Umstrittene Dianetik-Kurse

Schüler-Nachhilfe mit Scientologen-Falle in Littau

Von der Nachhilfe in den Dianetik-Kurs: Scientology-Zentrum in Emmenbrücke (Bild: muer)

Eltern, die schulische Schwächen ihrer Kinder bei einem privaten Nachhilfelehrer ausbügeln wollten, landeten in Dianetik-Kursen. Das passierte in Littau. Dabei war nicht allen Eltern bewusst, dass diese Kurse von Scientology sind. Betroffene Schulleiter kritisieren die unklare Information.

Die 12-jährige Primarschülerin hatte Schwächen in Deutsch – und schöpfte Hoffnung: An der Pinwand in ihrem Schulhaus im Luzerner Stadtteil Littau fand sie einen Flyer mit einem Nachhilfe-Angebot ganz in der Nähe.

Das Angebot des Nachhilfelehrers Otmar L.* von Lernhilfe-Luzern.ch tönt vielversprechend: «Ich habe viel  Erfahrung damit, die Schwachpunkte zu finden und korrigieren zu helfen. Wir könnten also einmal zusammensitzen und schauen, wo wir anpacken müssten», schreibt Otmar L. auf seiner Homepage. Die Eltern buchten das Angebot.

Nachhilfelehrer vermittelt Kurs

Otmar L. besuchte die Primarschülerin in ihrem Elternhaus und erteilte Nachhilfeunterricht. Die Schülerin war zufrieden mit seiner Unterstützung. «Die Nachhilfe im schulischen Fach war gut, da hat mir Herr L. geholfen», sagt die Tochter von Einwanderern. «Nachhilfe geben ist mein grosses Hobby», schreibt Otmar L. in einem Mail an zentral+, «und ich finde es grossartig, Schülern zu mehr Freude und Erfolg in der Schule verhelfen zu können».

Scientology - bereits früher in Littau aktiv

In Littau war die Scientology-Kirche schon einmal aktiv: 1999 entzog der Luzerner Regierungsrat einer Privatschule die Betriebsbewilligung, als sich herausstellte, dass die Lehrerin und Vertreter der Schule der Scientology angehörten. Der Regierungsrat begründete den Bewilligungsentzug mit mangelnder Vertrauenswürdigkeit in die Trägerschaft.

Die Scientology-Kirche ist umstritten wie kaum eine religiöse Gemeinschaft. Nach eigener Einschätzung ist Scientology eine Religion im wahrsten Sinne des Wortes, da sie hilft, dem Menschen völlige spirituelle Freiheit und Wahrheit zu bringen. Die Scientologen glauben, dass das unsterbliche Wesen jedes Menschen, der Thetan, in der Vergangenheit beschmutzt worden ist. Mit Scientology-Technologien, insbesondere dem Auditing, soll der Geist «clean» werden.

Für Aussteiger und Gegner ist Scientology eine totalitäre Ideologie mit antidemokratischer Stossrichtung. Viele Gegner bezeichnen Scientology als Wirtschaftsimperium, das mit Hilfe von Tarnfirmen die Gesellschaft zu unterwandern versuche. Gefürchtet ist auch der rüde Umgang von Scientologen mit Aussteigern und Gegnern. Das Landesamt für Verfassungsschutz von Baden-Württemberg beurteilt die Ansichten von Sektengründer Hubbard gar als «unvereinbar mit der verfassungsmässigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland».

Nachhilfe für Schweizer- und Migrantenkinder wird im Kanton Luzern unter anderem vom Verein ZiB Zentrum für interkulturelle Bildung angeboten. ZiB wird von der öffentlichen Hand, von Kirchen und von Stiftungen unterstützt. Das Angebot ist extra kostengünstig gestaltet und soll besonders für Familien mit kleinem Einkommen zur Verfügung stehen.

Doch dann geht Otmar L., EDV-Fachmann und nebenberuflicher Nachhilfe-Anbieter, einen Schritt weiter. Die  Schülerin sagt: «Herr L. hat mir einen Kurs empfohlen. Er hat mich auch zu diesem Kurs begleitet. Der Kurs war in Emmenbrücke und hiess «Lernen wie man lernt». Das war vor rund anderthalb Jahren.

Verunsicherte Schüler im Visier

Die Schülerin musste Texte lesen und damit arbeiten, das heisst, es ging um das Textverständnis. Was die Schülerin nicht wusste: Die angewandte Studiertechnik basiert auf den Werken des Scientology-Gründers L. Ron Hubbard. Und den Kurs besuchte sie im Kurslokal der «Dianetik & Scientology Mission der Church of Scientology Luzern» an der Neuenkirchstrasse 18b in Emmenbrücke.

Nach einigen Lektionen brach die Primarschülerin den Kurs jedoch ab. «Ich wollte selbständig weiter arbeiten, es allein versuchen. Der Kurs hat mir nichts gebracht.»

Georg Otto Schmid von Relinfo, der evangelischen Informationsstelle für Kirchen, Sekten und Religionen in Rüti (ZH), stellt fest: «Wir beoachten schon lange, dass Scientologen versuchen, verunsicherten Schülerinnen und Schülern Scientology-Kurse zu vermitteln». Scientologen seien im Nachhilfemarkt «stark engagiert».

Angebote sind nicht transparent

«Für uns sind solche Angebote dann problematisch, wenn nicht klar deklariert wird, dass es sich um Kurse der Scientologen handelt», erklärt Schmid von Relinfo. «Das muss aber transparent sein, damit die Eltern frei entscheiden können, ob sie ihre Kinder zu Scientologen schicken wollen oder nicht.» Bei den Angeboten von Nachhilfe-Luzern werde der Zusammenhang zu Scientology zu wenig klar kommuniziert.

Wie oft Otmar L. Dianetik-Kurse vermittelte oder noch vermittelt, ist unklar. Otmar L., in früheren Scientology-Publikationen als Mitglied gelistet, schreibt in einem Mail an zentral+, es seien «nicht gerade viele», die auf seine Empfehlung hin einen Kurs bei Scientology besucht hätten. Seine Lernhilfe bestehe schon seit vielen Jahren, und er  habe schon «viele Dutzende Schüler in Ihren Schulschwierigkeiten begleitet und ihnen effizient geholfen – ohne sie zu Dianetik-Kursen zu führen.»

Nach welche Kriterien Otmar L. Dianetik-Kurse vermittelt, schreibt er in seinem Mail an zentral+: Neben der Nachhilfetätigkeit checke er «jeweils auch nebenläufige Faktoren wie familiäres und schulisches Umfeld, Fernsehkonsum, Ernährung, Schlaf, Hobbys, usw., um noch erfolgreicher helfen zu können.»

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Werbung für Scientology-Kurse

Zu einzelnen oder mehreren dieser Punkte gebe er jeweils Empfehlungen ab, «wenn ich dort Bedarf feststelle und es für richtig halte». «So empfehle ich den einen oder den anderen der beiden Kurse, die Sie auf meiner Homepage aufgeführt finden. Beispielsweise, wenn ich speziellen Konzentrationsmangel oder grössere Probleme mit der Lerntechnik feststelle.»

Die Kurse werden also nicht nur informell, sondern – neben Informationen über die Nachhilfe und Testimonials von ehemaligen Nachhilfeschülern – auch offiziell auf der Homepage von Otmar L. beworben. Gelistet sind eine Kurs-Empfehlung für die Verbesserung der Lernfähigkeit in der Schule sowie eine Kurs-Empfehlung für Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit in der Schule.

Bis gestern 12. September ist in der  Kursbeschreibung  jedoch nicht erwähnt worden, dass die Kurse zu Scientology führen. Nur wer genau hinschaute, fand auf Buch-Illustrationen den Namen des Scientology-Gründers L.Ron Hubbard.

Kurse neu deklariert

Aufgrund der  Recherchen von zentral+ hat nun Otmar L. die Präsentation der Kurse ergänzt. Seit gestern deklariert er die Angebote  neu als Scientology-Kurse. Zuvor hatte er noch argumentiert, Dianetik sei weder etwas Verbotenes noch etwas Schlechtes,  und es werde Nichts «nicht transparent gemacht». «Wieso auch? Würde es Sie denn beruhigen, wenn ich diese auf meiner Homepage als Dianetik-Kurse bezeichnen würde?»

Später führte er aus, es sei wohl dem Frieden zuliebe «das Beste, wenn ich bei nächster Gelegenheit mal den Text zu diesen Kursen entsprechend ergänze und den Begriff «Scientology-Kurs» einfüge». Das hat Otmar L. nun getan.

Die Geschichte der Primarschülerin aus der Einwandererfamilie ist noch nicht zu Ende. Während der Nachhilfestunden zu Hause spricht Otmar L. auch die Eltern an und bewegt sie dazu, in der Scientology-Mission in Emmenbrücke eine Informationsveranstaltung zu besuchen. Die Eltern erklären gegenüber zentral+: «Man versprach uns mehr Erfolg im Beruf.»

Kurse auch für Eltern

Der Vater lässt sich schliesslich zu einem Dianetik-Kurs überreden. «Es nahm mich wunder, ob es etwas bringt. Aber es hat nichts gebracht, und so habe ich wieder aufgehört.» Anschliessend wurde er telefonisch und schriftlich zum Weitermachen aufgefordert, doch als er kein Interesse zeigte, liess man ihn in Ruhe. Insgesamt hat die Familie rund tausend Franken für Kursgelder und Bücher ausgegeben.

Ein Schulhausleiter in Littau, der nicht namentlich zitiert werde möchte, kritisiert das Vorgehen von Otmar L. «Ich vermisse eine klare Trennung der Interessen Aufgabenhilfe und ‹Lebenshilfe›. Dies wäre gerade in Momenten nötig, wo Eltern typischerweise verunsichert sind.»

«Schule wolle das Kind vergiften»

Er konkretisiert das mit einem Beispiel, das er hautnah miterlebt hat. Es geht dabei um ein Kind mit einer Verhaltensstörung, welches von einem Arzt Medikamente verschrieben bekam. Auch dieses Kind stammt aus einer Familie mit Migrationshintergrund – und war bei Otmar L. in der Nachhilfe.

«Herr L. sagte der Mutter des betroffenen Kindes, sie solle die Medikamente sofort absetzen, die Schule wolle ihr Kind vergiften», wirft der Schulhausleiter dem Nachhilfelehrer vor. Dieser Vorwurf scheint nicht aus der Luft gegriffen: Scientology lehnt den Gebrauch von Psychopharmaka laut Sektenexperten strikt ab. Die schulmedizinische Psychiatrie werde durch die Scientology-Satellitenorganisation «Bürgerkommission für Menschenrechte» bekämpft.

Mutter musste Handy-Nummer wechseln

«Die verunsicherte Mutter fühlte sich von Herrn L. verstanden», erzählt der Schulhausleiter. Sie liess sich zu einem Kurs in der Scientology-Kirche in Emmenbrücke überreden. «Als sie jedoch merkte, dass der Kurs von Scientology gegeben wurde, brach sie den Kontakt ab.» «Darauf», so der Schulhausleiter, «wurde die Frau bedrängt, weitere Kurse zu besuchen. Das ging so weit, dass sie schliesslich ihre Handy-Nummer wechseln musste», beschreibt er die Situation.

Otmar L. bedauert dies. Er schreibt: Falls dies wirklich so war, dass eine Person «unter Druck gesetzt» wurde, weitere Kurse zu besuchen, finde ich dies genauso schlecht wie die Person selber. Ich bin ein freiheitsliebender Mensch und verfechte klar das freie, persönliche Entscheidungsrecht. Dies gilt nicht nur für mich, sondern auch für andere.»

Unter Littauer Schulhausleitern sorgt die Verbindung von Nachhilfe und Scientology für Unmut. Eine Schulhausleiterin sagt: «Die Eltern von Nachhilfeschülern sind naturgemäss verunsichert. Dass man dies nun auch noch ausnützt, ist beschämend.»

*Name der Redaktion bekannt

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5 Kommentare
  • Profilfoto von Papillon
    Papillon, 15.11.2013, 10:03 Uhr

    Du meintest wohl Alias und nicht Synonym …

    Und für wer oder was steht «Qwert», «winshort» oder «Ewald Franz» etc. ?

    OSA (Office of Special Affairs) oder anders ausgedrückt, der Geheimdienst der Scientology Organisation?

    http://www.youtube.com/watch?v=gpUSFfPFsA4

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  • Profilfoto von Qwert
    Qwert, 17.09.2013, 02:38 Uhr

    CloudAtlas ist wie „XenuLovesYou“, „Markus“, „Gero von Breydenbach“, „Brigitte Cee“ und „Josef Egger“, nur ein weiteres Synonym von «Destruktive Gruppen Erkennen», der unter verschiedenen Namen die gleichen Lügengeschichten im Internet verbreitet und seine Website promotet.
    Das ist alles! Wer sich tatsächlich über Scientology informieren will, der sollte sich die offiziellen Websites anschauen.

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  • Profilfoto von Papillon
    Papillon, 15.09.2013, 19:32 Uhr

    Jeder Scientologe wird dazu gedrillt, neue Leute reinzubringen. Sie sollen dafür wöchentlich an Übungsstunden teilnehmen, um bei Leuten den sogenannten Ruin zu finden, also bei der Person das zu finden, was ihr im Leben Schwierigkeiten bereitet. Die Lösung ist dann natürlich Scientology. Otmar L. sollte es wissen, denn er war selbst jahrelang Mitarbeiter in dieser Scientology Mission von Luzern und war genau dafür zuständig – neue Leute hereinzubringen.

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  • Profilfoto von Didl30
    Didl30, 14.09.2013, 23:15 Uhr

    Wer die Feedbacks von Othmar L’s ehemaligen Nachhilfeschülern liest, kommt zum Schluss, dass die Arbeit gar nicht so schlecht sein kann wie es im Text erwähnt wird.

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  • Profilfoto von CloudAtlas
    CloudAtlas, 13.09.2013, 09:23 Uhr

    Wie sie rekrutieren. Hinter welchen Frontgruppen sie sich verstecken. Wie sie Phobien indoktrinieren. Wie sie Menschen zu Gehorsam und Konformität manipulieren.

    Nach «destruktive gruppen erkennen» googlen, reinklicken und sich informieren.

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