre eine fünfstündige Besetzung nicht ein wenig mutlos gewesen?

Mayo: Ein konstruktives Gespräch stand für uns im Vordergrund, das hätte mit einer längeren Besetzung nicht stattfinden können. Nach einem Gespräch hätten diese 1000 Quadratmeter womöglich sinnvoll genutzt werden können. Mit der Aktion in diesem Haus hätte ein wichtiger Schritt in der Wohnraumdiskussion stattfinden können.

zentral+: Hatte die JUSO mit den städtischen Besetzungen der letzten Jahre auch etwas zu tun? Zum Beispiel mit der Besetzung der GOWA-Halle 2009 oder der städtischen Liegenschaft Geissmättli 2010?

Mayo: Nein, das waren mehrheitlich anonyme Gruppierungen oder Kollektive. Wir wollten die Aktion bewusst nicht anonym durchführen. Die Transparenz ist ein Angebot zur Diskussion. In unserem Fall kämpfen wir aber für mehr zahlbaren Wohnraum. Da die Stadt einen grossen Teil ihrer Liegenschaften in den letzten Jahren verkauft hat und kaum mehr Boden und Immobilien besitzt, müssen auch Privatleute zum Handeln verpflichtet werden. Wir finden es bedauerlich, dass Besetzungen mit dem Anliegen auf mehr kulturelle Freiräume – wie das Geissmättli – ziemlich schnell geräumt wurden. Die Stadt hätte von einer Besetzung im Stil GOWA-Halle oder Geissmättli auch einen Mehrwert. Der Platz für Ateliers und kulturelles Schaffen zum Beispiel wäre ja da, er muss auch genutzt werden können.

zentral+: Die Tendenz geht doch aber in eine andere Richtung: Leere Räume und Liegenschaften werden mittlerweile häufiger zwischengenutzt. Das alte Hallenbad zum Beispiel, heute Neubad. Oder an der Bernstrasse, dort gibt es das Tatort-Atelier.

Mayo: Auf Bartresen und Ateliertisch schläft man aber nicht besonders gut. Bei unserer Aktion ging es um eine grundsätzlich andere Frage. Darf zahlbarer Wohnraum durch Eigentümer ungenutzt besetzt gehalten werden, obwohl die Nachfrage sehr gross ist? Wir finden nicht und wollen, dass solche Personen im Sinne des Gemeinwohls in die Pflicht genommen werden. Der Fall Vonmattstrasse 22 zeigt exemplarisch auf, wie nötig neue Impulse in der Wohnraumdiskussion sind. Klar sind die Zwischennutzungen Neubad und Tatort-Atelier vorbildlich. Es muss aber festgehalten werden, dass diese Projekte massgeblich durch die Zwischennutzungsinitiative der Juso zustande kamen, welche eine breite Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren konnte.

zentral+: Es ist Wahlkampf in der Stadt. Von welcher Seite hättet ihr euch Sympathien mit dieser Aktion erwartet?

Mayo: Mit dieser Aktion positionieren wir uns politisch ganz klar an der Seite der Personen, für die es eine finanzielle Belastung darstellt, fast die Hälfte ihres monatlichen Einkommens für die Miete aufzuwenden. Das betrifft Junge, Familien und Senioren gleichermassen. Wir zählen auf die Sympathien der Leute, die sich wie wir auch eine Stadt wünschen, die sozial durchmischt ist und in der alle unabhängig von ihrem Einkommen Platz haben. Aktivismus und parlamentarische Arbeit gehen für uns Hand in Hand.

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