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Jost Schumacher

Architekturwettbewerbe und deren Ungereimtheiten

Das Gebiet V-Zug mit massigem Modell. (zvg. Tanja Rösner-Meisser)

Bei Wettbewerben zu Architekturprojekten sieht Jost Schumacher Verbesserungsmöglichkeiten. Er wünscht sich die freie Architektenwahl und zweifelt an der Anonymität der Auslosungen.

Ich weiss, ich rege mich dabei über etwas auf, das wohl verbessert werden will. Das hindert mich aber nicht, auf grobe Mängel immer und immer wieder aufmerksam zu machen. Wer weiss, vielleicht ändert sich an gewissen verkorksten Verhältnissen doch etwas.

Architekturwettbewerbe und Studienaufträge sind aus meiner Sicht handels- und wettbewerbswidrig. Sie schliessen zum Vornherein die freie Architektenwahl des Bauherrn aus. Entscheiden, wer mitmacht, tut die Jury, bestehend aus Beamten und Architekten. Die Bauherrschaft ist normalerweise in der Minderzahl. Man unterscheidet zwischen guten und schlechten Architekten. Die Unterscheidung ist etwa gleich schwierig wie bei den Frauen: Wer ist schön und wer hässlich? Oder wer ist ein Fachidiot, wer ein intelligenter Mensch? Wer masst sich überhaupt an, über solche Kriterien zu entscheiden?

Bei den Architekten geben die führenden Hochschulen vor, was gut ist und was schlecht. Wer sich nicht danach richtet, ist weg vom Fenster. Dabei plädieren viele moderne Architekturhefte für mehr Fantasie, Abwechslung und Innovationen. Die alte Garde der Architekten lehnt solche Ideen aber ab, ausser sie kommen von ihr selbst. Dann, ja dann ist es etwas Anderes, aber sicher nicht von einem «arroganten Schnösel eines jungen Architekten».

Kriminelle Architekten?

Es ist nicht einzusehen, warum Behörden das Baugesetz nicht nutzen und der Fantasie der Architektur nicht mehr Freiheit zugestehen. Die Einsprachen der Nachbarn (übrigens ein Hobby der Schweizer, den Bauwilligen das Leben zu erschweren oder aber damit Geld zu verdienen) tun dann schon noch das, was an Kritik nötig ist.

«Wo ist da noch Innovation möglich?»

Durch den Wettbewerb wird bereits vorgängig derart viel festgelegt, dass der teilnehmende Architekt sich wie ein Krimineller vorkommen muss, dem man Handschellen angelegt hat. Die Chancen auszubrechen sind damit bei 0. Wo ist da noch Innovation möglich?

Nachdem es bei den Wettbewerben nur so wimmelt von «guten» Architekten in der Jury, wird noch ein fettes Honorar festgelegt für die armen teilnehmenden Kollegen. Das ist etwa so, wie wenn ich dem Kontrolleur bei der VBL sage: «Es tut mir leid, meine Familie hat heute beschlossen, für das Busticket 25 Prozent weniger zu bezahlen.» Warum fragt man nicht vor dem Wettbewerb die möglichen Teilnehmer an, was sie sich als Honorar vorstellen, und nimmt diejenigen, welche am konkurrenzfähigsten sind?

Die Illusion des Wettbewerbs

Es ist eine Illusion, zu glauben, dass die Ausloser eines anonymen Wettbewerbs (ausser dem Bauherrn) nicht wissen, wer welches Projekt eingegeben hat. Dafür gibt es zwei Methoden: Die eine ist eine entsprechende Info zwischen Jury und Teilnehmer, die andere sind bestimmte Signets in den Plänen. Zum Beispiel werden bei den Bäumen nur Pappeln gezeichnet, in der Einstellhalle gibt es nur Mercedes oder auf der Strasse nur Männer, die spazieren, usw.

«Es geht bei der Architektur höchstens um ein Ideal einzelner Idealisten und Ästhetiker.»

Schlussendlich bin ich überzeugt, dass es Organisationen unter den Architekten gibt, die sich gegenseitig den Sieg im Wettbewerb zuschlagen. Ich selbst weigere mich, an Wettbewerben teilzunehmen, wenn sowohl die Jury wie auch die teilnehmenden Architekten der gleichen Vereinigung angehören.

Wahlfreiheit für den Bauherrn

Der Wettbewerb oder Studienauftrag führt somit dazu, dass der Bauherr nicht mehr entscheiden kann, wer sein Bauwerk erstellen darf. Etwa so, wie wenn ich mich wegen einer Krebsoperation zuerst einem Gremium von Ärzten stellen müsste, die dann beschliessen, ob die Operation mit dem Skalpell, der Gucklochtechnik oder durch die Vene geschehen soll.

So, wie jemand zum Arzt der Wahl Vertrauen hat, sollte der Bauherr in seiner Wahl auch frei sein. Beim Arzt geht es um Tod oder Leben. Bei der Architektur höchstens um ein Ideal einzelner Idealisten und Ästhetiker mit eigenen Vorgaben.

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Jost Schumacher – auch bekannt als «Junker Jost» – schreibt über «sein Luzern». Vorwiegend greift er die Themen Politik, Umweltschutz, Bauangelegenheiten und Rechtsfälle auf. Die Themen sind frei gewählt, seine Meinung muss nicht mit derjenigen der Redaktion übereinstimmen.
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1 Kommentar
  • Profilfoto von marcelm2
    marcelm2, 21.01.2017, 10:23 Uhr

    Ein erstaunlicher Beitrag von Herr Schumacher zu einem leider wenig diskutierten Thema. Geht es doch bei Architekturwettbewerben in der Regel um hohe Millionenbeträge der öffentlichen Hand. Neuerdings soll jedoch dieses Wettbewerbsprinzip auch auf Private angewendet werden. Als Liegenschaftsbesitzer in Eschenbach konnten wir eine Verfügung des Gemeinderates mit der Verpflichtung zum Wettbewerb – trotz Qualitätsnachweis! – nur dank hohem juristischem Einsatz rückgängig machen. Und, gebaut ist damit noch gar nichts, aber viel Geld und Zeit unproduktiv verbrannt. Die Architektur-Gilde versucht und schafft es seit Jahrzenten unter dem Slogan «hohe Qualität» sich gegenseitig Aufträge zuzuschanzen. Vorallen die Vereinigung der BSA leistet sich damit meiner Meinung nach einen Bärendienst, ich nenne es Architektonischen-Inzest! Kommerziel ist dieses «Geschäftsmodell» wohl nach wie vor sehr erfolgreich, analog Organisationen wie der Hells Angels oder der IOC – man ist und bleibt unter sich. Aber langfristig ist es ein Auslaufmodell, dass einem Rechtsstaat wie der Schweiz schlecht ansteht. Danke Herr Schumacher für diesen Beitrag. Es ist zu hoffen, dass dies die Diskussion öffnet.

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