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Update für die abl-Siedlung Obermaihof

Renovierte Siedlung sieht alt aus

Stilistisch zurückdatiert: «neue» Heimatstilbauten der abl im Maihof. (Foto: Gerold Kunz)

(Bild: Gerold Kunz)

Mit einer Balkonerweiterung erfahren im Maihofquartier vier Bauten der abl-Siedlung Obermaihof ein Update. Die schlichten Nachkriegsbauten werden zu Heimatstilbauten zurückdatiert. Nun sehen sie älter aus, als sie es sind.

Nicht nur im Himmelrich, auch im Maihof steht ein umfangreicher Umbau einer abl-Siedlung an. Von 25 Bauten bleiben nur vier bestehen, sieben werden umgebaut und erweitert, während vierzehn bestehende Bauten abgebrochen und durch sechs Neubauten ersetzt werden. Im Dezember sollen die Bauprofile erstellt und im Januar der Kredit für die Neubauten von den Genossenschaftsmitgliedern genehmigt werden. Doch mit den Umbauarbeiten wurde bereits diesen Sommer begonnen.

Erste Bauetappe hinterlässt Fragen

Vier schlichte Nachkriegsbauten wurden von den beauftragten phalt Architekten aus Zürich in einer ersten Bauetappe fertiggestellt. Sie erhielten eine neue Aussendämmung und grosszügige Loggien, auch der Eingangsbereich wurde mit einem Vorbau erweitert.

«Wird hier Kosmetik oder Architektur betrieben?»

Obwohl alle diese Massnahmen sich zu einem stimmungsvollen Ganzen fügen, hinterlässt bei mir das Resultat ein Unbehagen. Die nüchternen Bauten wurden mit Anklängen an den Heimatstil umgewertet. Nun sehen sie älter aus, als sie es tatsächlich sind.

Während im Neustadtquartier die wunderschönen Himmelrich-Zeilenbauten im Heimatstil nach der grossen Kulturparty abgebrochen wurden, entstehen diese im Maihof quasi neu. Die hier verwendeten Gestaltungsmittel, insbesondere der Rillenputz und der Dachabschluss, orientieren sich am Heimatstil des frühen 20. Jahrhunderts und haben wenig gemeinsam mit dem spröden Charme der vor dem Umbau original erhaltenen Bauten aus den 1950er-Jahren. Die Frage sei deshalb erlaubt: Wird hier Kosmetik oder Architektur betrieben?

Wichtiger Schritt der Erhaltung

Die Nachkriegsschweiz hatte einen grossen Effort im Wohnungsbau geleistet und einen Weg gefunden, Leute vom Land für das stadtnahe Leben zu begeistern. Die Siedlung Obermaihof zeugt davon. Bei allen diesen Siedlungen stehen heute Veränderungen an. Die Mehrheit der Architekten bewertet diese stilistisch zwischen Tradition und Fortschritt oszillierenden Bauten als minderwertig, weshalb diese landauf, landab abgebrochen oder verändert werden. Viel zu selten sind sich die Planer der enormen Leistungen jener Jahre bewusst, als es darum ging, einen massentauglichen Wohnungsbau zu schaffen, ohne Wohnghettos zu produzieren.

«Die Erfolgsgeschichte der abl wäre es wert, in den verbleibenden Originalbauten dokumentiert zu werden.»

Bei der Beurteilung des Wettbewerbsergebnisses zum Umbau der Siedlung Obermaihof, den ich als einen wichtigen Schritt erachte, rechnete ich es der abl hoch an, dass sie im Maihof vier Bauten der Siedlung behält; quasi als Erinnerung an ihre Anfänge.

Leider setzten sich die Beteiligten zu wenig mit der real existierenden Architektur auseinander, sondern sind stattdessen ihrer eigenen Vision gefolgt. Wegen ihrer persönlichen Vorlieben haben sie sich nun auf der Zeitachse verirrt, was mich verwirrt.

Meine Hoffnung, dass sich die Verantwortlichen auch beim Umbau mit dem architekturgeschichtlichen Wert der bald siebzigjährigen Bauten sorgfältig auseinandersetzen, bleibt unerfüllt. «Die Erfolgsgeschichte der abl wäre es wert, in den verbleibenden Originalbauten dokumentiert zu werden», schrieb ich vor einem Jahr in meinem Kommentar im Luzerner 041. Offenbar wurde er in Zürich nicht gelesen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Adrian Huerlimann
    Adrian Huerlimann, 21.11.2016, 15:55 Uhr

    Genau solche Wohnblöcke, gebaut um 1950, finden sich auch in der Zuger Gartenstadt. Zur Zeit planen zwei Genossenschaften (Baugenossenschaft Familia AG und Heimstädte Zug AG) sowie die öffentliche Hand (kantonale Gebäudeversicherung) in den nächsten Jahren ihre 17 Wohnhäuser entlang der Aabach- und Hertistrasse abzureissen und mit Neubauten zu ersetzen. Ausserdem soll eine grosse, überflüssige Autoeinstellhalle gebaut werden (die allein schon 9 Millionen kosten dürfte).
    Dagegen wehren wir uns, denn ein Abbruch und Neubau von 17 Wohnhäusern in der Gartenstadt wäre ein zweifacher Skandal:

    – Ein sozialer Skandal, weil dabei um die hundert sehr preisgünstige Wohnungen vernichtet werden.
    – Ein städtebaulicher Skandal, weil die Gartenstadt unter Ortsbildschutz steht und im Inventar schützenswerter Ortsbilder der Schweiz (ISOS) neben der inneren und einem Teil der äusseren Altstadt ohne Abstriche als Erhaltungsziel A aufgeführt ist

    Zur sozialen Situation:
    Die gegen hundert Wohnungen wurden zwischen 1945 bis 1960 von der damaligen Landis & Gyr für ihre Mitarbeiter erstellt. Immer noch wohnen viele dieser heute pensionierten Personen in den Wohnhäusern. Ausserdem haben viele Familien und junge Menschen mit geringem Einkommen in der Gartenstadt ihr Zuhause. Die Miete ist sehr tief, der Ausbaustandard der Wohnungen entsprechend bescheiden. Seit den Balkonanbauten vor längerer Zeit wurde kaum mehr investiert. Trotzdem fühlen sich die Mieter wohl und sehen keinen Bedarf für radikale Sanierung oder sogar Neubauten.

    Die Bewohner hörten am Rande einer Veranstaltung des Baudepartements zum «Gestaltungshandbuch Ortsbildschutzzone Gartenstadt Zug» von den Neubauplänen. In zwei Jahren soll abgerissen werden, wurde ihnen vom Verwalter der Häuser mitgeteilt. Sie sind konsterniert und fragen sich, wo sie in Zukunft leben werden. So günstige Wohnungen werden sie in Zug kaum noch finden. Heisst das also, dass viele entwurzelt werden und die Stadt Zug verlassen müssen?

    Für den sozialen Zusammenhalt der Gartenstadt hätte ein Abbruch und Neubau von ca. einem Drittel der Wohnungen fatale Folgen. Die soziale Durchmischung im Quartier wäre für immer verloren.

    Zur städtebaulichen Situation:
    Die «Gartenstadt» ist ursprünglich ein vom Briten Ebenezer Howard im Jahr 1898 in England entworfenes Modell als Antwort auf die schlechten Wohn- und Lebensverhältnisse der Fabrikarbeiter in Industriestädten. Der Garten diente als Nutzgarten, Spiel- und Erholungsbereich und verhalf den Arbeitern zu einer gesunden Ernährung und Lebensweise.

    Die Landis & Gyr erbaute die Zuger «Gartenstadt» zwischen 1919 und 1960. Sie steht unter Ortsbildschutz. Ausserdem ist sie als Ortsbild von nationaler Bedeutung im Inventar schützenswerter Ortsbilder der Schweiz (ISOS) verzeichnet, und zwar mit Erhaltungsziel A. Dabei werden räumliche und architekturhistorische Qualität sowie die Bedeutung gewürdigt. Hier zählen nicht die einzelnen Häuser, sondern das Ganze, die Gartenstadt. («Auch ein Ortsbild, das keinen einzigen wertvollen Einzelbau enthält, kann nationale Bedeutung haben.» ISOS) Von diesem Ortsbild soll nun ca. ein Drittel abgerissen werden. Fünf dieser gefährdeten Häuser werden im Verzeichnis speziell erwähnt als «strukturstarke Wohnblockreihe längs der Aabachstrasse, erb. 1952-54».

    Wenn ein Ortsteil zu einem Drittel erneuert wird, verändert sich die soziale Struktur des ganzen Quartiers. Ein Planer beschrieb das so: «Das (architektonische) Bild bringt man mit sauberer Planung hin, das Volk aber nicht.»

    Das darf nicht sein!

    Mit einer Petition an die Besitzer der 17 Mehrfamilienhäuser bitten wir sie, auf ihre Pläne zurückzukommen und das Gesicht der Arbeitersiedlung in der Gartenstadt zu wahren.

    Bitte unterschreiben auch Sie! Mehr dazu auf progartenstadt.ch

    Adrian Hürlimann, Zug

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