Totalsanierung Neustadtstrasse 6

«Wir werden wohl die Letzten sein, die hier raus gehen»

Der Kiosk und die chemische Reinigung im Erdgeschoss müssen schliessen. Das Gebäude an der Neustadtstrasse 6 wird totalsaniert. (Bild: cha)

Das Gebäude an der Neustadtrasse 6 wird totalsaniert. Nebst Wohnungen befinden sich darin ein Kiosk und eine chemische Reinigung. Während mehr als 50 Jahren bot Letztere ihre Dienste an. Heute zieht die Besitzerin ihren ganz persönlichen Schlussstrich.

Seit 1963 steht das grüne Gebäude an der Neustadtstrasse 6, das in Besitz der Zürich Versicherungen ist. Mediensprecher Frank Keidel erklärt: «Nach rund 50 Jahren ist das Ende der Nutzungsdauer eines Gebäudes erreicht.» Zwar sei mehrmals renoviert worden. «Doch nach so vielen Jahren reicht es einfach nicht mehr, kleinere Renovationen durchzuführen.» Auch, weil dies sehr umständlich und mühsam für die Hausbewohner sei.

Auszug bis spätestens Ende Januar 2016

«Momentan sind fast alle Wohnungen noch bewohnt», sagt Keidel. Diese, wie auch die Geschäfte im Erdgeschoss, hätten im März 2014 die schriftliche Kündigung erhalten. «Die Mieter haben bis Ende Januar 2016 Zeit eine neue Bleibe zu finden. Auf Wunsch unterstützen wir diese bei der Wohnungssuche. Einigen konnten wir bereits in der Nähe eine neue Bleibe organisieren», betont Keidel.

Spätestens bis Januar 2016 müssen auch die Kiosk-Besitzerin Erna Buess und die Betreiberin der chemischen Reinigung «Norge», Alice Köchli, ihre sieben Sachen gepackt haben. Ein wehmütiger Abschied – insbesondere für Köchli, deren Familie seit mehreren Jahrzehnten das Lokal besitzt.

Kleinere Wohnungen mit mittlerem Ausbaustandard

Während mehr als 50 Jahren betrieb die Familie Köchli die chemische Reinigung an der Neustadtstrasse. Die Nachricht, die Alice Köchli Anfang dieses Jahres erhielt, war ein Schock: Das Gebäude wird ab dem Spätsommer 2016 totalsaniert. Die Arbeiten werden mindestens ein Jahr dauern. Und danach? «Es entstehen kleinere Wohnungen mit mittlerem Ausbaustandard», erklärt Frank Keidel. Im Erdgeschoss würden ausserdem wieder neue Ladenlokale entstehen.

Den Tränen nahe

Wie emotional diese Angelegenheit für die langjährige Betreiberin ist, zeigt ein Besuch vor Ort. Schweren Schrittes kommt die Besitzerin der chemischen Reinigung, Alice Köchli, aus dem Nebenraum. Sie ist gezeichnet von den Strapazen der letzten Monate. Es fällt Alice Köchli schwer, ihre Fassung zu bewahren. Sie sei müde, wolle nicht mehr darüber sprechen. Zögerlich sagt sie dann: «Anfang Dezember werden wir hier raus sein. Am Samstag, 29. November, findet noch ein Abschiedsapéro für unsere langjährigen Stammkunden statt.»

Sogleich deutet sie auf einen Zettel, der als Einladung für die Stammkunden gilt. «Mehr als 50 Jahre hat die Familie Köchli die NORGE chemische Reinigung mit viel Einsatz und Erfolg betrieben», steht darauf. Schweiss und Herzblut, dem nun von einem Moment auf den anderen der Riegel vorgeschoben wurde.

«Das Gebäude ist noch in gutem Zustand»

Es sei für sie unverständlich, weshalb das Gebäude totalsaniert werden müsse. «Lange ist es nicht her, seit das Gebäude renoviert wurde. Und es ist nach wie vor in gutem Zustand», sagt Köchli und zeigt auf die Wände und Decke ihrer Reinigung, die in der Tat noch ansprechend aussehen. «Dasselbe ist mit den Wohnungen. Ich war langjährige Hauswärtin dieses Gebäudes und habe selbst einmal hier gewohnt.»

Köchli sei dann umgezogen, als sie erfuhr, dass das Gebäude saniert würde. Und wie geht es weiter mit der Reinigung? «Ich bin alt, müde und Witwe.» Es sei ihr zwar ein neues Lokal angeboten worden, das sie jedoch dankend ablehnte.

«Ich bin alt, müde und Witwe.»

Alice Köchli

Gleich nebenan steht seit rund 35 Jahren ein Kiosk. Ganz so hart trifft die Betreiber den Entscheid nicht. Die Besitzerin Erna Buess erklärt: «Wir sind jetzt im vierten Jahr Betreiber des Kiosks. Es ist zwar schade, dass wir raus müssen.» Ganz so schlimm sei es dann doch nicht. Denn: «Wir, also ich und mein Mann, werden nächstes Jahr pensioniert», sagt Buess. Trotzdem hätten sie schon noch ein paar Jahre weitergemacht. «Wir fühlen uns fit.»

Betreiber sind offen für Zwischenlösung

Buess betont zugleich, dass es für dieses Quartier wichtig sei, einen Kiosk zu haben. «Vielleicht gibt es für uns ja eine Zwischenlösung? Ein Container oder eine andere Lokalität nehmen wir dankend entgegen», sagt Erna Buess. Ausharren werden sie auf jeden Fall bis zum bitteren Ende, bevor saniert wird. «Wir werden wohl die Letzten sein, die hier raus gehen.»

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