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Druck in der Arbeitswelt

Kind oder Karriere – immer noch?

Von erwerbstätigen Müttern existiert noch immer ein verzerrtes Bild.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Noch immer wird das Bild der erwerbstätigen Mutter nicht vollständig akzeptiert. Aber wie soll eine Mutter dem Druck der Arbeitswelt sonst standhalten? Und kann es dem Kind denn schaden, eine Pause zwischen Mami- und Papitag zu haben? Diese und weitere Fragen versucht sich Bloggerin und Mutter Myriam Kasper zu beantworten.

«Entweder man hat Kinder oder man geht arbeiten», hiess es damals, so in den 80ern, als sich meine Eltern trennten und meine alleinerziehende Mutter wieder arbeiten ging. Erst jetzt wird mir ansatzweise bewusst, welchem Druck wohl meine Mutter von der Aussenwelt ausgesetzt war – in einem Vorort von Luzern, wo die Steuern tief sind und viele wohlhabende Leute wohnen, die ihre Existenz auch ohne Arbeit erhalten können.

Meine Mutter musste arbeiten. Die damalige Intoleranz bekamen wir zu spüren, unter anderem auch von einem Nachbarn (Vater von zwei Kindern, heute geschieden). Seine Kinder durften plötzlich nicht mehr mit uns spielen, da meine Mutter geschieden ist und arbeiten geht. Böse, böse …

Kind oder Karriere

Nun, das war einmal. Worauf ich aber hinaus will: Obwohl man heute toleranter und offener ist, stosse ich immer noch auf eine Menge Unverständnis, wenn es darum geht, dass ich trotz Kind arbeiten gehe. Der Spruch «Entweder Kind oder Karriere» scheint tatsächlich noch allgegenwärtig.

Aber was heisst denn Karriere? Ist es schon eine Karriere, wenn man einfach arbeiten geht, sein Können erhalten möchte, um vielleicht, wenn man später wieder 100 Prozent einsteigen will, noch etwas mehr im Job zu erreichen? Ist einem dann der Job automatisch wichtiger als die Familie? Wenn Väter auf 80 Prozent reduzieren und einen Papitag haben, finden das die meisten wahnsinnig toll (ich natürlich auch). Geht jedoch die Frau 80 Prozent arbeiten, finden das die wenigsten toll. Denn dann ist man meist nicht die gute Mutter, die man doch sein sollte.

Druck in der Arbeitswelt

Frau sollte doch für ihre Kinder zurückstecken können. Dass aber heute der Druck in der Arbeitswelt gestiegen ist und man nach jahrelanger Pause kaum noch Chancen auf einen Wiedereinstieg hat, vergessen viele. Oder aber es heisst dann: Das weiss man ja, dann muss man halt keine Kinder haben. Und wenn man dann doch welche hat, ist man egoistisch. Und Betreuung in der Kita ist auch nicht so gut.

Nach dem gesetzlichen Mutterschaftsurlaub habe ich mir noch zwei Monate unbezahlten Urlaub gegönnt, somit kam ich auf fünfeinhalb Monate: eine wunderschöne Zeit, die ich mit meinem Baby verbracht habe. Sie ging viel zu schnell vorbei und doch habe ich mich wieder aufs Arbeiten gefreut. Immerhin drei Tage in der Woche, an denen ich meine beiden Hirnhälften etwas mehr anstrengen, mit gleichaltrigen Menschen sprechen und nur bei mir sein darf. Und ich geb’s ja zu, ein bisschen Wertschätzung brauch ich halt doch manchmal.

Eine zufriedene Mutter ist eine «gute» Mutter

Ist die gute Mutter diejenige, die rund um die Uhr bei den Kids ist? Mit ihnen spielt, malt, ihnen zu essen kocht und sie abends ins Bett bringt? Dazwischen Wäsche macht, Böden aufnimmt und am Abend den Mann zu Tode quatscht, weil sie den ganzen Tag nur Grimassen schneidet und Kinderlieder singt? Ich denke, es gibt die einen, die dafür gewachsen sind, sich ganz und gar auf die Kinder einzulassen, und sich durchaus vergessen können.

Zeit für sich

Ich kann aber sagen, dass ich zu den anderen gehöre, die auch mal Zeit für sich brauchen, mal in Ruhe einen Kaffee trinken möchten und mal nur meinen Gedanken nachgehen möchte, ohne im Hinterkopf zu denken: Ich muss pressieren, höre mein Kind gerade nicht, hoffentlich liegt es noch auf der weichen Matte, hoffentlich hat es nicht irgendwas verschluckt.

Wenn ich zufrieden und ausgeglichen bin, trage ich das nach aussen und ich wirke positiv. Mit dieser positiven Einstellung fällt mir vieles einfacher und ich gebe diese positive Ausstrahlung auch meinem Kind weiter. So ist es zumindest bei mir. In meinem Leben gibt es nicht eine Konstante: An manchen Tagen steht bei mir die Familie an erster Stelle, an anderen Tagen meine Freunde, wieder an anderen Tagen meine Arbeit, weil ich da vielleicht eine besondere Wertschätzung erhalte. Was ich damit sagen will, ist, dass man durchaus Job und Familie handeln kann, wenn man sich dabei glücklich und ausgeglichen fühlt.

Auch eine Abwechslung für das Kind

Meiner Meinung nach ist es heute so, dass der Druck überall gestiegen ist und ich in meiner Generation gezwungenermassen damit mitgewachsen bin. Wir funktionieren heute schneller, müssen viele Dinge parallel erledigen. So sind wir gross geworden. Und wie ist es fürs Kind, wenn es nicht sieben Tage rund um die Uhr bei der Mama ist?

Wir können die Babys und Kinder leider nicht fragen, da sie entweder noch nicht sprechen können oder keinen Vergleich haben, wie es anders sein könnte. Da kann ich nur mutmassen und meine Erfahrungen spielen lassen. Aber wenn ich meinen Sohn lachen sehe, wenn er in die Augen seines Betreuers blickt, gehe ich davon aus, dass er Freude hat.

Und ich denke, es schadet keinem Kind, den ganzen Tag mit andern Kindern spielen zu können oder mit verschiedenen Kulturen und Werten konfrontiert zu werden. So als Abwechslung zum Mami- und Papitag.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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