«Rent a Rentner»

Dieser Pathologe verlegt dir die Fliesen

Don Schaefer - von Scotland Yard zu «Rent a Rentner». (Bild: jav)

Rentner mieten. Das hört sich erstmal komisch an. Doch die innovative Idee hat sich durch die Schweizer Plattform «Rent a Rentner» bereits bis nach Deutschland ausgebreitet. In Luzern hält sich die Nachfrage noch in Grenzen. Obwohl das Angebot wirtschaftlich und menschlich grossartig daherkommt. Hier drei rentable Rentner.

Über 3’000 Rentner bieten auf der Plattform «Rent a Rentner» bereits ihre Dienstleistungen an. Sie bieten von Malerarbeiten, über Party-Organisation bis hin zu Kartenlegen. Die meisten Angebote finden sich in den Bereichen «Administration», im Haushalt und Garten, für Transporte und Begleitungen, oder bei handwerklichen Tätigkeiten.

Es gibt jede Menge Rentnerinnen und Rentner, die nicht auf der faulen Haut liegen und aktiv bleiben wollen. Der Umgang mit anderen Menschen und die damit verbundene Abwechslung halte fit und jung, sagt Reto Dürrenberger, Mitgründer der Plattform. Und auch den Zustupf zur Rente und der AHV können viele gut gebrauchen. Die Mitgliedschaft bei Rent a Rentner ist grundsätzlich kostenlos. Das Profil kann aber für Beträge von fünf bis vierzehn Franken pro Monat ausgebaut werden. Die Plattform wird durch diese Mitgliederbeiträge, Werbebanner, Marktplatz-Anzeigen und mit Fan-Shop-Einnahmen finanziert, erklärt Dürrenberger.

«Ich mag alles, was die Normen bricht.»
Hans Merki, Rentner

Hans Merki ist beinahe seit der Gründung von Rent a Rentner mit dabei. Der 69-Jährige hat dadurch bereits viele Bewertungen auf seinem Profil und so einige Stammkunden. Er habe sich am Anfang vorgenommen, nicht mehr als zwei Aufträge im Monat anzunehmen, da er noch Teilzeit arbeitet. Momentan seien es jedoch vier in zwei Wochen.

Freches Marketing

Merki ist überzeugt, dass Konzepte wie Rent a Rentner die Zukunft des Marktes sind. «Sharing ist die Zukunft. Tauschen, Ausleihen und Teilen über Plattformen gewinnt immer mehr an Wichtigkeit und macht auch mehr Sinn.» Es fällt auf, wie sehr sich Merki mit dem Projekt identifiziert. Er spricht oft von «wir», wenn er über die Plattform redet. Es gehe ihnen darum «Know-how» weiterzugeben und Menschen kennenzulernen, sagt Merki. Und auch auf der Plattform wird genau dieser Punkt hervorgehoben, «dass jahrelange Erfahrung und die Qualität und das Handwerk alter Schule nicht einfach flöten gehen».

Als Grund für den Erfolg der Plattform sieht Merki das provokante Marketing – die Slogans «Mieten Sie einen alten Sack» oder «Mieten Sie eine alte Schachtel» bleiben im Kopf hängen. «Natürlich gibt es Leute, die sich an der Wortwahl stören, aber für mich ist das kein Thema. Ich mag alles, was die Norm bricht, und das Denken ausserhalb der Box.» Auf der Homepage heisst es dazu: «Wir sind überzeugt, dass wir für unser selbstironisches Augenzwinkern weiterhin viele positive Reaktionen bekommen werden.» Wichtig sei dabei, in keiner Weise despektierlich zu sein – ganz im Gegenteil – es gehe um eine charmante Art der Selbstironie. Die drei Rentner, die sich für unsere Fragen zur Verfügung stellen, haben genau diese Form von Humor.

Hans Merki ist beinahe seit der Gründung mit dabei.

Hans Merki ist beinahe seit der Gründung mit dabei.

(Bild: jav)

 

«Toll ist, dass man gleichzeitig Kunde und Anbieter sein kann.»

Hans Merki

  • gelernter Elektromonteur, Arbeit in der Computerindustrie
  • bietet Unterstützung bei Innenausbauten; Elektroarbeiten; Schulung Umgang mit Smartphones und Internet; WLAN, Drucker, TV und PC installieren und programmieren; Umzugshilfe; Chauffeur; Begleitung für Arztbesuche; Zaun bauen; Wäschereinigung; Entsorgungen von Altglas etc.; Bügeln; Traktor fahren; Heuen; Managementberatung etc.
  • verlangt um die 35 Franken pro Stunde

Peter Hiltebrand, Gründer der Plattform, startete die Plattform gemeinsam mit seiner Tochter Sarah Hiltebrand und Reto Dürrenberger vor vier Jahren. Er habe nach der Pension nicht nur zu Hause Däumchen drehen und seiner Frau auf die Nerven gehen wollen. Und so geht es nicht nur Hiltebrand.

Pathologe von Scotland Yard in Kriens

Don Schaefer wurde von seiner berufstätigen Partnerin angemeldet. Nach seinem Umzug, der Liebe wegen, von England in die Schweiz, möchte er wieder mehr Kontakte knüpfen. Seit August letzten Jahres lebt er in Kriens und seit ein paar Monaten ist er bei Rent a Renter angemeldet. «Mein Sohn findet das spitze. Wir sind ja beide ungefähr gleich verrückt», antwortet Schaefer auf die Frage, wie denn die Reaktionen auf seine Anmeldung ausgefallen seien.

Schaefer bietet vor allem Plättlilegen und Betreuung älterer Menschen an. Er würde sich dabei aber mehr Anfragen wünschen. «Die Idee ist faszinierend gut, aber die Nachfrage könnte besser sein.» Er habe nun sein Tätigkeitsgebiet vergrössert, damit er für mehr Kunden in Frage kommt. «Aber es soll ja auch nicht in Arbeit ausarten», lacht er.

«Im Fokus steht für mich das Kennenlernen von Menschen und der Spass», denn «einsam sein macht krank und fördert die Demenz». Der gelernte Fliesenleger kennt sich mit diesem Thema aus. Er hat in Deutschland vor Jahren auch eine Ausbildung in der Geriatrie gemacht. Doch es gibt nicht vieles, was der 69-Jährige nicht gemacht hat in seinem spannenden Leben. Sein Vater, der Zirkusdirektor, und seine Mutter, eine gläubige Frau, legten ihm nach seiner Erstausbildung das Studium der Theologie und Medizin ans Herz. Nach dem Studium ging es für ihn nach Peru, er arbeitete in Paraguay auf einer Leprastation und in Kambodscha auf einem Rotkreuz-Schiff. Schaefer hat auch in Kanada und Japan gelebt, bevor er dann für 27 Jahre Pathologe bei Scotland Yard wurde.

Nun hat er sich in der Schweiz niedergelassen und möchte neue Kontakt knüpfen. «Die Schweizer sind ein eigenartiges Volk. Es dauert lange, bis man Kontakt hat, dann geht es jedoch schnell in die Tiefe», findet Schaefer.

«Ich habe kein Mitleid. Ich habe Mitgefühl.»
Don Schaefer, Rentner

Schaefer befürchtet jedoch auch, dass sich einige ältere Leute über die Plattform ausnehmen lassen. «Ich sehe die Gefahr der Ausnutzung.» Er selber verlangt einen Stundenansatz von 30 Franken. «Ich möchte klar stellen: Ich habe kein Helfersyndrom und kein Mitleid. Ich habe Mitgefühl.» Die Alten müssten halt auch einander helfen. «Denn die Zukunft liegt im Altwerden. Das Sozialwesen braucht deshalb immer mehr Leute.»

Don Schaefer - von Scotland Yard zu «Rent a Rentner».

Don Schaefer – von Scotland Yard zu «Rent a Rentner».

(Bild: jav)

 

«Die Alten müssen den Alten helfen.»

Don Schaefer

  • gelernter Fliesenleger, Studium Medizin und Geriatrie, Arbeit als Pathologe
  • bietet Maurerarbeiten; Platten verlegen; Oldtimer-Ausfahrten; Nachhilfeunterricht allgemein; Altenpflege; Betreuung/Unterstützung von Menschen mit einer Behinderung; Krankenpflege; Sprachunterricht für Erwachsene und Kinder in Englisch etc.
  • verlangt ungefähr 30 Franken pro Stunde

Internationale Angebote

Sira Born hat sich erst vor ein paar Wochen auf der Plattform angemeldet. Die 64-Jährige mit armenischen Wurzeln wurde in Äthiopien geboren und lebte von 1969 bis 1985 in Südafrika, wo sie ihren Mann kennenlernte. Seit 29 Jahren lebt sie mittlerweile in Luzern. Rent a Rentner entdeckte Born durch einen Zeitungsartikel und war sofort begeistert. Auch ihr Umfeld habe sehr positiv auf ihre Anmeldung reagiert. «Mum, das ist richtig cool, haben die Kinder gesagt.» Ihre Freundinnen aus dem International Women’s Club of Lucerne seien erstmal überrascht und anschliessend begeistert gewesen. Sie sei sich sicher, dass sich aus ihrem Umfeld noch einige anmelden würden.

Sira Born hat sich gerade erst angemeldet.

Sira Born hat sich gerade erst angemeldet.

(Bild: jav)

 

«Man muss im Kopf aktiv bleiben. Und das gelingt nur, wenn man Dinge erlebt und sich auf neue Sachen einlässt.»

Sira Born

  • gelernte Sekretärin, Arbeit in der Marktforschung
  • bietet Postfachleerungen; Begleitung für Arztbesuche; Chauffeur; Einbruchschutz (Haus- oder Ferienhaus hüten, Läden/Jalousien bewegen, Licht anstellen etc.); Gartenpflege; Wäschereinigung, Bring- und Abholservice etc.
  • verlangt ungefähr 20 Franken pro Stunde

Born möchte vor allem anderen Leuten helfen: «Ich bin noch fit und mobil und kann damit einigen Menschen tägliche Arbeiten abnehmen, die sie nicht mehr alleine bewältigen können.»

Diesen Februar verabschiedete sich Born nach über zwanzig Jahren von ihrem Job in der Marktforschung. Ohne den Job und nach der Trennung von ihrem Mann, hat sie die Zeit, sich neuen Aufgaben anzunehmen. Ihre Tage bestünden sonst aus Haushalt, Gartenarbeit, Lesen, Kaffeetrinken mit Freundinnen oder auf die Grosskinder aufpassen. «Dabei ist Abwechslung wichtig und hält jung.» Immer wieder wechselt Born im Gespräch zwischen Deutsch, Englisch und Italienisch. Die inernationale Rentnerin hat in allen Sprachen viel zu erzählen.

Wie läuft das mit den Steuern und der AHV?

Rent a Rentner informiert seine Mitglieder auf der Seite folgendermassen:


Einkünfte muss man versteuern – egal, ob man zeitweise kellnert oder jeden Tag Rasen mäht. Bei den Sozialabgaben ist das weniger dramatisch, denn Rentnerinnen und Rentner, die in der Schweiz das Rentenalter erreicht haben (Frauen ab 64 und Männer ab 65), müssen für ihr Einkommen keine Sozialleistungen (AHV/IV, etc.) bezahlen. Das gilt allerdings nur, wenn das Einkommen pro Monat pro Arbeitgeber 1'400 Franken nicht übersteigt. Und wenn doch, müssen auf den Differenzbetrag entsprechend Beiträge entrichtet werden.

Für detaillierte Auskünfte wird an die kantonalen Ausgleichskassen verwiesen.

Ihr sei bei der Anmeldung aufgefallen, dass in Luzern noch relativ wenige Rentner ihre Dienste anbieten würden. Im Gegensatz zu Zürich oder der Ostschweiz. Tatsächlich sind, von den über 3000 Rentner, in Luzern lediglich 57 und 30 in Zug registriert. Reto Dürrenberger von Rent a Rentner sieht den Grund bei der Entwicklung. «Die Plattform kommt natürlich aus dem Kanton Zürich und deshalb ist es dort etwas verbreiteter, aber das kommt in Luzern schon noch.»

 

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