«Damals»
Blog
Der Glaube in Tierschädel zur Geistervertreibung

Ein Ochsenkopf zur Abwehr von Seuchen

Der Ochsenkopf soll vor Geistern und Unglück schützen.

(Bild: zvg. Historisches Museum Luzern)

Der Umgang mit mumifizierten Schädeln ist nicht gerade appetitlich. Dennoch lohnt sich ein Blick in die Geschichtsbücher: von Krankheitsdämonen und einem regen Handel mit den geisterabwehrenden Kräften.

Zugegeben: Der Umgang mit dem mumifizierten Ochsenschädel in der Sammlung des Historischen Museums Luzern ist nicht gerade appetitlich. Selbst wenn man ihn ganz sachte anfasst, rieselt aus dem schräg verzogenen Maul immer etwas von seinem vertrockneten Innern.

Und manchmal vermeint man, der Kopf zerfalle im nächsten Augenblick zu Staub, wie weiland Graf Dracula, als ihm sein Bezwinger in der Gruft des Karpatenschlosses einen Eschenpfahl ins Herzen trieb.

Zurück ins 19. Jahrhundert

Dieses Zeugnis des Glaubens an das Wirken von Krankheitsdämonen kam um 1882 oder 1883 in den Besitz des Historischen Vereins der fünf Orte. Der damalige Sammlungsbetreuer gab ihm die Inventarnummer 382 und vermerkte auf der Karteikarte: «(Völkerwanderungszeit) 1 Ochsenschädel aus einem alten germanischen Haus in Altbüron (Kritzenhölzli) Giritzenhölzli? Geschenk von Gd. Ammann Bernet.» Damit lässt sich der Schädel zeitlich einordnen.

Heidenhäuser schützten sich

Bernet war von 1881 bis 1882 im Amt. Doch auf die Völkerwanderungszeit zurück geht dieser Schädel wohl doch nicht. Aber ein oder zwei Jahrhunderte dürfte er in einem jener Bauernhäuser gehangen haben, die noch im 19. Jahrhundert eine offene Feuerstelle besassen und die man deswegen «Heidenhäuser» nannte.

Bezüglich des Verwendungszwecks der Ochsenschädel werden wir zuallererst bei Alois Lütolf fündig, der 1862 seine Sammlung von Sagen, Bräuchen und Legenden veröffentlichte. Auf Seite 331 klärt sich das Rätsel, wenn es heisst: «In Erpolingen und im Dorfe Altbüron stehen zwei alte Bauernhäuser, ‹Heidenhäuser› hiess man sie, in welchen im Dachstuhl an der Hochstud vor noch nicht vielen Jahren Ochsenschädel, als gegen die Bresten [Viehseuchen], zu sehen waren.»

Tierköpfe sollen die Geister bannen

Der Glaube an die geisterbannende und Schaden abwehrende Kraft von Tierköpfen lässt sich in unserer Gegend bis in die neueste Zeit nachweisen. Ein hiesiger Melker, der längst das Diesseits mit dem Jenseits vertauscht hat, berichtete mir von einem Haus in Ruswil, in dem zu gewissen Zeiten ein unerträgliches «Pouderen und Cheiben» zu vernehmen war.

Im Haus hatte es überdies eine verschlossene Kammer, die niemand betreten durfte. Es hiess, in diesem Raum wohne ein unerlösbarer Geist, der einst von einem Kapuziner dorthin verbannt worden sei. Wenn man den Raum betrete, betonte der Melker, käme Unglück über das Haus und seine Bewohner. Um die Belästigungen durch die unruhigen Geister etwas einzudämmen, fügte er an, habe man einen Kuhschädel in den Estrich gehängt. Danach habe es gebessert und auch das Vieh sei fortan von Krankheiten verschont geblieben.

Wirkt «pestabwehrend»

Eine ähnliche Wirkung schien man sich von Pferdeschädeln zu versprechen, die man in der Umgangssprache «Rossköpfe» nennt. «Zu Rüessligen bei Buttisholz raffte eine Seuche das Vieh so lange dahin, bis sie unter das Dachgebälke der Scheune einen natürlichen Rosskopf hingen.»

Der gleichen Meinung war man offenbar auch in Wolhusen, wo im alten Sigristenhaus bis zu seinem Abbruch im Jahre 1914 ein verrusster Rosskopf hing. Der damalige Sigrist weigerte sich, den Schädel wegzugeben, da dieser das Haus «pestabwehrend vor Unglück» schütze. Allein, das Sagen hatte damals der Herr Pfarrer und der beschied, dass das «Ding» zu entsorgen sei.

Der Handel mit mumifizierten Schädeln

Dass ein wichtiges Zeugnis des Volksglaubens den Weg ins Historische Museum Luzern gefunden hat, ist ein Glücksfall. Die im Archiv des Antiquariums in Bern noch erhaltene Korrespondenz belegt nämlich, dass um 1880 mit mumifizierten Ochsen- und Pferdeschädeln ein schwunghafter Handel betrieben wurde.

Federführend war damals ein gewisser Johann Jmbach, der im Auftrag des «Herrn Edm. von Fellenberg» (wohl der 1902 verstorbene Schweizer Alpinist und Geologe Edmund von Fellenberg) im Luzerner Hinterland als Aufkäufer tätig war und von diesem pro Schädel zwanzig Franken kassierte.

Verbreitung im Luzerner Hinterland

Dank der Briefe von Johann Jmbach wissen wir auch, dass um 1880 nicht nur in den «Heidenhäusern» von Altbüron Ochsen-, Pferde- und Hirschschädel hingen, sondern auch in Bauernhäusern anderer Gemeinden des Luzerner Hinterlandes. Namentlich erwähnt werden nebst Altbüron Schötz, Ettiswil, Egolzwil und Wauwil.

Aber an einigen Orten, berichtet Jmhof dem Herrn von Fellenberg, musste «der Herrn Pfahrer denen betreffeten die Sache Erklären dass er gar nichts zu betäuten hat, wen die Köpfe schon in der Scheuer hangen u. Ihnen gesagt es sei nur ein Aberglaube». Ansonsten, schrieb er, hätten sich die Leute aus Furcht nicht von den Schädeln getrennt.

Ab 1883 war jedoch Schluss mit dem Handel. Die Bauernhäuser waren leergeräumt. Bis in die Gegenwart erhalten hat sich jedoch der Glaube, dass bestimmte Zeichen eine magische Kraft haben und dadurch das Böse fernhalten.

Ein Schädel an der Ronmühle Schötz. Er soll vor Unglück schützen.

Ein Schädel an der Ronmühle Schötz. Er soll vor Unglück schützen.

(Bild: zvg. Historisches Museum Luzern)

Themen
«Damals»
Blog
Ob Hintergründe zu alten Gebäuden, Geschichten zu Plätzen, stadtbekannte Personen, bedeutende Ereignisse oder der Wandel von Stadtteilen – im «Damals»-Blog werden historische Veränderungen und Gegebenheiten thematisiert.
Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon