Inspektion der Steinhauser Verschlüsselungsfirma

Crypto-Affäre: Untersuchungsbericht bleibt geheim

Interessierte sich vor allem für die Ereignisse des letzten Jahres: Alfred Heer, GPDel-Präsident und Nationalrat. (Bild: Screenshot)

Die Geschäftsprüfungsdelegation der Eidgenössischen Räte wollte Licht in die Spionageaffäre um die Crypto AG bringen. Sie wirft mit ihrer Inspektion aber viele Fragen auf. Weil sie wesentliche Erkenntnisse zur Verschlusssache erklärt und sich auf Details konzentriert.

Zwei Dinge sind der Geschäftsprüfungsdelegation der Eidgenössischen Räte (GPDel) besonders wichtig. In ihrem am Montag veröffentlichten Inspektionsbericht zum Fall Crypto übt sie zum einen heftige Kritik am Bundesrat. Besonders an Bundesrat Guy Parmelin (SVP), Vorsteher des Wirtschaftsdepartements, das Ausfuhrbewilligungen für die Nachfolgefirmen der Crypto AG sistiert hat: Die Sistierung sei voreilig gewesen (zentralplus berichtete).

Zum anderen ist es der Delegation ein Anliegen, die Sicherheit von verschlüsselter Kommunikation in der Schweizer Bundesverwaltung und der Armee in Zukunft zu gewährleisten.

Aufklärung fehlgeschlagen

Sehr viel schlechter gelingt die Aufklärung eines der grössten Spionagefälle des 20. Jahrhunderts – des Falles Crypto AG, die fremden Geheimdiensten gehörte und CIA und BND mit manipulierten Geräten half, Informationen zu beschaffen. Und die dabei als Schweizer Unternehmen den guten Ruf und die Neutralität des Landes ausnutzte.

Der Grund für die mangelhafte Bilanz: Die GPDel erklärt das Kernstück der Untersuchung, den Bericht von alt Bundesrichter Niklaus Oberholzer, samt und sonders zur Verschlusssache. Allgemein ist erwartet worden, dass der Untersuchungsbericht bloss einzelne eingeschwärzte Stellen enthalten würde.

Es droht «schwerer Schaden»

In Oberholzers Bericht enthaltene Informationen könnten «im Falle ihrer Bekanntgabe den Landesinteressen nachhaltig einen schweren Schaden zufügen», heisst es in einer Medienmitteilung der GPDel. Weil ihr Inspektionsbericht geleakt wurde und Details vorzeitig an die Medien gelangten, wurde übrigens Anzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung erstattet.

Verstärkt wird das Interesse an Niklaus Oberholzers Untersuchungsbericht durch die GPDeL selber, die laut Inspektionsbericht «nach Herausverlangung aller relevanten Akten des Schweizerischen Nachrichtendienstes erkannte, dass der Fall Crypto AG über die reine Geschichtsschreibung hinausging» und von aktueller Bedeutung ist.

In der Folge habe sie den allgemeinen Untersuchungsauftrag des Bundesrates widerrufen und Oberholzer beauftragt, die nachrichtendienstlichen Aspekte des Falles in einem Geheimbericht für die GPDel aufzuarbeiten.

«Skandalös»

Die Geheimhaltung stösst auf Kritik. So zeigte sich etwa die Zuger Alternative – die Grünen in einer Mitteilung nicht nur entsetzt, «dass die Schweiz in vollem Bewusstsein über den systematischen Missbrauch der Neutralität durch den CIA, beim skandalösen Geheimprojekt mitgemacht hat».

Die ALG, welche die Geschäfte von Crypto seit 1993 verfolgt, will auch volle Transparenz. «Wir fordern die Veröffentlichung des Berichts Oberholzer», sagt der Zuger ALG-Kantonsrat Luzian Franzini. «Angesichts der Enthüllungen wie auch der Verhüllungen bleibt eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) aktuell.»

Crypto-Chef nicht befragt

Die GPDel selber hat auch mehrere Dutzend Personen zum Fall befragt – vor allem Politiker und Bundesangestellte. Der Zuger alt Nationalrat Georg Stucky (FDP) wollte Auskunft geben, ist aber vor der Befragung verstorben.

Vergeblich sucht man auf der Liste der Interviewten indes leitende Angestellte der Crypto AG, etwa Giuliano Otth, den letzten und langjährigen CEO.

Auch mit alt Bundesrat Adolf Ogi (SVP) sprach die GPDel nicht – dabei ist dieser Vorsteher des Verteidigungsdepartements gewesen, als erste Berichte über die Verwicklung der CIA in amerikanischen Medien auftauchten. Der Zuger Rohstoffhändler Marc Rich hatte der CIA in Sachen Crypto mutmasslich aus der Patsche geholfen (zentralplus berichtete); zu dieser Zeit war der Crypto-Vertreter in Saudi-Arabien einem Bombenattentat zum Opfer gefallen.

Schachteln mit neuen Unterlagen

Ob die GPDel nun wirklich alle Fakten zur Crypto-Affäre und den Minerva-Bericht kennt, lässt sich auch aus einem andern Grund bezweifeln. Der Nachrichtendienst des Bundes hat nämlich 2011 bis 2014 wiederholt Akten vernichtet, was von den Parlamentariern hart kritisiert wird. Die Delegation glaubt indes, das meiste aufgeklärt zu haben – auch dank eines Überraschungsfundes in einem ungenutzten Führungsbunker, wo man Schachteln mit nicht archivierten Unterlagen zum Fall Crypto fand.

«Die Bundespolizei wurde vom Strategischen Nachrichtendienst bewusst in die Irre geführt.»

Alfred Heer, Präsident GPDel

Grundsätzlich interessierte die Parlamentarier bei dieser Aufarbeitung der Vergangenheit die Frage, ob die Kooperation des Schweizer Nachrichtendienstes mit der CIA ab den 1990er-Jahren vom Gesetz gedeckt war. Ja, sie war rechtens, glaubt die Delegation. Sie bemängelt aber, dass der Bundesrat als politisches Führungsorgan nicht in die Operation eingeweiht wurde, was unbedingt hätte geschehen sollen – dieses Verhalten des Nachrichtendienstes sei «inakzeptabel».

Ex-Spionagechef in der Kritik

Der Grund dafür, dass etwa die Bundespolizei bei ihrer Untersuchung der Affäre Bühler nichts gefunden habe, sei, dass sie vom Strategischen Nachrichtendienst «bewusst in die Irre geführt worden ist», wie GPDel-Präsident Alfred Heer (SVP, ZH) an der Medienkonferenz sagte.

Insbesondere am vormaligen Chef des Nachrichtendienstes des Bundes Markus Seiler liess Heer kein gutes Haar. Unter dessen Ägide fanden die jüngsten Aktenvernichtungen statt. Seiler wusste von den Verwicklungen der Crypto AG, verzichtete aber nicht nur darauf, die zuständigen Bundesräte einzuweihen, sondern schwieg auch gegenüber seinem Nachfolger Jean-Philippe Gaudin.

Bundesrat muss Köpfe rollen lassen

Seiler (52) ist derzeit Generalsekretär im Aussenministerium und ein mögliches Bauernopfer. Die GPDel verzichtet indes darauf, den Kopf des Thurgauers zu fordern und schiebt die Konsequenzen dem Bundesrat zu.

Der Bundesrat trage die politische Verantwortung für die Schweizer Beteiligung an der Operation, obwohl er nach Überzeugung der GPDel nicht darin eingeweiht war. Der Bundesrat sei auch mitverantwortlich für den jahrelangen Export von «schwachen» Geräten durch die Crypto AG. Denn er sei für den Nachrichtendienst zuständig und müsse nun auch die nötigen Schlüsse ziehen und handeln.

War Bundesrat Kaspar Villiger eingeweiht?

Laut GPDel erlangte der Strategische Nachrichtendienst 1993 verlässliche Informationen darüber, dass die Crypto AG der CIA und dem BND gehörte, informierte aber den Bundesrat nicht. Zur Frage, ob Bundesrat Kaspar Villiger damals vom Zuger Nationalrat Georg Stucky über die Eigentümerschaft informiert wurde, heisst es im Inspektionsbericht: «Das EJPD unterstützte die BuPo bei ihren Abklärungen zu den Eigentumsverhältnissen der Crypto AG. Als die Befragung von zwei Beiräten der Firma keine befriedigenden Antworten ergab, bat der Generalsekretär des EJPD (Armin Walpen) Nationalrat Georg Stucky, der seit 1992 Verwaltungsrat der Crypto AG war, am 5. Mai 1994 mit Nachdruck, seinen Einfluss zugunsten der Abklärungen der Eigentumsverhältnisse geltend zu machen.
Nachdem der Schlussbericht der BuPo vorlag, schickte der Vorsteher des EJPD (Arnold Koller) diesen Bericht an den Vorsteher des vormaligen EMD (Kaspar Villiger)und erwähnte im Begleitbrief vom 2. Juni 1995, dass der Bericht bei einem Gespräch mit Nationalrat Stucky über die Eigentumsverhältnisse dieser Firma von Nutzen sein dürfte. Ob ein entsprechendes Gespräch stattgefunden hat, ist nicht aktenkundig. Dagegen spricht, dass der Vorsteher des EJPD gemäss einer Aktennotiz seines Generalsekretärs von Ende Juni 1995 plante, selber mit Nationalrat Stucky ein Gespräch über die Offenlegung der Eigentumsverhältnisse der Crypto AG zu führen. Der Vorsteher des EJPD ging in seiner Auskunft an die GPDel davon aus, dass ein solches Treffen nicht erfolgt ist.»

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