Luzerner Künstler Thurry Schläpfer

«Auch Ritter hatten lange Haare»

Der Luzerner Künstler Thurry Schläpfer in seinem Atelier an der Grüneggstrasse. (Bild: jav)

Thurry Schläpfer ist ein Gesicht, das in der Stadt Luzern fast jeder kennt. Der Künstler stellt derzeit für die Aktionswoche Asyl aus und transportiert die Ausstellung wie üblich per Velo. Zentral+ hat ihn besucht und mit ihm über Fremdenangst, das Künstlerdasein und seinen Bauch gesprochen.

Im Atelier von Thurry Schläpfer ist es relativ kühl. Draussen brennt die Sonne, hier drinnen sitzt der Luzerner Künstler auf dem Sofa inmitten eines kreativen Chaos, trinkt kaltes Wasser mit Kaffeepulver – was er Bärenwasser nennt und es schmeckt gar nicht schlecht – und raucht eine Zigarette. Im Hintergrund läuft Trommelmusik: eine musikalische Umsetztung einer Sage des Indianerstammes der Lakota.

Als Demokrat muss man Schlucken können

Im Umfeld der Aktionswoche Asyl auszustellen, war für Schläpfer ein passender Rahmen. Einige Werke zum Thema schuf er extra für die Ausstellung, andere bestanden bereits in seinem Fundus aus tausenden von Bildern, die der Künstler in den vergangenen 35 Jahren gemalt, beziehungsweise gezeichnet hat. 20’000 bis 40’000 werden es wohl sein, schätzt Schläpfer. «Das ist sehr schwierig einzuschätzen, gerade wenn man all die Kleinen mit dazuzählt.»

«Die Angst vor dem Fremden ist bequem, dumm und läppisch.»

Für die Ausstellung in der Meyer Kulturbeiz, im Rahmen des Aktionswoche Asyl, hat Schläpfer eine Reihe von Bildern bereitgestellt. In diesen geht es um Grenzen, um das Überschreiten derselben und um die Übergänge. Es geht darum, unterwegs zu sein. Im Asyl, Exil – auch auf anderen Planeten oder im rein symbolischen Sinn.

Bei dem Thema kommt der 55-jährige Künstler ins Reden. «Die Angst vor dem Fremden ist bequem, dumm und läppisch. Undifferenzierter Schwachsinn.» Selbstverständlich sei es immer schwierig Menschen mit Kriegserfahrungen, oftmals verbunden mit einer problematischen Beziehung zu Gewalt, aufzunehmen. Aber die Bereitschaft damit umzugehen sollte vor dem nationalen Egoismus stehen. «Es besteht derzeit eine verhetzte Meinung zum Thema, eine grusige Einstellung. Da war man in den 70ern noch offener eingestellt. Aber die offene Schweiz verhärtet sich zunehmend.» Man dürfe aber auch nicht zu schwarz sehen. «Es ist nicht die absolute Volksmeinung. Es sind bloss ein paar Prozent mehr. Und als Demokrat muss man manchmal Schlucken können», gibt der Künstler zu bedenken.

Er nennt sich «Smalltalk-behindert»

Zur Ausstellung

Im Rahmen der Aktionswoche Asyl findet vom 15. bis 30. Juni 2015 die Ausstellung von Thurry Schläpfer statt. Der Luzerner Künstler befasst sich dazu mit dem Thema «fremd sein» und präsentiert seine Werke in der Meyer Kulturbeiz am Bundesplatz. Der Erlös der verkauften Bilder geht zu 70 Prozent an die Caritas Luzern.

Ab dem 4. Juli stellt Schläpfer auch noch im Arlecchino aus. Dort werden auch Texte und Fotografien ausgestellt.

Es sei nun einfach wichtig, die Leute zu sensibilisieren. «Wir müssen uns öffnen. Denn verändern wird sich die Welt sowieso immer weiter. Fluchtbewegungen gab es immer und wird es immer geben. Dass auf der Alp Schwarzafrikaner käsen, wird bald nichts Besonderes mehr sein.»

Schläpfer hat sich gleich ins Thema gestürzt, kaum hatte er sich wieder hingesetzt und den Notizblock aus dem Rucksack wandern sehen. «Smalltalk-behindert» nennt sich der Künstler. Oder «ein verhinderter Professor». Entweder man höre seinem Dozieren sehr gerne zu, oder es gehe einem fürchterlich auf die Nerven. Entweder, oder. «So ist es auch mit meiner Kunst. Die einen finden es toll, die anderen unsinnig.» Man könne ja sowieso nie allen gefallen, sagt Schläpfer, um sogleich zu relativieren: «Ausser die Beatles, die haben das geschafft.»

(Bild: jav)

Thurry Schläpfer hat einen ganz eigenen Stil, den man sofort wiedererkennt. Das kann Vor-und Nachteil sein, findet er selbst. Zu seiner Kunst brauche man einen Zugang. «Ich habe eine eigene Welt aufgebaut mit vielen Symbolen – ein Baukasten von Elementen. Diese Welt verbreiterte sich über die Jahre hinweg, reduzierte sich wieder.» Viele seiner Baukastenelemente und -symbole fände man in fast allen seiner Bildern. Eher ein Zeichner als ein Maler – Farbe ist Beigabe, Klang.

«Nur ein armer Künstler ist ja ein richtiger Künstler – meinen die Spiessbürger.»

Zeichnen sei für ihn eine geistige Übung. Es sei eine Form von Geschichten erzählen. «Ich mische dabei Motive aus Buddhismus, Science Fiction und Märchen.» Schläpfer trinkt einen Schluck Bärenwasser und giesst sich daneben auch ein Glas richtiges Wasser ein. Er trinke gerade sehr viel Wasser – da er keinen Sport machen will. Aber der Bauch müsse weg. «Ich habe in den letzten Jahre etwas zugelegt. Ein Bauch dank Harmonie», sagt Schläpfer und lächelt.

Armer Künstler, guter Künstler

Finanziell hingegen sei es selten einfach. «Aber nur ein armer Künstler ist ja ein richtiger Künstler – meinen die Spiessbürger.» Trotzdem könnte er nie ein Teilzeit-Künstler sein und dafür finanziell auf sichereren Beinen stehen. «Diese Milchbüchleinrechnung von 50 Prozent Künstler sein und 50 Prozent Büroarbeit zum Beispiel, die geht nicht auf. Ich kann nicht um 18 Uhr nach Hause kommen und sagen: So, jetzt bin ich kreativ.»

Aufträge macht Schläpfer kaum bis keine. Er hat Fotograf gelernt, wie sein Vater. Früher hat er als freier Fotograf und Fotoreporter gearbeitet, heute macht er Kunstfotografie, darunter auch viele Akte von Bekannten. Immer analog, immer ohne Blitz. Die Kamera hat er immer dabei.

«Heute haben anscheinend die meisten Leute Läuse.»

Das Thema Asyl fotografisch umzusetzen sei sehr schwierig und vor allem extrem zeitaufwendig. Jutta Vogel sei ein gutes Beispiel für tolle Arbeiten in diesem Bereich.

Neben der Fotografie schreibt Schläpfer auch Texte. Und er macht Musik. Es stehen einige Gitarren im Atelier herum. Auf der Einen, die er durch einen Tausch von Tobi Gmür erhalten hat, spielt er einen Song. Er bilde sich aber nichts auf seine Musik ein, betont er. «Trotz meiner langen Haare bin ich kein Gitarrist. Aber das muss man heute schon fast sein, um lange Haare haben zu dürfen. Ritter hatten lange Haare. Und in der Antike alle Reichen – die Armen hatten nämlich Läuse und mussten deshalb kahlgeschoren werden. Heute haben anscheinend die meisten Leute Läuse.»

Schläpfer schaut amüsiert auf: «Ich bin durchgeknallt – aber ich bin ruhiger geworden.» Mit Drogen habe er glücklicherweise nie was am Hut gehabt. Nur mit Kaffee und Tabak. Und natürlich mit den Frauen. «Ich hatte natürlich meine wilden Zeiten, aber konkret ausführen muss ich das ja nicht», schmunzelt er.

Aufbruch

Schläpfers Velo steht nun in der Sonne bereit. Es ist nicht nur mit diversen Bändern, Federn und Anhängern behangen, sondern es zwitschert auch. «Ich glaube es wird nicht geklaut, wenn die Leute vor dem Weiterverkauf einen solchen Aufwand mit dem Entfernen all dieser Dinge betreiben müssen», lacht Schläpfer. Mit dem zwitschernden Velo und einem improvisierten Veloanhänger, beladen mit seinen Bildern, geht es nun Richtung Meyer. Die Bilder müssen aufgehängt werden.

«Dass die Ausstellung im Meyer ist, passt super», ruft Schläpfer beim Velofahren über die Schulter. «Die Pächter sind auch sehr progressiv. Eine gute Wahl.»

Thurry Schläpfer hängt eines seiner Bilder im Meyer auf. (Bild: jav)
Thurry Schläpfer hängt eines seiner Bilder im Meyer auf. (Bild: jav)
Thury Schläpfer, Die Flucht, 50x70 cm, 2010 (Bild: Kunstankauf des Kanton Luzern)
Thury Schläpfer, Die Flucht, 50×70 cm, 2010 (Bild: Kunstankauf des Kanton Luzern)
Ein Eindruck aus Schläpfers Atelier (Bild: jav)
Ein Eindruck aus Schläpfers Atelier (Bild: jav)
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