Luzerner Projekt «Wohncoaching»

«Die Tore müssen sie schon selber schiessen»

Die Wohncoaches Beatrice Piva und Stéphane Geisseler gehören zu den zwölf Freiwilligen. (Bild: jav)

Es gibt auch Not vor der eigenen Haustüre. Zwölf Freiwillige unterstützen seit November Sozialhilfebezüger in der Stadt Luzern bei der Wohnungssuche. Durch das Projekt «Wohncoaching» konnten bisher elf Wohnungen vermittelt werden. Doch die Nachfrage ist grösser als gedacht.

Im November 2013 startete das Pilotprojekt «Wohncoaching» der Sozialen Dienste in Luzern. Dabei sollen Wohnungssuchende mit schwierigen Hintergründen von Coaches bei ihrer Suche unterstützt werden. In den ersten sechs Monaten wurden elf Wohnungen vermittelt und damit konnte 26 Menschen geholfen werden. Jedoch muss derzeit das Angebot noch an die Nachfrage angepasst werden, sagt Bereichsleiter Begleitung und Unterstützung, Marcel Huber. «Wir suchen weitere Freiwillige», lässt auch der Sozialdirektor Martin Merki verlauten. Von zwölf Wohncoaches, soll das Team auf zwanzig ausgebaut werden können.

Die zwölf bisherigen Coaches kommen aus den verschiedensten Berufen und Altersklassen. Eine Studentin, eine Ärztin, ein Hotelier und Pensionierte sind dabei. Die Freiwilligen wurden für ihre Einsätze geschult und durch Mitarbeiter der Sozialen Dienste begleitet. Wichtig dabei war, laut Coaches, die Schulung in Gesprächsführung und auch das Thema «Nähe und Distanz» in der Beziehung zwischen Wohncoach und Klient zu thematisieren.

Erwartungen runterschrauben

Den Freiwilligen liegt die Idee offensichtlich bereits sehr am Herzen. Der Wohncoach Stéphane Geisseler freut sich über die Aufmerksamkeit, die das Projekt erhält: «Das Interesse ehrt uns sehr.» Dem Wohncoach ist es wichtig herzvorzuheben, dass die Coaches «Hilfe zur Selbsthilfe» anbieten. «Wir präsentieren keine Wohnung auf dem Silbertablett.» Es sei kein Wunschkonzert und oftmals sei es ein wichtiger Teil der Arbeit, die Erwartungen der Klienten herunterzuschrauben. Von der Vorstellung einer Wohnung mit Balkon, Badewanne und im gewünschten Quartier müsse man schnell einmal wegkommen, und die Möglichkeiten anhand des Budgets definieren.

Frewilligenarbeit in Luzern

Freiwilligeneinsätze machen in Luzern 140'000 Stunden Arbeit pro Woche aus. Diese Stunden werden vor allem in den Bereichen Kultur, Sport und im Sozialwesen geleistet.

Wer sich für das Projekt «Wohncoaching» engagieren möchte, meldet sich bei den Sozialen Diensten der Stadt Luzern.

Brigitte Vonwil
Telefon: 041 208 72 19

E-Mail: [email protected]

Der Grossteil der Arbeit beinhaltet die Hilfestellung bei organisatorischen Fragen, das Zuhören, das Motivieren. «Wie ein Fussballcoach», vergleicht Geisseler seine Arbeit mit der eines Trainers an der Fussball-WM: «Wir motivieren, planen und bereiten vor, aber wir schiessen nicht die Tore. Die Tore müssen die Wohnungssuchenden selbst schiessen.»

Beatrice Piva studiert Soziale Arbeit in Bern und hat durch einen Zeitungsartikel vom Projekt erfahren. Die Arbeit als Wohncoach mache ihr sehr viel Spass, erzählt die gebürtige Italienerin. Man lerne viel und auch der persönliche Bezug zum Klienten sei eine tolle Erfahrung. Sie habe sich vor allem darüber gefreut, wie schnell das Vertrauen in den Anderen gewachsen sei. Momentan sei sie aber «freiwilligen-arbeitslos», da ihr Klient vor kurzem eine Wohnung gefunden hat.

Jeder Coach ist für einen Wohnungssuchenden zuständig. Dabei investieren die Freiwilligen durchschnittlich um die drei Stunden pro Woche für ihren Klienten. Die Arbeit der Wohncoaches habe sich allgemein zeitintesiver gezeigt, als im Vorfeld gedacht, merkt Marcel Huber an. Es sei eine Knochenarbeit, sagt er, aber eine befriedigende. Wichtig sei für die Wohnungssuchenden vor allem die Regelmässigkeit der Treffen, sagt Piva. Viele der Wohnungssuchenden hätten keinen geregelten Tagesablauf oder fixe Termine.

«Der Schuh drückt nicht nur an einem Ort.»
Stéphane Geisseler, Wohncoach

Bei den Hilfesuchenden handelt es sich um Menschen am Rande der Gesellschaft oder mit kleinem Budget. Drei Viertel von ihnen beziehen Sozialhilfe. Häufig haben sie psychische Probleme oder sind suchtkrank. «Der Schuh drückt aber meist nicht nur an einem Ort», erklärt Geisseler. Die Klienten seien meist in einer Spirale gefangen, aus welcher sie sich alleine nicht befreien könnten. Diverse Probleme blockieren die Wohnungssuchenden bei den alltäglichen Arbeiten. Vor allem die Organisation der vielen Dokumente überfordere viele, erwähnt Piva. Oft sind es Ausländerinnen und Ausländer, die es schwieriger haben, eine Wohnung zu finden. Die meisten stehen kurz davor, die derzeitige Wohnung zu verlieren. Auch Familien mit Kindern sind betroffen, die zwar in einer gesicherten Wohnsituation leben, die Wohnung aber für das Kind nicht geeignet ist. Allen ist gemeinsam, dass sie trotz intensiver Suche kaum Aussicht auf eine neues Zuhause haben.

Soziales Elend verhindern

Die Projektverantwortlichen zeigen sich überzeugt, dass mit der Hilfe der Wohncoaches viel soziales und familiäres Leid verhindert werden kann. Ausserdem würden durch die Hilfestellung auch Mehrkosten für die Allgemeinheit eingespart. Die Rückmeldungen der bisherigen Klienten würden ein klares Bild aufzeigen: Ohne die Unterstützung der Wohncoaches wären sie in eine prekäre Lebenslage geraten.

 

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