Die Zukunft auf der Lorzenebene

«Wir haben extra das Naturschutzgebiet zubetoniert»

Zugebaut und ran an den See: Düstere Visionen für die Zuger Lorzenebene. Wenn man nicht darüber diskutiere, sagt der Chef des Bauforums, komme es vielleicht genau so. (Bild: zvg)

Sie wollten die Bevölkerung aufrütteln. Mit düsteren Visionen über die Zukunft in Zug: Hochhäuser und Betonwüste, zugebauter Zugersee, Ideen hatte das Bauforum genug. Ergebnis: Ein einsamer Leserbrief. Was ist schief gelaufen?

Dabei haben sie so heftig provoziert wie möglich: Haben die ganze Lorzenebene zugebaut, das Seeufer zur Hochhauszone umfunktioniert, «wir haben sogar extra die Naturschutzgebiete zubetoniert», sagt Thomas Baggenstos – und dann das: Fast keine Reaktion. Der Chef des Bauforums Zug kann sich das nicht erklären: «Man muss es wohl so verstehen: Die Leute sind tatsächlich einverstanden mit unseren Bildern.»

Das zentrale Niemandsland

Drei düstere Visionen und eine Utopie hat das Bauforum Zug sich für die Lorzenebene ausgedacht, für das zentrale Niemandsland zwischen Zug, Steinhausen und Cham, das langsam aber stetig zuwuchert. Immer am Rand der drei Gemeinden, in der jeweiligen Peripherie, die aber eigentlich das zentrale Landstück des Kantons ist. Dass dieser zentrale Rand allerdings über die Gemeindegrenzen hinaus eine andere Identität haben könnte, als die blosse Vor-Vorortschaft, darüber ist sich offenbar erst das Bauforum bewusst geworden.

Zug könnte auch so aussehen: Eine Wasserstadt an der Lorze.

Zug könnte auch so aussehen: Eine Wasserstadt an der Lorze.

(Bild: zvg)

«Man muss jetzt den Dialog anstossen, damit eine Vision für die Ebene entstehen kann», sagt Baggenstos, «denn der Prozess ist schon im Gang: Zug etwa diskutiert schon länger über sein Hochhausleitbild. Unter anderem sind an diversen Orten an der Stadtgrenze Hochhauszonen vorgesehen. Dass die Gestaltung der Ränder der Stadt Zug aber auch Einfluss auf die anderen Gemeinden hat, darüber denkt man noch nicht konsequent genug nach.»

Auf wütende Leserbriefe gehofft

Deshalb hat das Bauforum mit seiner Aktion die Bevölkerung aufrütteln wollen. Hat in vier Gemeinden Plakate aufgestellt mit Bildern von der Grossstadt Lorzenebene, hat auf wütende Leserbriefe und giftige Kommentare auf der Website gehofft, und auf konstruktive natürlich auch – aber nichts. «Ein einziger Leserbrief. Und auf der Website ist kaum etwas passiert. Da müssen wir ehrlich zugeben, wir hätten uns schon mehr erhofft.»

Dann gibt’s doch noch Wünsche: Mehr Enten

Immerhin auf den Plakatwänden, auf denen die Passanten Nachrichten haben anbringen können, da steht einiges drauf. Neben «Weniger Hipster» und «Jaha liebt Seybia» und «chicas locas para siempre» stehen da auch substanzielle Wünsche: «Ich wünsche mir einen Baum hier» steht da und «etwas für Zug und nicht für CHF» und «ich möchte mehr Natur, weil es fast keine Enten mehr gibt». Und dann sogar noch etwas Entrüstung: «Waaa lönd Zug wies isch» und «Wer möchte schon so viele unpersönliche Häuser?» Wie geht man um mit so chaotischem Feedback? «Wir haben die Tafeln fotografiert und werden sie auswerten», sagt Baggenstos. «Und wir wollen bald eine Veranstaltung machen, und die Diskussion weiter anschieben. Wir geben noch nicht auf.»

Auch dieses Bild hat die Bevölkerung zu wenig schockiert: Kaum Reaktionen sind eingegangen.

Auch dieses Bild hat die Bevölkerung zu wenig schockiert: Kaum Reaktionen sind eingegangen.

(Bild: zvg)

«Vielleicht hat das zu professionell ausgesehen»

Die Bilder provokativ und gut gemacht, mitten in den öffentlichen Raum gestellt, und trotzdem keine grosse Reaktion. Offensichtlich ist da etwas schief gelaufen, nur was? «Das können wir noch nicht abschliessend sagen», sagt Baggenstos, «aber vielleicht liegt es auch daran, dass wir die Falschen sind.» Die Architekten vom Bauforum hätten die Methoden benutzt, in denen sie sich zuhause fühlen: 3D Modelle und Visualisierungen. Baggenstos vermutet: «Das hat vielleicht zu professionell ausgesehen, um zu schockieren. Vielleicht hätten wir noch losgelöster von allen raumplanerischen Formen vorgehen sollen.» Dabei haben die Bilder schon Schockpotential, aber auch welches für Begeisterung: Die Vision von der Lorzenebene als Inselparadies, kleine Flussläufe, die ganze Quartiere umspülen und schlussendlich in den See münden.«Es wäre doch möglich, dass sich der Kanton so eine Vision davon macht, wie es in Zug in hundert Jahren aussehen könnte», sagt Baggenstos.

«Wenn man sich nicht entscheidet, passiert einfach etwas»

Dass überhaupt eine private Gruppe raumplanerisch aktiv wird, das sei für Zug nicht ungewöhnlich, sagt Baggenstos: «Bis vor vierzig Jahren waren es in Zug meist Private, die Studien zur Raumplanung in Auftrag gaben.» Trotzdem habe es wohl zu Konfusion geführt, dass ein privater Verein ohne öffentlichen Auftrag zu einer Mitwirkung aufruft. «Und vielleicht war es auch zu wenig konkret», sagt Baggenstos, zu wenig mit direkten Konsequenzen verbunden. Dass es aber Konsequenzen hat, wenn sich die Bevölkerung keine Gedanken zur Entwicklung des Kantons macht, davon ist Baggenstos überzeugt: «Wenn man sich nicht entscheidet, dann passiert einfach etwas. Dann ist auch unser Bild von der komplett überbauten Lorzenebene nicht unrealistisch.»

Das Lorzendelta als Centralpark: Einfach immer weitergebaut, bis nur noch ein Fleck grün übrigbleibt. Ist das Zugs Zukunft? Interessiert die Zuger nicht.

Das Lorzendelta als Centralpark: Einfach immer weitergebaut, bis nur noch ein Fleck grün übrigbleibt. Ist das Zugs Zukunft? Interessiert die Zuger nicht.

(Bild: zvg)

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